Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) meldete sich kürzlich mit einer Ansage zu Wort gemeldet, die man nur voll und ganz unterschreiben kann. „Ich werde das Modell der 'Generation Praktikum' beenden“, kündigte die Ministerin in einem Zeitungsinterview an. Wer eine Ausbildung oder ein Studium absolviert habe, werde nicht mehr „monatelang für lau ausgenutzt“ werden.
Das ist löblich und sollte so geschehen.
Nahles kann auch konkret mit der Umsetzung beginnen: Wie eine Recherche der Deutschen Wirtschafts Nachrichten zeigt, gibt es bei Nahles' eigener Partei eine weit verbreitete Praxis, dass Mitarbeiter „monatelang für lau ausgenutzt werden“.
Die SPD war schon vor einigen Jahren in die Schlagzeilen geraten, als herauskam, dass bei Aushilfskellner bei einer SPD-Veranstaltung lausig bezahlt wurden und die SPD-Granden auch alles andere als spendierfreudig waren, als es um das Trinkgeld ging (lesen Sie hier den „Bericht des Aushilfskellners Kotte von einem SPD-Abend“).
Doch auch das „Modell der 'Generation Praktikum'“ scheint in der SPD weit verbreitet zu sein.
Wer sich beispielsweise im Rahmen seines Studiums für ein Praktikum bei der SPD-Bundestagsfraktion entscheidet, muss irgendwo im Hintergrund einen privaten Mäzen haben, wenn er bei der Arbeiterpartei anheuert. Auf Bundesebene sind Praktika für Studenten in höheren Semestern möglich. Eingesetzt werden die jungen Leute vorzugsweise ab dem vierten oder fünften Fachsemester vor allem in den Arbeitsgruppen der Fraktion in Vollzeit. Außerdem können Praktika in den Büros der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden durchgeführt werden.
Das heißt, sie arbeiten 39 Stunden pro Woche und das für eine Dauer von mindestens vier bis maximal acht Wochen. Gezahlt wird aber nur eine wöchentliche Aufwandsentschädigung von 80 Euro. Diese ist „als Beitrag zu den Fahrt- oder Verpflegungskosten anzusehen“, heißt es in einem Schreiben der SPD-Bundestagsfraktion.
Lediglich einen kleinen Obolus gibt es auch bei einigen Landesverbänden. So können Praktikanten im SPD-Landesverband Berlin ebenfalls mit 80 Euro pro Woche rechnen. Eingestellt werden die Interessenten für höchstens drei Monate. Ihre Aufgaben erfüllen sie Vollzeit.
Nicht ganz so konkret klingen die Ausschreibungsprofile in anderen Bundesländern. Der SPD-Landesverband Sachsen stellt Praktikanten etwa für einen Zeitraum von zwei bis sechs Monaten ein. Zur Vergütung finden sich lediglich folgende Informationen: „Für Deine Arbeit erhältst Du eine Aufwandsentschädigung sowie ein Ticket für den öffentlichen Nahverkehr.“ Zwölf Wochen hinter die Kulissen blicken können Studenten auch beim Landesverband Hessen sowie bei der Landesorganisation Hamburg. Bezahlt wird auch hier. Wie viel, bleibt unklar: „Du erhältst selbstverständlich einen eigenen PC-Arbeitsplatz und eine Aufwandentschädigung.“ Ähnlich klingt das bei der SPD-Fraktion im Thüringer Landtag: „(...) ein Praktikum in der SPD-Fraktionn wird angemessen vergütet.“ Angemessen bedeutet im Fall einer sechs- bis achtwöchigen Tätigkeit im SPD-Landtag von Baden-Württemberg übrigens 450 Euro pro Monat.
Geld gibt es auch bei der Friedrich-Ebert-Stiftung. In der Regel sind es 400 Euro im Monat. Wer jedoch nur bis zu vier Wochen bleibt, geht leer aus. Wie es sich bei den zur SPD Medien Holding (ddvg) gehörenden Verlagshäusern verhält, ist unbekannt. Hinweise auf die Höhe einer Praktikumsvergütung finden sich nicht. Gleiches gilt für eine Praktikumstätigkeit beim Arbeiter-Samariter-Bund (ASB). FSJler, Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst und Soziale Praktikanten erhalten zumindest ein Taschengeld. Bei einem Auslandseinsatz gibt es 400 Euro pro Monat plus Zulagen. Deutlich sagt hingegen das SPD nahe August-Bebel-Institut: „Leider keine“ Bezahlung.
Dass auch ein kleiner Beitrag nicht immer selbstverständlich ist, zeigt der Fall der parlamentarischen Staatssekretärin Brigitte Zypries, der kürzlich bekannt wurde. Einem Studenten wurde hier ein zugesicherter Praktikumsplatz wieder abgesagt. Er hatte zu sehr in Sachen Vergütung nachgebohrt. Wie aus ihrem Büro bekannt wurde, erhielten Praktikanten „im Normalfall kein Entgelt“. Lediglich in „Ausnahmefällen (…) vor allem bei finanziellen Notlagen“ gebe es ein Gehalt. Und das, obwohl Abgeordneten pro Monat 16.019 Euro für Mitarbeiter zur Verfügung stehen.
Dabei heißt es nicht nur in einem Juso-Beschluss vom 21. März 2013: „Als regierende Partei im Land Baden-Württemberg darf die SPD den Missbrauch von Praktika nicht akzeptieren und ist angehalten, dagegen politisch vorzugehen.“ Langzeit-Praktikanten sollen künftig ebenfalls 8,50 Euro die Stunde erhalten. Für einen 39-Stunden-Einsatz wären das immerhin 331,50 Euro pro Woche, also 1326 Euro im Monat.
Gefruchtet hat der Druck der Jusos zumindest im Kultusministerium Baden-Württemberg: Bei Andreas Stoch (SPD) gab es für Praktikanten bislang weder eine Vergütung noch Fahrtkostenersatz. Das Argument: Das gab es schließlich auch nicht unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Jetzt soll sich das jedoch ändern und künftig zwischen 300 und 500 Euro bezahlt werden.
Wie eine kleine Anfrage der Grünen vor Kurzem ergab, sind kleine Gehälter oder überhaupt kein Lohn auch in den Ministerien verbreitet. Keine Vergütung und keine Aufwandsentschädigung zahlen insgesamt sechs von 14 Ministerien. Jene, die sich vollständig drückten, boten in den vergangenen Jahren nur Pflichtpraktika im Rahmen einer Studienordnung oder sehr kurze Schnupperpraktika an, die sich außerhalb der Richtlinien bewegen.
Die Praktikantenrichtlinie des Bundes sagt aber ganz klar: „Für Praktika von Schülerinnen und Schülern, Berufsschülerinnen und Berufsschülern sowie Studierenden sind mindestens 300,- Euro monatlich zu zahlen.“ Für Pflichtpraktika gilt allerdings: Die Praktikanten „besitzen keinen gesetzlichen Vergütungsanspruch. Es kann ihnen jedoch auf der Grundlage einer vertraglichen Regelung zum Ausgleich der entstehenden finanziellen Belastungen eine steuerpflichtige Aufwandsentschädigung gezahlt werden.“
Viel Arbeit also für die Arbeitsministerin im eigenen Haus.
Sie kann nun den schönen Worten konkrete Taten folgen lassen.