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Zum WM-Finale: Sparer und Steuerzahler haften offiziell für Pleite-Banken

Die Bundesregierung hat ein Gesetzespaket zur Bankenunion beschlossen. Im Fall einer Bankpleite werden Aktienhalter und Sparer zur Kasse gebeten. Danach werden die Steuergelder aus dem Rettungsschirm ESM für die Bankenrettung eingesetzt.
11.07.2014 01:27
Lesezeit: 5 min

Die Bundesregierung hat am Mittwoch ein Gesetzespaket zur Bankenunion auf den Weg gebracht. Darin wird die Haftung im Falle einer Bankpleite geregelt. Demnach werden zuerst Aktienhalter und Sparer nach dem „Bail-In“-Konzept zur Kasse gebeten. Danach soll der europäische Fonds zur Bankenabwicklung genutzt werden. Und schließlich soll der Rettungsschirm ESM für eine Refinanzierung von Krisenbanken herangezogen werden. Kritiker sehen enorme Schlupflöcher in den Gesetzen, so dass am Ende vermutlich doch Sparer und Steuerzahler für die Bankpleiten haften müssen.

„Die heute beschlossenen Maßnahmen sind ein wichtiger Schritt, um den Finanzsektor weiter zu stabilisieren und um das Vertrauen in die Stabilität unserer gemeinsamen europäischen Währung weiter zu stärken. [...] So wollen wir das Risiko, dass wieder die Steuerzahler wie in der Finanzkrise in die Haftung eintreten müssen, ausschließen“, sagte Finanzminister Wolfgang Schäuble am Mittwoch in Berlin.

Die Bundesregierung verabschiedete vier Gesetzesentwürfe zur Bankenunion. In den ersten beiden Gesetzen wird das Vorgehen bei der Abwicklung europäischer Banken geregelt. Im „Gesetz zur Umsetzung der europäischen Bankenabwicklungsrichtlinie“ (BRRD-Umsetzungsgesetz) wird die „Haftungskaskade“ im Falle einer Bankenpleite festgelegt. Demnach werden künftig zuerst die Eigentümer (Aktienhalter) und Gläubiger (Besitzer von Anleihen und Sparer) der insolventen Bank zur Kasse gebeten („Bail-In“). Sie sollen zusammen im Krisenfall für acht Prozent der Bilanzsumme haften.

Der zweite Gesetzesentwurf regelt die Übertragung von Beiträgen vom nationalen zum europäischen Abwicklungsfonds. Der Abwicklungsfonds kommt nach dem „Bail-In“ der Eigentümer und Gläubiger zum Tragen und haftet für bis zu fünf Prozent der Bilanzsumme. Die Banken müssen dafür in den nächsten acht Jahren insgesamt 55 Milliarden Euro in den Fonds einzahlen. Wie die Abgaben jedoch bemessen werden, darüber herrscht noch Unklarheit. Es wird vermutet, dass die Abgaben nach Größe des Instituts und nicht nach Risiko der Bank errechnet werden. So müssten solide Banken wie die Sparkassen, die den Rettungsfonds selbst vermutlich nie in Anspruch nehmen werden, die risikoreichen Investmentbanken und Landesbanken subventionieren.

„Subventionen für risikoreiche Investmentbanken von konservativen Geschäftsbanken sind eine Perversion sozialer Marktwirtschaft. Die EU-Kommission muss ihre Pläne grundlegend überarbeiten“, sagte der EU-Abgeordnete Sven Giegold.

Die weiteren zwei Gesetze regeln die Bankenrettung durch den „unbefristeten Rettungsschirm ESM“. Demnach soll der ESM ab November 2014 zur direkten Refinanzierung von Banken genutzt werden können.

„Die Änderung des ESM-Finanzierungsgesetzes und die Änderung der Finanzhilfeinstrumente haben das Ziel, dass Deutschland der Einführung eines neuen ESM-Instruments zur direkten Bankenrekapitalisierung zustimmen kann. Damit kann der ESM Banken, die in Schwierigkeiten geraten sind, direkt unterstützen. Voraussetzung ist, dass die betroffenen Mitgliedsländer diesen Schritt nicht selbst über ihre Staatshaushalte leisten können“, so die Bundesregierung.

