Politik

Zu große Nähe zu den USA: Russland traut Polen beim Gas-Transit nicht

Russland will mit dem Ausbau der Pipeline Nord Stream vor allem Polen als Transit-Land meiden. Moskau fürchtet, dass die Abhängigkeit der polnischen Regierung von den USA zu Feindseligkeiten wie mit der Ukraine führen könnte. Russland will sicherstellen, dass die Kunden in Westeuropa trotz geopolitischer Spannungen bedient werden.
21.06.2015 02:07
Lesezeit: 2 min

Nach Aussagen des russischen Präsidenten Wladimir Putin werde die Pipeline Nord Stream „die Leistung von elf Atomkraftwerken“ haben. Diese Worte fallen zu einem Zeitpunkt, an dem Deutschland den Ausstieg aus der Kernenergie wagt.

Für Putin hat die 1224 Kilometer lange Leitung große geostrategische Bedeutung: Sie macht die Rohstoffmacht unabhängig von Transitländern wie Weißrussland oder der nach Westen strebenden Ukraine. Als der Kremlchef und der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder 2005 eine Absichtserklärung zum Bau der Pipeline unterzeichneten, war das Projekt alles andere als unumstritten.

Die baltischen Staaten Litauen, Lettland und Estland warfen Deutschland den Verrat gemeinsamer Interessen vor. Polens damaliger Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski verglich den deutsch-russischen Vertrag gar mit dem Hitler-Stalin-Pakt, berichtet das Wall Street Journal. Die Betreiber betonen aber, es handele sich um ein internationales Projekt - für eine sichere Energieversorgung der Europäischen Union.

Und in diesem Zusammenhang sieht Russland Polen als unsicheren Verhandlungspartner. Deshalb soll das Land beim Pipeline-Bau umgangen werden. Im Jahr 2008 soll Sikorski im Gespräch mit Paula Dobriansky, ehemalige hochrangige Vertreterin der US-Regierung, sogar gesagt haben, dass Deutschland Russlands „Trojanisches Pferd“ innerhalb der EU sei. Dies geht aus einem Wikileaks-Dokument hervor. Polen sieht die deutsch-russische Annäherung im Rahmen des Projekts Nord Stream als Bedrohung an. Würde hingegen Polen als Transitland für Europas Gasversorgung von Ost nach West in Betracht kommen, könnte die Regierung in Warschau als enger US-Verbündeter einen großen Einfluss auf die deutsch-russischen Beziehungen ausüben.

Neben Polen will Russland auch die Ukraine aus denselben Gründen als Transitland umgehen. Dies wollen die Russen mit dem Bau der Pipeline Turkish Stream erreichen. Ob es wirklich zum Bau von Turkish Stream kommt, bleibt unklar. Denn seit den Parlamentswahlen am 7. Juni gibt es Unsicherheiten über den Fortgang des Projekts.

Doch Kremlchef Wladimir Putin und der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan setzen die Planung des großen Pipeline-Projekts Turkish Stream fort. Mit Turkish Stream will Russland ab Ende 2016 jährlich bis zu 63 Milliarden Kubikmeter Gas durch das Schwarze Meer über die Türkei an die türkisch-griechische Grenze leiten. An diesem Punkt ist die Kooperation mit Griechenland sehr wichtig. Am Freitag haben sich Griechenland und Russland beim 19. Internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg auf eine verbindliche Kooperation bei Turkish Stream geeinigt.

Dazu unterzeichneten der griechische Energieminister Panagiotis Lafazanis und sein russischer Kollege Alexander Nowak ein Memorandum, berichtet Bloomberg. Im Detail soll die Verlängerung der Pipeline Turkish Stream von der türkischen Grenze durch Griechenland von Russland finanziert werden.

Zuvor hatten die USA und die EU Druck auf die Regierung in Athen gemacht, damit diese sich dem Projekt Turkish Stream nicht anschließt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Alt gegen Jung: Wie die Generation Z das Arbeitsleben umkrempelt – und was zu tun ist
01.07.2025

Alt gegen Jung – und keiner will nachgeben? Die Generationen Z und Babyboomer prallen aufeinander. Doch hinter den Vorurteilen liegen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt ohne Erholung im Juni: Warten auf den Aufschwung
01.07.2025

Die erhoffte Belebung des Arbeitsmarkts bleibt auch im Sommer aus: Im Juni ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland nur minimal um...