EU-Vorgaben zu Gehaltstransparenz: Was verlangt wird und was nicht
Die neue EU-Richtlinie 2023/970 zur Gehaltstransparenz soll die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen reduzieren. Sie verpflichtet Unternehmen jedoch nicht dazu, die Gehälter einzelner Mitarbeiter offenzulegen. Auch müssen künftige Gehälter nicht bereits in Stellenanzeigen veröffentlicht werden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass nationale Gesetzgeber zusätzliche Anforderungen einführen, die über die Vorgaben der EU hinausgehen.
In den vergangenen fünf Jahren hat die EU 13.000 Rechtsakte verabschiedet, während es in den USA lediglich 3.500 waren. Studien von BusinessEurope zeigen, dass ein Großteil dieser Regelungen nicht effektiv die Hindernisse am Binnenmarkt beseitigt hat, sondern für europäische Unternehmen hohe Kosten für Berichterstattung und Compliance verursacht. Nationale Regierungen können EU-Vorgaben zusätzlich verschärfen, was auch bei der neuen Gehaltsrichtlinie der Fall sein könnte.
Geplantes nationales Gesetz
Unter dem Dach des Arbeitsministeriums wird derzeit ein neues Gesetz erarbeitet, das am 7. Juni 2026 in Kraft treten soll. Der volle Name lautet „Gesetz zur Gewährleistung gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit und Arbeit gleichen Werts für Frauen und Männer unter Berücksichtigung der Gehaltstransparenz“. Die Komplexität des Gesetzes lässt vermuten, dass die Umsetzung für Unternehmen anspruchsvoll werden könnte.
1. Durchschnittsgehälter statt individueller Offenlegung
Die Richtlinie verpflichtet Arbeitgeber nicht, Auskunft über das Gehalt einzelner Kollegen zu geben. Arbeitnehmer haben lediglich Anspruch auf Informationen über ihr eigenes Gehalt und über durchschnittliche Gehälter vergleichbarer Stellen, getrennt nach Geschlecht.
Beispiel: Bei Journalisten gibt es unterschiedliche Tätigkeitsprofile, etwa Nachrichtenjournalisten, spezialisierte Reporter oder Redakteure. Arbeitgeber müssen lediglich die durchschnittlichen Bruttogehälter nach Geschlecht für die jeweilige Kategorie ausweisen. So könnte die durchschnittliche Vergütung eines Nachrichtenjournalisten bei Männern 1.650 Euro und bei Frauen 1.750 Euro betragen, bei einem Gesamtdurchschnitt von 1.700 Euro.
Die individuelle Gehaltsauskunft eines Kollegen erfolgt nur, wenn auf der Position lediglich zwei Mitarbeiter tätig sind. Die Anforderung zur Information erfolgt über Arbeitnehmervertretungen oder Gleichstellungsstellen. Der Arbeitgeber muss innerhalb von zwei Monaten antworten.
2. Angaben zum Einstiegsgehalt
Arbeitnehmer haben Anspruch auf Informationen über das Einstiegsgehalt oder dessen Spanne. Eine Pflicht zur Veröffentlichung des Gehalts in Stellenanzeigen besteht jedoch nicht. In Slowenien zum Beispiel müssen potenzielle neue Mitarbeiter spätestens drei Tage vor Vertragsabschluss alle Gehaltsbestandteile einsehen können. Diese Regelung genügt, um die EU-Anforderungen zu erfüllen.
3. Berichterstattung über die Gehaltslücke
Unternehmen ab 100 Mitarbeitern müssen die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen für das vorangegangene Kalenderjahr offenlegen. Die Richtlinie verlangt keine Angabe von absoluten, Durchschnitts- oder Mediangehältern in Euro. Es reicht die prozentuale Differenz. Beispiel: Männer verdienen durchschnittlich vier Prozent mehr als Frauen, der Median liegt acht Prozent höher. Nationalstaaten können die Berichtsfrequenz erhöhen oder auch kleinere Unternehmen einbeziehen. Berichtspflichten:
- Arbeitgeber ab 250 Mitarbeitern jährlich ab dem 7. Juni 2027
- Arbeitgeber mit 150 bis 249 Mitarbeitern alle drei Jahre ab 7. Juni 2027
- Arbeitgeber mit 100 bis 149 Mitarbeitern alle drei Jahre ab 7. Juni 2031
4. Maßnahmen gegen unrechtmäßige Gehaltsunterschiede
Liegt die Lohnlücke in einer Kategorie bei mehr als fünf Prozent und wird sie innerhalb von sechs Monaten nicht ausgeglichen, muss das Unternehmen gemeinsam mit Arbeitnehmervertretern eine Bewertung durchführen und Maßnahmen ergreifen. Dies kann beispielsweise die Gehaltsanpassung für betroffene Frauen umfassen.
5. Kriterien für Gehaltsfestlegung
Arbeitnehmer müssen Zugang zu den Kriterien haben, die zur Gehaltsbestimmung verwendet werden. Die Richtlinie verlangt jedoch nicht, dass jeder Mitarbeiter automatisch befördert wird, wenn er die Kriterien erfüllt. Die Kriterien dienen vor allem dazu, Gehaltsunterschiede über fünf Prozent nachvollziehbar zu machen.
6. Keine vollständige Offenlegungspflicht
Arbeitgeber dürfen weiterhin bestimmte Gehaltsinformationen als Geschäftsgeheimnis behandeln. Die Richtlinie erlaubt lediglich nicht, dass Mitarbeiter daran gehindert werden, ihre Gehälter im Zusammenhang mit der Feststellung der Gehaltslücke offenzulegen. Ein kollegiales Nachfragen ist jedoch nicht verpflichtend.
7. Fragen nach dem bisherigen Gehalt
Potenzielle Arbeitgeber dürfen in Zukunft nicht mehr nach dem bisherigen Gehalt fragen. Aktuell ist dies theoretisch erlaubt, hat aber praktisch wenig Bedeutung, da die Vorlage von Gehaltsnachweisen nicht verlangt werden darf. Die Richtlinie betrifft nicht die Vergütung von Führungskräften mit individuellen Verträgen.
Was die Regelung für deutsche Arbeitgeber bedeutet
Die EU-Richtlinie schafft klare Rahmenbedingungen für mehr Gehaltstransparenz, ohne die Offenlegung individueller Gehälter zu erzwingen. In Deutschland könnten Unternehmen von der Richtlinie profitieren, indem sie bestehende Instrumente zur Gehaltsgleichheit weiter stärken und gleichzeitig Verwaltungsaufwand vermeiden. Nationale Gesetzgeber müssen darauf achten, dass zusätzliche Vorschriften nicht zu unverhältnismäßiger Bürokratie führen.