Ein Beispiel der Haftungskaskade: Im Falle einer Insolvenz werden zunächst Eigentümer und Gläubiger zur Kasse gebeten. Die meisten Sparer wissen trotz der Zypern-Zwangsabgabe nicht, dass sie nicht die Kunden der Bank, sondern rechtlich deren Gläubiger sind. Sie sollen durch eine Einlagensicherung geschützt werden.

De facto sind die Sparer völlig schutzlos. „Es gibt in Deutschland keinen gesetzlichen Anspruch auf die Auszahlung von Spareinlagen, auch nicht unter 100.000 Euro“, sagt der Grüne EU-Parlamentarier Sven Giegold den Deutschen Wirtschafts Nachrichten: „Deswegen war es ja so wichtig, dass Merkel und Steinbrück seinerzeit vor die Öffentlichkeit getreten sind und die Einlagen garantiert haben.“

Die Aktion damals war vor dem Hintergrund eines beginnenden Bank-Runs in Deutschland unter Panik von der Regierung beschlossen worden. Der damalige Kanzleramtsminister De Maizière sagte, man habe von der Bundesbank gehört, dass die Deutschen die Bankomaten stürmen, also habe man die Garantie aussprechen müssen – wohl wissend, dass sie im Ernstfall nicht einzulösen ist (mehr zu diesen dramatischen Tagen – hier).

Der Grund für die völlige Rechts- und Schutzlosigkeit des Sparers: Er bekommt sein Geld im Falle eines Banken-Crashs nicht von der Bundesregierung ausbezahlt, sondern muss sich an die „Entschädigungseinrichtung deutschen Banken GmbH“ wenden. Diese private Firma ist eine 100-Prozent-Tochter der deutschen Banken-Lobby, des Bundesverbandes deutscher Banken.

Diese GmbH agiert natürlich nur im strengen Rahmen des Gesetzes. Deswegen wird diese Entschädigungseinrichtung im Fall der Fälle alle Paragraphen peinlich genau beachten, die ihrer Mutter –der Banken-Lobby – wichtig sind.

Das Problem dieser Entschädigungseinrichtung GmbH: Sie ist für den Ernstfall auch nur einer einzigen Banken-Pleite völlig unterfinanziert. Weil aber der Geschäftsführer dieser nur mäßig vertrauenerweckenden Einrichtung ein Mann von Recht und Ordnung ist, wird er im Fall eines Ansturms von wütenden Sparern das tun, was das Gesetz von ihm verlangt: Er wird die GmbH in die Insolvenz schicken.

Einen Rechtsanspruch auf Entschädigung aus der privaten Einlagensicherung haben die Kunden nicht. Die Welt zitierte dazu vor einiger Zeit die Mutter-Gesellschaft der Entschädigungs GmbH: „Dies hat praktische Gründe. Gäbe es einen Rechtsanspruch, wäre der Fonds eine Versicherung. Es fiele unter anderem Versicherungssteuer an und das Verfahren würde nicht nur komplizierter, sondern auch teurer.“

Wer ein Konto oder Sparbuch bei einer Bank hat, die pleitemacht, muss sich an die Herren Dr. Ahrend Weber, Jørgen Bang und Dirk Cupei wenden. Sie sind die Geschäftsführer der Entschädigungs GmbH.

Die drei Herren sind aber auch nicht schuld an der Misere. Denn was fehlt, ist ein ausreichend dotierter Einlagensicherungsfonds. Der soll nun auf 0,8 Prozent der gedeckten Einlagen erhöht werden - die Franzosen haben sich geweigert und machen nur 0,5 Prozent, weil sie sagen, dass das ganze Einlagen-Thema ohnehin nichts bringt.

Die 0,8 Prozent bedeuten, dass auch die deutschen Banken ihre Beiträge erhöhen müssen – auch die Sparkassen, Raiffeisen und Volksbanken. Deren Einlagensicherung ist ein gut gehütetes Geheimnis. Das Volumen soll, wie man aus Kreise hört, beim DSGV (Sparkassen) und DVR (Volksbanken und Raiffeisen) bei jeweils 3 Milliarden Euro liegen. Das wäre im Fall eines wirklichen Crashs viel zu wenig.

