Politik

Bei Schottland-Austritt: London verliert Status als Atom-Macht

Die Engländer fürchten den Austritt Schottlands aus dem Vereinigten Königreich, weil Großbritannien dann plötzlich ein Sicherheitsproblem hätte: Die britischen Atom-U-Boote lagern in einem Loch in Schottland. London hätte plötzlich keinen Zugriff mehr auf sie.
17.09.2014 00:08
Lesezeit: 2 min

Sollte sich Schottland am Donnerstag für eine Unabhängigkeit entscheiden, wäre Großbritanniens Status als Nuklear-Macht zweifelhaft: Die britischen strategischen U-Boote, von denen man Atomraketen abschießen kann, sind in einem schottischen See stationiert und können nicht schnell und einfach verlagert werden. Somit ist nicht nur Großbritanniens Status als Atommacht gefährdet, sondern auch sein Anspruch, in der globalen Politik mitreden zu dürfen, berichtet der Economist. Das erklärt auch die Panik in London: Die Führer der großen englischen Parteien haben vergangene Woche überraschend alle Termin abgesagt und sind nach Schottland geflogen: Zuvor waren Umfragen bekannt geworden, dass die Stimmung in Schottland kippt. Nachdem sich die englischen Politiker sich monatelang über das Referendum lustig gemacht hatten, sehen sie nun die Möglichkeit einer Abspaltung als nicht mehr gar so unrealistisch an. Neben den Atom-U-Booten gibt es noch zahlreiche offenen Fragen im Falle einer Unabhängigkeit, etwa jene nach der Währung. Die Schotten wollen den Pfund Sterling vorerst behalten, die Engländer sind gegen eine Währungsunion mit einem unabhängigen Schottland. Die Erfahrungen der Eurozone sprechen eher für die Engländer. Eine Währungsunion ohne die Bereitschaft zu einer vollständigen fiskalischen und politische Union mit einem entsprechenden Finanzausgleich funktioniert auf Dauer nicht. Die Schotten glauben allerdings, durch eine andere ungeklärte Frage Druck in der Währungsangelegenheit machen zu können; das ist die Frage nach der Aufteilung der britischen Staatsschulden. Die britische Regierung sah sich bereits gezwungen zu erklären, dass sie auch im Fall einer schottischen Unabhängigkeit weiterhin vollständig für die britischen Staatsanleihen gerade steht. Alles andere hätte zu einer Marktpanik geführt. Dadurch können sich allerdings die Schotten erst einmal zurücklehnen. Die britische Regierung ist nun auf ihren guten Willen angewiesen, einen schottischen Beitrag zur Tilgung der Altschulden Großbritanniens zu leisten. Es geht hier um einen Betrag von 1,46 Billion britische Pfund oder 1,83 Billionen Euro. Auch die Banken sind ein Problemfeld, dieses Mal aber wieder eher für Schottland. Die Bilanzsumme der Banken mit Sitz in Schottland ist 12,5-mal so groß wie die schottische Wirtschaftsleistung. Das ist mehr als in Island oder Irland vor der Finanzkrise und also erheblich zu viel, als dass Schottland seine Banken in einer möglichen neuen Finanzkrise retten könnte. Einen Tag vor dem historischen Unabhängigkeitsreferendum Schottlands nimmt die Spannung zu. Denn Umfragen zufolge ist völlig offen, ob nach der Abstimmung am Donnerstag das Vereinigte Königreich Geschichte sein wird. Mehrere Erhebungen zeigten zuletzt einen leichten Vorsprung für die Befürworter einer weiteren Zugehörigkeit der Schotten zu Großbritannien. Bis zuletzt trommeln alle britischen Spitzenpolitiker, unterstützt von Prominenten aus Sport, Show-Geschäft und Wissenschaft, für den Zusammenhalt der vor mehr als 300 Jahren mit England geschlossenen Union. „Es gibt kein Zurück, keine Wiederholung. Wenn Schottland mit 'Ja' stimmt, wird das Vereinigte Königreich auseinanderbrechen, und wir werden für alle Zeit getrennte Wege gehen“, warnte der britischer Premier Cameron am Montag in Schottland.

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Finanzen
Finanzen Politische Unsicherheit: Warum Anleger jetzt Fehler machen
03.07.2025

Trumps Kurs schürt Unsicherheit an den Finanzmärkten. Wie Anleger jetzt kühlen Kopf bewahren und welche Fehler sie unbedingt vermeiden...

DWN
Politik
Politik Keine Stromsteuersenkung: Harsche Kritik der Wirtschaftsverbände
03.07.2025

Die Strompreise bleiben hoch, die Entlastung fällt kleiner aus als versprochen. Die Bundesregierung gerät unter Druck, denn viele Bürger...

DWN
Politik
Politik USA drosseln Waffenhilfe – Europa unter Zugzwang
03.07.2025

Die USA drosseln die Waffenhilfe für Kiew. Europa muss die Lücke schließen. Wie geht es weiter?

DWN
Unternehmen
Unternehmen Baywa Milliardenverlust: Sanierung bleibt trotz Rekordminus auf Kurs
03.07.2025

Baywa steckt tief in den roten Zahlen – doch der Sanierungsplan bleibt unangetastet. Der traditionsreiche Konzern kämpft mit Altlasten,...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Seltene Erden: China kontrolliert deutsche Industrie
03.07.2025

Die deutsche Industrie gerät zunehmend in die Abhängigkeit Chinas, weil Peking bei seltenen Erden den Weltmarkt kontrolliert....

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...