Finanzen

Die große Umverteilung: EZB erleichtert deutsche Sparer um 190 Milliarden Euro

Die Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank hat die deutschen Sparer bisher 190 Milliarden Euro gekostet. Das ist der Preis, damit Bundesfinanzminister Schäuble verhindern kann, dass der Schulden-Haushalt aus dem Ruder läuft. Die DZ Bank erwartet, dass den Sparern in den kommenden Jahren noch höhere Verluste bevorstehen.
09.04.2015 18:31
Lesezeit: 2 min

Die Null-Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) kostet deutsche Privathaushalte laut einer Studie Milliarden. Der deutsche Staat kann sich hingegen über kräftige Einsparungen freuen. Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Analyse des genossenschaftlichen Zentralinstituts DZ Bank sind deutschen Sparern in den vergangenen fünf Jahren Zinseinkünfte in Höhe von 190 Milliarden Euro durch die Lappen gegangen. Der Einbruch dieser Einkünfte bei der Geldanlage zähle damit zu den gravierendsten Folgen der immer weiter sinkenden Zinsen, erklärte DZ-Bank-Chefvolkswirt Stefan Bielmeier.

Diese Entwicklung hat die Sparer vor allem in den Jahren 2011 bis 2013 für Sparer besonders getroffen. Denn seinerzeit fiel der durchschnittliche Nominalzins aller verzinslichen Vermögensbestandteile der Bürger unter die Inflationsrate: «Für letztes Jahr lässt sich lediglich dank einer extrem niedrigen Inflationsrate ein leicht positiver Realzins errechnen», schreiben die Experten.

Um das angestrebte Niveau bei der Vermögensbildung halten zu können, müssen die privaten Haushalte einen immer größeren Teil ihres Einkommens auf die hohe Kante legen, sagt DZ-Bank-Experte Michael Stappel laut dpa. Die Ökonomen erwarten, dass sich die Entwicklung im laufenden Jahr fortsetzten oder sogar noch verstärken wird: «Je länger die Niedrigzinsphase dauert, desto stärker schlägt das auf die Durchschnittsverzinsung des Geldvermögens durch.»

Netto-Schuldner, allen voran der Staat, aber auch Unternehmen und Privatleute, profitieren dagegen von den Mini-Zinsen. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat ausgerechnet, dass der deutsche Finanzminister bis ins Jahr 2030 auf Zinseinsparungen von 160 Milliarden Euro zählen kann.

Allein 2015 wird der Bund demnach im Vergleich zu langjährigen Durchschnitts-Zinssätzen weitere 20 Milliarden Euro an Kreditzinsen sparen. Zum Teil verdient der Staat sogar Geld mit der Schuldenaufnahme, weil Anleger mittlerweile bereit sind, eine Gebühr in Form von Negativzinsen zu zahlen.

IfW-Experte Jens Boysen-Hogrefe rechnet mit einem Anstieg des Zinsniveaus erst ab etwa 2017. «Dabei ist es wahrscheinlich, dass gerade dann die Zinslast deutlich steigen wird, wenn zeitgleich die Demografie die öffentlichen Haushalte stark belasten dürfte.» Die aktuell sehr gute Lage dürfe daher nicht darüber hinweg täuschen, dass mittel- bis langfristig spürbare Haushaltsrisiken bestünden.

Den Zinsverlusten stünden zwar auch Einsparungen infolge geringerer Kreditzinsen im Wert von 78 Milliarden Euro gegenüber. So können nicht nur Immobilien so günstig finanziert werden wie nie. Unter dem Strich bleibe aber ein erheblicher Verlust - von durchschnittlich 1366 Euro pro Bundesbürger.

Außerdem sind die Aktienkurse in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen. Das Problem: Nur wenige der traditionell eher vorsichtigen deutschen Anleger profitieren davon, wie Bielmeier betont. «Lediglich rund zehn Prozent des gesamten privaten Geldvermögens besteht hierzulande aus Aktien.» Das sei nicht einmal die Hälfte des Anteils, den private Haushalte in anderen europäischen Ländern halten.

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