Der Einlagenfonds der deutschen Banken, der erst in einigen Jahren stehen wird, umfasst gerade mal 50 Milliarden Euro. Das ist für die Rettung einer französischen, portugiesischen oder italienischen Großbank viel zu wenig.

Daher muss am Ende der Rettungsschirm ESM einspringen: Das sind Milliarden, die von einem Gremium verwaltet werden, dass per Gesetz niemandem verantwortlich ist, und von dem Peter Gauweiler nach der Billigung der Konstruktion durch das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sagte:

„Wir bedauern, dass der Senat einer inhaltlichen Befassung der von uns beanstandeten Immunitätsregelung und der Target-Kredite aus verfahrensrechtlichen Gründen (Zulässigkeit) ausgewichen ist. Die lebenslange Immunität der Gouverneursrats- und Direktoriumsmitglieder ist ein Skandal. Aufgrund dieser vordemokratischen Privilegien können die ESM-Lenker ohne jede Sanktion Milliardenbeträge veruntreuen und können nicht einmal für Schadensersatz in Anspruch genommen werden.“ (Zitiert nach Michael Maier, Die Plünderung der Welt - wo genau beschrieben wird, dass die Enteignung der Sparer und Steuerzahler einem globalen Plan folgt - Buch hier bestellen).

Der ESM verfügt über ein Startkapital von 700 Milliarden Euro, zu denen Deutschland rund 190 Milliarden beigetragen hat. Das Kapital kann jedoch im Notfall nachträglich erhöht werden.

„Angesichts einer Bilanzsumme der Banken der Krisenländer von 9.131 Milliarden Euro ist dies keine Kleinigkeit, sondern ein großes Risiko für die finanzielle Stabilität der Bundesrepublik Deutschland. Deutschland haftet im Prinzip für 28 Prozent von 87 Prozent dieser Summe, also für 2145 Milliarden Euro“, schreibt Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn in einem- Gastbeitrag für die FAZ.

Auch wenn die volle Höhe der Haftungen nie abgerufen wird, reicht doch ihr Drohpotenzial aus, um Finanzhilfen innerhalb der EU zu erzwingen, so Sinn. Dadurch bleibe Deutschland keine andere Möglichkeit, als die Transferunion zu akzeptieren.

Kritik an den Gesetzesentwürfen übt auch die Monopolkommission, ein unabhängiges Expertengremium, das die Bundesregierung in Wirtschaftsfragen berät. Die letzte Finanzkrise habe gezeigt, „dass nach wettbewerblichen Prinzipien gebotene Abwicklungen von Banken in einer Krise aus politischen Gründen verhindert werden“, sagte der Präsident der Monopolkommission, Daniel Zimmer, am Mittwoch in Berlin. Die Bundesregierung habe es bisher verpasst, eine „besondere Fusionskontrolle“ zu installieren, um zu verhindern, dass Banken zu groß und somit „eine Bedrohung für das Finanzsystem“ werden.

Die Kommission schreibt wörtlich:

„Die Monopolkommission beurteilt die auf Seiten der Finanzmarktregulierung nach der Krise getroffenen Gegenmaßnahmen insgesamt positiv. Sie ist aber skeptisch, ob die Marktteilnehmer hinreichende Kapitalpuffer aufbringen werden, sodass eine Haftung der Allgemeinheit wirksam vermieden werden kann. Davon abgesehen ist die Regulierung weiterzuentwickeln, um einerseits ungleichmäßige Belastungen abzubauen und andererseits Regulierungslücken zu schließen (Schattenbankgeschäfte!).“

Das Gremium zweifelt zudem an der Wirksamkeit der neuen Regeln. Der Abwicklungsfonds für Banken sei mit 55 Milliarden Euro „klar unterdimensioniert“, so Zimmer weiter. Darüber hinaus verblieben etliche „Schlupflöcher“ in den Gesetzesentwürfen. So existierten „ganze Kataloge“, die eine Haftung großer Gläubiger verhindern könnten. Damit bestehe weiterhin die Möglichkeit, dass die Haftungsrisiken im Falle einer Bankpleite an die Sparer und Steuerzahler weitergereicht werden.

 

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