Technologie

Cyber-War: „Deutschland ist ein Angriffsziel“

Deutschland ist nach Auffassung von Nato-Experten ein wichtiges Angriffsziel im Cyber-Krieg. Der Regisseur Marcel Kolvenbach hat herausgefunden, dass Deutschland jedoch nur unzureichend gerüstet ist. Im Vergleich zu High-Tech-Staaten wie Israel hat Deutschland zehn Jahre Rückstand. Das kann vor allem für die Stromversorgung kritisch werden.
15.04.2014 09:19
Lesezeit: 3 min

Der deutsche Regisseur Marcel Kolvenbach hat in einem umfassenden Recherche untersucht, mit welchen Methoden die Regierungen heute ihre Interessen im Internet durchsetzen. Die Ergebnisse seiner Recherchen zeigt die Dokumentation "Netwars", heute abend um 20.15 Uhr auf Arte.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Sie haben eine ausführliche Recherche zum Cyberwar gemacht. Wer kämpft gegen wen, und mit welchen Mitteln?

Marcel Kolvenbach: Bisher hört man vor allem von Cyber-Kriminalität. Weil es auffällt, wenn irgendwo ein paar Millionen "verschwinden". Im Verborgenen aber rüsten fast alle Staaten in der Cyber-Arena auf. Weil es relativ preiswert ist und weil. Man sich kaum gegen Angriffe schützen kann, muss man eine offensive-Cyber Schlagkraft entwickeln, um potentielle Angreifer abzuschrecken. Spätestens seit Snowden wissen wir alle, dass die USA ganz vorne mitspielen. Meine Recherchen haben mich aber auch nach Israel geführt, weil man dort, was die militärische Ausbildung angeht und den technologischen Vorsprung mit der Einheit 8200 ein wichtiger Player ist.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:  Welche Rolle spielt Deutschland in dem Cyberwar?

Marcel Kolvenbach:  Offiziell gibt es in Deutschland nur eine "Defence" Strategie, keine Angriffswaffen im Cyber-Space. Ich habe aber mit den Leuten gesprochen, die Deutschland und die Nato bei der Verteidigung beraten. Sie tauchen auch in dem Film auf. Ihre These: der Krieg hat längst begonnen und Deutschland ist ein Ziel.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wie viel weiß die Bundesregierung, bzw. wer führt den Einsatz auf deutscher Seite?

Marcel Kolvenbach: Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist eigentlich zuständig. Es gibt aber natürlich auch die Militärischen Abschirmdienste, die Bundeswehr... auf vielen Ebenen versucht man, den deutschen Cyberspace abzuschirmen, nach meinem Besuch in Israel ist mir klar, dass wir da 10 Jahre hinterherhinken, was die Verteidigung von "sensibler Infrastruktur" angeht, also z.B. Wasserwerke, Stromversorgung etc.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Kann man noch zwischen Gut und Böse unterscheiden?

Marcel Kolvenbach: Das ist eine spannende Frage und ein Riesenproblem für die Programmierer und IT Experten. Im digitalen Code kann man wirklich nicht zwischen "gut" und "böse" unterscheiden. Ein Computer fragt sich: ist das logisch? Falls ja, dann führt er aus, sonst nicht. Das macht es so schwer, die Systeme gegen Cyber-Angriffe zu schützen. Die Rechner können einfach nicht zwischen Gut und Böse unterscheiden. Und die Frage ist, ob die Rechengeschwindigkeiten den Menschen, die diese Frage entscheiden sollen noch ausreichend Zeit lassen, ein Urteil zu fällen. Ich glaube immer seltener.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wer ist am besten ausgerüstet: Die USA, Russland oder China?

Marcel Kolvenbach: Ich glaube, im Cyberwar müssen wir uns davon verabschieden, dass eine Großmacht mehr Schlagkraft hat, weil sie über mehr Mittel verfügt. Im Cyberwar verschieben sich die Kräfteverhältnisse: auch ein kleines Land kann eine Supermacht in die Knie zwingen, wenn sie gezielt in Cyber-Angriffe investieren. Mit viel weniger Geld als für die Entwicklung von Atombomben. Der Cyberkrieg ist durch assymmetrische Kriegsführung geprägt. Da reichen eine Handvoll Hacker um gefährliche Angriffe zu fahren. Wichtiger wäre die Frage: welche Nation kann es sich erlauben, gegen internationales Recht zu verstoßen. Im Cyberwar gewinnt die Nation, die sich selber keinen Regeln unterwirft. Der Cyberwar ist eigentlich der perfekte Kriegsschauplatz für kleine Schurken-States, die sich aus der Isolation oder Unterdrückung herausbomben wollen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Welche Schäden werden durch den Cyberwar angerichtet?

Marcel Kolvenbach: Die Frage ist: was ist heute schon technisch möglich und was wird gemacht. Man kann die Steuerung eines Atomkraftwerkes angreifen oder - wenn unsere Experten Recht haben - Flugzeuge flottenweise zum Absturz bringen. Das ist heute schon möglich.

Bisher aber finden die Angriffe im Verborgenen statt: es werden tausende Angriffe z.B. bei der Nato registriert, aber die Leute von der Cyber-Defense sagen: wir wissen nicht, wie viele Angriffe wir nicht erkennen! Es gelang z.B. die Urananreicherung im Iran durch einen Cyberangriff (Stuxnet) lahmzulegen, aber das passierte lange Zeit völlig unbemerkt und dass dieser Angriff als "Cyber-Angriff" registriert wurde war vielleicht ein dummer Programmierungsfehler.

Darum gehen Experten davon aus, dass schon heute: wichtige Infrastruktur angegriffen wird, die Finanzmärkte manipuliert werden, Wirtschaftsdaten ausspioniert werden, wir davon aber nur sehr, sehr wenig mitbekommen. Eine Währung, ein Wirtschaftsraum, eine Volkswirtschaft kann durch Cyber-Sabotage und Spionage aber über einen Zeitraum von 10 - 20 Jahren stark geschädigt werden.

Durch die zunehmende Digitalisierung und Virtualisierung unserer Wirtschaft machen wir uns aber immer angreifbarer. Das Smart Grid für die Energiewende oder smarte Technologie für Automobile, intelligente Gebäude. All diese Technologien machen uns extrem angreifbar.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was ist der Schwerpunkt Ihrer Doku?

Marcel Kolvenbach: Im Zentrum steht der Angriff auf einen Strom-Versorger. Wir belegen durch einen tatsächlich geführten Hack, dass die Stromversorgung in Deutschland - stellvertretend für die Wasserversorgung und andere industrielle Prozesse - extrem angreifbar ist. Nach 3 Tagen hätten die zwei Hacker das Licht in einer Kleinstadt ausschalten können. Das Ergebnis lässt sich auf ganz Deutschland übertragen. Die Risiken sind praktisch überall die gleichen.

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