Politik

EU-Ukraine-Finanzierung: Milliardenkredit ohne Zugriff auf russisches Vermögen – die Hintergründe

Die EU sucht nach Wegen, die Ukraine finanziell zu stützen, ohne neue politische Bruchlinien in der Union zu erzeugen. Doch welche Folgen hat diese Form der Ukraine-Finanzierung für Europas Haltung gegenüber Russland?
22.12.2025 11:00
Lesezeit: 3 min
EU-Ukraine-Finanzierung: Milliardenkredit ohne Zugriff auf russisches Vermögen – die Hintergründe
Die EU stabilisiert die Ukraine-Finanzierung mit einem Milliardenkredit, ohne auf eingefrorene russische Gelder zurückzugreifen (Foto: dpa). Foto: Philipp von Ditfurth

Ukraine-Finanzierung durch die EU ohne Zugriff auf russische Gelder

In den frühen Morgenstunden einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel auf neue Finanzhilfen für die Ukraine. Kurz vor drei Uhr nachts stand fest, dass Kiew in den kommenden zwei Jahren ein Darlehen von 90 Milliarden Euro erhält, um die leere Staatskasse zu stabilisieren. Die Entscheidung zur Ukraine-Finanzierung kam jedoch anders zustande als über Monate hinweg geplant.

Denn die Mittel stammen nicht aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten. Stattdessen greifen die 27 Mitgliedstaaten auf den mehrjährigen EU Haushalt zurück und nehmen die Gelder gemeinsam auf. Damit hält die EU ihr Versprechen gegenüber der Ukraine ein, vermeidet jedoch einen politisch und rechtlich hochumstrittenen Weg.

Ukraine-Finanzierung über den EU-Haushalt

Das Darlehen entspricht rund 670 Milliarden dänischen Kronen beziehungsweise 90 Milliarden Euro. In einer eigens konstruierten Lösung haften allerdings nur 24 Mitgliedstaaten unmittelbar für den Kredit. Auf diese Weise konnten die europäischen Spitzen die Blockade einzelner Länder umgehen und die Ukraine-Finanzierung dennoch sichern.

Ungarn, die Slowakei und Tschechien verweigern weitere Unterstützung für Kiew. Durch das neue Modell war es möglich, diese Staaten zu umgehen, ohne den gesamten Beschluss zu gefährden. Gleichzeitig bedeutete dies das faktische Aus für den Plan, eingefrorene russische Zentralbankmittel für die Finanzierung heranzuziehen.

Gescheiterter Zugriff auf russische Vermögen

Besonders Belgien, wo der Großteil der eingefrorenen russischen Gelder verwahrt wird, hatte sich früh gegen dieses Modell gestellt. Der Widerstand beschränkte sich jedoch nicht auf Brüssel, sondern wuchs auch in anderen Hauptstädten. Ursprünglich war die Nutzung russischer Vermögenswerte von Bundeskanzler Friedrich Merz ins Gespräch gebracht worden.

Vorgesehen war ein Kredit von mindestens 90 Milliarden Euro und perspektivisch bis zu 210 Milliarden Euro, entsprechend dem Umfang der blockierten russischen Mittel in der EU. Die Rückzahlung sollte erfolgen, sobald Russland Kriegsentschädigungen leistet. Dieses Konzept sollte ein politisches Signal an Moskau senden und die Ukraine-Finanzierung strategisch absichern.

Zahlreiche europäische Spitzenpolitiker, darunter EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, bevorzugten diesen Ansatz. Sie sahen darin die Bereitschaft der EU, auch rechtlich neue Wege zu gehen, um die Ukraine nachhaltig zu unterstützen.

Das Ergebnis des Gipfels vermittelt jedoch ein anderes Bild. Die EU verhinderte zwar eine akute Staatspleite der Ukraine, zog sich jedoch von einem konfrontativen Schritt gegenüber Russland zurück. Stattdessen übernimmt sie selbst die Ukraine-Finanzierung und verschiebt den Zugriff auf russische Gelder auf unbestimmte Zeit.

Belgische Sicherheitsbedenken blockieren Durchbruch

Während des Gipfels versuchte die EU-Kommission in stundenlangen Verhandlungen, doch noch eine Einigung über den ursprünglichen Plan zu erzielen. Belgiens Premierminister Bart De Wever forderte umfassende Sicherheitsgarantien der übrigen Mitgliedstaaten, sollte Belgien der Nutzung russischer Gelder zustimmen.

Konkret verlangte Brüssel finanzielle Garantien ohne betragsmäßige Obergrenze für mögliche Schäden durch russische Gegenmaßnahmen. Diese Forderung stieß bei den Partnerländern auf Ablehnung und verhinderte einen Durchbruch bei der Ukraine-Finanzierung über russische Vermögenswerte.

