Wirtschaft

Harvard-Ökonomin Claudia Goldin: Nobelpreisträgerin sieht keinen echten Fachkräftemangel in Deutschland

Die Nobelpreisträgerin Claudia Goldin stellt die deutsche Debatte über den Fachkräftemangel infrage. Sie sieht nicht zu wenige Arbeitskräfte, sondern falsche Anreize.
06.11.2025 09:21
Lesezeit: 2 min
Harvard-Ökonomin Claudia Goldin: Nobelpreisträgerin sieht keinen echten Fachkräftemangel in Deutschland
Die Harvard University bereitet sich auf die Abschlussfeier 2025 vor. (zu dpa: «Harvard-Professor: Können «ganze Weile» gegen Trump durchhalten») + Foto: Nicolaus Czarnecki

Ökonomie-Nobelpreisträgerin Claudia Goldin: Fachkräftemangel ist nur eine Preisfrage

Die Harvard-Ökonomin Claudia Goldin, die 2023 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhielt, hält die Klagen der deutschen Wirtschaft über den Fachkräftemangel für übertrieben. „Das ist immer eine Frage des Preises – wenn Unternehmen genug zahlen, wird es auch für Frauen attraktiver, mehr zu arbeiten“, sagte Claudia Goldin im Interview mit dem Handelsblatt. Die Nobelpreisträgerin Goldin sieht die hohe Teilzeitquote von Frauen in Deutschland als ein zentrales Problem, das nicht mit fehlenden Fachkräften, sondern mit unzureichender Bezahlung zusammenhängt.

Für Claudia Goldin ist klar: Der Arbeitsmarkt reagiere auf Anreize. Wenn die Bedingungen stimmen, würden mehr Menschen – insbesondere Frauen – ihre Arbeitszeit erhöhen. Damit wäre der Fachkräftemangel in vielen Branchen kein Thema mehr. Die Harvard-Ökonomin verweist dabei auf internationale Vergleiche: Länder wie Schweden, Kanada und Frankreich hätten in den vergangenen Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Schweden gelte zwar traditionell als das „Nirwana“ für arbeitende Frauen, doch Kanada und Frankreich hätten stark aufgeholt.

Gesellschaftlicher Druck und niedrige Geburtenrate laut Claudia Goldin entscheidend

Auch gesellschaftliche Erwartungen spielen laut Claudia Goldin eine entscheidende Rolle. In Deutschland sei der soziale Druck, als „gute Mutter“ möglichst lange zu Hause zu bleiben, immer noch hoch. „Einerseits gibt es sehr viel staatliche Unterstützung, andererseits hält sich die Vorstellung, dass Mütter vor allem zu Hause gebraucht werden“, sagte die Nobelpreisträgerin Goldin. Diese Diskrepanz sei einer der Gründe für die niedrige Geburtenrate. „Also müsste die Geburtenrate – wenn man das international vergleicht – eigentlich deutlich höher sein.“

Jungen Frauen, die Beruf und Familie verbinden wollen, rät Claudia Goldin zu pragmatischen Entscheidungen: „Heirate einen Mann, der bereit ist, sich genauso viel um Kinder zu kümmern wie du.“ Damit betont die Harvard-Ökonomin, dass Gleichberechtigung nicht nur in der Arbeitswelt, sondern auch im privaten Umfeld beginne. Ohne ein Umdenken in den Familien sei echte Chancengleichheit kaum erreichbar.

Wirtschaftliche Anreize und politische Vergleiche

Bei einem Vortrag in Berlin erklärte Claudia Goldin, dass die Frage der Arbeitsbeteiligung von Frauen eng mit gesellschaftlichen Strukturen und wirtschaftlichen Anreizen verbunden sei. Die Nobelpreisträgerin Goldin macht deutlich, dass ökonomische Mechanismen wie Löhne und Arbeitszeiten wesentliche Stellschrauben sind, um die Produktivität zu steigern und den Arbeitsmarkt zu stabilisieren.

Auch zu politischen Themen äußerte sich die Harvard-Ökonomin pointiert. Auf den Vorwurf, Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) habe zu wenige Frauen in sein Kabinett berufen, reagierte Claudia Goldin mit einem Vergleich: „Trump hat jede Menge Frauen ernannt. Aber die sehen alle gleich aus: extrem lange, unnatürliche Wimpern, aufgespritzte Lippen und langes, wallendes Haar – und wenn sie reden, fangen sie an einem Punkt an und enden an einem völlig anderen.“

Claudia Goldins Einfluss auf die internationale Debatte

Mit ihrer Forschung und ihren klaren Worten prägt Claudia Goldin, Trägerin des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften, die Debatte über Gleichberechtigung, Arbeitsmarktpolitik und den vermeintlichen Fachkräftemangel weit über die USA hinaus.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnungsbau: Regierung reaktiviert Neubauförderung mit 800 Millionen Euro
06.11.2025

Für bestimmte Neubauprojekte gibt es nun wieder Fördergeld. Welche Bedingungen Bauherren erfüllen müssen – und warum viele genehmigte...

DWN
Immobilien
Immobilien Dachausbau: Wie sich das verborgene Potenzial nutzen lässt
06.11.2025

Die Umgestaltung von Dachböden in Wohnräume ist eine der günstigsten Methoden, um neue Wohnfläche zu gewinnen.

DWN
Finanzen
Finanzen Rheinmetall-Aktie im Plus: Trotz starker Quartalszahlen und Rekordaufträgen bleiben Risiken
06.11.2025

Rheinmetall überzeugt mit starken Quartalszahlen und rekordhohen Aufträgen – doch Lieferverzögerungen und Investitionen belasten die...

DWN
Finanzen
Finanzen DroneShield-Aktie bricht weiter ein: Was hinter dem Kurssturz steckt und warum Anleger verunsichert sind
06.11.2025

Die DroneShield-Aktie sorgt derzeit für Schlagzeilen: Nach rasantem Aufstieg folgt der tiefe Fall. Trotz Rekordauftrag und starkem Umsatz...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Milliardeninvestitionen in Fernost: BASF startet Betrieb am neuen Standort in China
06.11.2025

Es ist die größte Einzelinvestition in der Geschichte von BASF: In China hat der Konzern einen neuen Verbundstandort gebaut - gegen...

DWN
Politik
Politik Macrons Sondergesandter: Die Ukraine ist ein hochattraktives Land für Investitionen
06.11.2025

Frankreichs Sondergesandter für den Wiederaufbau der Ukraine, Pierre Heilbronn, sieht in Kiew nicht nur ein Kriegsgebiet, sondern das...

DWN
Finanzen
Finanzen Nvidia-Aktie: Zwischen Gier und Angst – droht jetzt die Korrektur?
06.11.2025

Die Nvidia-Aktie jagt von Rekord zu Rekord, doch die Stimmung kippt. Während Anleger von Milliardenumsätzen und KI-Fantasien berauscht...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Harvard-Ökonomin Claudia Goldin: Nobelpreisträgerin sieht keinen echten Fachkräftemangel in Deutschland
06.11.2025

Die Nobelpreisträgerin Claudia Goldin stellt die deutsche Debatte über den Fachkräftemangel infrage. Sie sieht nicht zu wenige...