Finanzen

Hohe Zinsen im Süden: EZB verliert Kontrolle über europäische Geldpolitik

Die Zinsen für kleine und mittlere Unternehmen in den europäischen Südstaaten steigen unaufhörlich. Deutsche Firmen zahlen dagegen weniger für Kredite. Analysten sehen in dieser Entwicklung eine Niederlage der EZB – und ein mögliches Vorspiel für das Auseinanderbrechen der Währungsunion.
04.09.2012 00:07
Lesezeit: 1 min

Dem jüngsten Bericht der Europäischen Zentralbank (EZB) zufolge sind die Zinsen für kleine und mittlere Unternehmen in den Südstaaten Europas in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen. Deutsche Firmen kommen dagegen mit wesentlich besseren Konditionen an frisches Kapital. So zahlen Unternehmen in Spanien 6,5 Prozent für Darlehen, während deutsche Unternehmen nur 4,04 Prozent berappen müssen. Die Südländer haben damit einen neuen Höchststand der Kreditkosten erreicht, während das Niveau in Deutschland so niedrig liegt wie seit 2003 nicht mehr. Damit wird die so wichtige Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in den von der Krise besonders betroffenen Länders zusätzlich geschwächt.

Angesichts der Tatsache, dass die EZB den Banken seit Monaten Geld quasi zum Nulltarif leiht, bedeutet diese Entwicklung, dass die EZB die „Kontrolle über die Kreditkosten verliert“, wie die Financial Times urteilt. Die Entwicklung ist ein struktureller Bruch in der Euro-Zone, der bedeutsamer ist als die Diskussion um die Zinssätze auf dem Bondmarkt. David Riley von der Ratingagentur Fitch sagte der FT: „Die Aufsplitterung wird stärker. Wenn sich dieser Trend verschärft, werden wir uns einer fundamentalen Neuordnung der Euro-Zone gegenübersehen. Diese Entwicklung unterläuft die gesamte Grundlage des Euro und könnte dazu führen, dass es leichter wird, dass der Euro zerbricht.“

Der Grund für die Entwicklung liegt in der Einschätzung der Banken: Sie trauen nun auch den Trägern der Wirtschaft in den südlichen Ländern Europas, den mittelständischen Unternehmen, nicht mehr und haben einen möglichen Euro-Crash schon mal sicherheitshalber eingepreist.

Damit aber werden die Rezessions-Tendenzen verschärft, es wird für die Unternehmen in den Schuldenstaaten noch schwerer neue Jobs zu schaffen.

Huw van Steenis von Morgan Stanley sieht den „Geist aus der Flasche“, die Entwicklung könne nicht mehr gedreht werden: Die Banken haben damit begonnen, Kredite „entlang von geografischen Linien“ zu behandeln. Unternehmen im Norden Europas gelten als bessere Schuldner als jene in Süden. Damit fällt im Grunde für die Südeuropäer die Geschäftsgrundlage für eine Mitgliedschaft in der Euro-Zone weg – und Mario Draghis Ankündigung, den Euro „um jeden Preis“ retten zu wollen, könnte sich als reiner Theaterdonner in einem unangenehmen Final-Akt der Währungsunion erweisen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Mulfin Trade hat seine Schutzsysteme für mehr Sicherheit aktualisiert

Der Schutz persönlicher Daten ist einer der Schlüsselfaktoren, die das Vertrauen der Kunden in einen Service beeinflussen. Mulfin Trade...

DWN
Technologie
Technologie Regulieren statt dominieren: Europas letzter Ausweg in der KI-Welt
07.06.2025

Europa droht im globalen KI-Wettlauf abgehängt zu werden. Doch Experten zeigen: Die wahre Macht liegt nicht in der Modellentwicklung,...

DWN
Politik
Politik Kollaps der Insekten-Revolution: EU zerstört ihre eigene Bio-Strategie
07.06.2025

Erst gefeiert als nachhaltige Wunderlösung – nun droht das Aus: Europas Insektenzüchter stecken in der Krise. Die Hoffnung, Fischmehl...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Unternehmen verkaufen: Die 10 häufigsten Fehler beim Unternehmensverkauf
07.06.2025

Was Unternehmer beim Verkauf ihres Unternehmens falsch machen – und wie selbst starke Zahlen durch fehlende Strategie, überzogene...

DWN
Politik
Politik Ehegattennachzug stagniert: Rechtliche Hürden beim Sprachnachweis
07.06.2025

Die Zahl der Visa für den Ehegattennachzug nach Deutschland ist rückläufig. Gleichzeitig bestehen weiterhin sprachliche und rechtliche...

DWN
Panorama
Panorama Ausweis, Ticket & Co.: Was Sie vor einem Urlaubsflug beachten sollten
07.06.2025

Check-in, Sicherheitscheck und Sprint zum Gate: Der Start in den Urlaubsflug kann am Flughafen schnell im Stress enden. Das lässt sich...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Wertvollster Fußballer der Welt: Lamine Yamal knackt 400-Millionen-Marke
07.06.2025

Ein 17-Jähriger dominiert den globalen Fußballmarkt: Lamine Yamal ist mehr wert als ganze Bundesligateams – und verkörpert die extreme...

DWN
Politik
Politik Der Weltraum als nächstes Schlachtfeld – Europas Sicherheit steht auf dem Spiel
07.06.2025

Der Orbit wird zur neuen Frontlinie geopolitischer Machtspiele. Wie private Satelliten, militärische Strategien und neue Allianzen die...

DWN
Technologie
Technologie Silicon Valley dominierte Big Tech – Europas Chance heißt Deep Tech
06.06.2025

Während Europa an bahnbrechenden Technologien tüftelt, fließt das große Geld aus den USA. Wenn Europa jetzt nicht handelt, gehört die...