Zelenskyj warnt vor geopolitischem Kontrollverlust

Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reiste nach Brüssel, um für den Zugriff auf die eingefrorenen Gelder zu werben. Nach einem persönlichen Gespräch mit De Wever betonte er, dass die Risiken des Krieges schwerer wögen als juristische oder wirtschaftliche Bedenken.

Selenskyj warnte zudem davor, dass andere Akteure über die russischen Vermögenswerte entscheiden könnten, falls die EU zögert. Zwischen den Zeilen verwies er auf mögliche Absprachen zwischen den USA und Russland im Rahmen künftiger Friedensverhandlungen. Die Kontrolle über diese Mittel sei entscheidend für die Position der Ukraine-Finanzierung am Verhandlungstisch.

Wachsende Vorbehalte innerhalb der EU

Neben Belgien meldeten auch andere Mitgliedstaaten kurz vor dem Gipfel neue Zweifel an. Italien, Bulgarien und Malta forderten eine erneute Prüfung eines Darlehens auf Basis des EU Haushalts. Diese Bedenken erschwerten es der EU-Kommission zusätzlich, einen tragfähigen Kompromiss zu finden. Am Ende scheiterte der Versuch, eine Lösung zu präsentieren, die alle Seiten zufriedenstellt. Das Ergebnis ist ein pragmatischer Kompromiss, der finanzielle Stabilität gewährleistet, politische Ambitionen jedoch begrenzt.

Für Deutschland unterstreicht die Einigung die wachsende finanzielle Verantwortung innerhalb der Europäischen Union. Als größter Nettozahler trägt die Bundesrepublik einen erheblichen Teil der Haftung für die neue Ukraine-Finanzierung über den EU Haushalt. Zugleich zeigt der Kompromiss die Grenzen deutscher Initiativen auf europäischer Ebene. Für die deutsche Wirtschaft bedeutet die Entscheidung langfristige Verpflichtungen im EU Budget, während der politische Druck auf Russland hinter fiskalischer Vorsicht zurücktritt.

X

DWN-Wochenrückblick

Weniger E-Mails, mehr Substanz: Der DWN-Wochenrückblick liefert 1x/Woche die wichtigsten Themen kompakt und Podcast. Für alle, deren Postfach überläuft.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

DWN
Finanzen
Finanzen Schaeffler-Aktie vor dem Ausbruch: Zehn Prozent Umsatz aus neuen Geschäften
22.12.2025

Während andere Rüstungsaktien nach ihrer Rally ins Stocken geraten, schiebt sich ein Industriekonzern überraschend nach vorn. Die...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Fallender Ölpreis hält Kraftstoffpreise vor den Feiertagen niedrig
22.12.2025

Der Ölpreis ist erstmals seit Beginn des Ukrainekriegs unter 60 US-Dollar gefallen. Für Verbraucher bedeutet das niedrige...

DWN
Technologie
Technologie Smart Cities: Fluch oder Segen?
22.12.2025

Smart Cities sind längst keine Zukunftsmusik mehr. In Städten wie Grevenbroich testen Sensoren, Kameras und KI das urbane Leben der...

DWN
Politik
Politik EU-Ukraine-Finanzierung: Milliardenkredit ohne Zugriff auf russisches Vermögen – die Hintergründe
22.12.2025

Die EU sucht nach Wegen, die Ukraine finanziell zu stützen, ohne neue politische Bruchlinien in der Union zu erzeugen. Doch welche Folgen...

DWN
Finanzen
Finanzen DroneShield-Aktie: Drohnenabwehr boomt durch steigende Bedrohungslage
22.12.2025

Die DroneShield-Aktie legt nach starken Zuwächsen weiter zu. Neue Governance-Regeln stärken das Vertrauen der Anleger, während der Markt...

DWN
Politik
Politik Grönland: Trump ernennt Sondergesandten und verschärft den Ton
22.12.2025

Grönland rückt erneut ins strategische Visier Washingtons. Mit der Ernennung eines Sondergesandten sendet US-Präsident Donald Trump ein...

DWN
Politik
Politik Deutschland befindet sich in der größten Rentenkrise seit dem Zweiten Weltkrieg
22.12.2025

Hinter dem Fachkräftemangel wächst eine Rentenlücke, die Deutschlands Wohlstand und Europas Stabilität bedroht. Ein Topökonom warnt...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis auf Rekordhoch: Warum Gold zum Jahresende explodiert
22.12.2025

Gold glänzt wie lange nicht mehr. Der Goldpreis markiert neue Rekorde, während Unsicherheit, Notenbanken und geopolitische Risiken die...