Die Löhne in Deutschland sind 2014 mehr als doppelt so stark gestiegen wie in Frankreich. In der deutschen Privatwirtschaft kletterten die tariflichen Monatsverdienste um durchschnittlich 2,9 Prozent, während es im Nachbarland nur 1,4 Prozent waren, teilte das Statistische Bundesamt am Donnerstag mit. Es hat die regelmäßig gezahlten tariflichen Grundvergütungen ohne Sonderzahlungen verglichen. Die Löhne legten jeweils deutlich stärker zu als die Preise, so dass die Kaufkraft hier wie dort zunahm: In Deutschland lag die Inflationsrate bei 0,8 Prozent, in Frankreich bei 0,6 Prozent.
Obwohl die Verdienste in Deutschland damit das dritte Jahr in Folge stärker anzogen, sind die Arbeitskosten in Frankreich noch immer deutlich höher. Hierzulande liegen sie in der Privatwirtschaft bei 31,80 Euro je Stunde, in Frankreich bei 35,20 Euro. „Vor allem die Lohnnebenkosten sind in Frankreich wesentlich höher“, erläuterten die Statistiker. 2014 zahlten die hiesigen Arbeitgeber auf 100 Euro Bruttoverdienst zusätzlich 28 Euro, in Frankreich dagegen 47 Euro Lohnnebenkosten.
Grund für die stärker steigenden Löhne ist die gute Konjunktur in Deutschland. 2014 wuchs das Bruttoinlandsprodukt mit 1,6 Prozent viermal so stark wie das des Nachbarlandes. In der Bundesrepublik haben so viele Menschen einen Job wie noch nie. Das stärkt die Position der Arbeitnehmer in den Tarifverhandlungen, da viele Unternehmen händeringend nach Mitarbeitern suchen. Frankreich hingegen leidet unter einer Rekordarbeitslosigkeit.
Allerdings haben auch die steigenden Löhne in Deutschland eine Kehrseite. Diese werden einer Studie zufolge in den nächsten Jahren die soziale Ungleichheit in Deutschland erhöhen. Benachteiligt seien vor allem Geringverdiener, Sozialberufe, Dienstleister und Familien, teilte die Bertelsmann Stiftung am Donnerstag mit. Nutznießer seien hingegen Arbeitnehmer in der Industrie.
Der Untersuchung zufolge dürften Gehaltsanhebungen das durchschnittliche verfügbare Jahreseinkommen eines Beschäftigten bis zum Jahr 2020 im Vergleich zu 2012 inflationsbereinigt um 2.200 Euro nach oben treiben. Davon profitieren würden die Arbeitnehmer aber ganz unterschiedlich. So werde sich das Einkommen der Beschäftigten, deren Verdienst im oberen Fünftel liegt, im Schnitt um 5.300 Euro erhöhen. Die unteren 20 Prozent dagegen könnten nur mit 750 Euro mehr rechnen. Die Forscher gehen davon aus, dass der demografische Wandel und der Fachkräftemangel höhere Lohnabschlüsse begünstigen werden. Am stärksten dürfte dies dort zum Tragen kommen, wo die Produktivität am kräftigsten zulegt - etwa im Verarbeitenden Gewerbe, der Chemie- und der Pharmaindustrie.
Laut Studie steigen zudem die verfügbaren Einkommen in kinderlosen Haushalten überdurchschnittlich. Benachteiligt seien Familien und Alleinerziehende. Einer der Gründe sei, „dass Alleinerziehende häufig im Einzelhandel und Gesundheits- oder Sozialwesen beschäftigt sind - Branchen mit langsamer wachsenden Löhnen“. Der Chef der Bertelsmann Stiftung, Aart De Geus, zeigte sich besorgt. Deutschland brauche zwar Wachstum und müsse international wettbewerbsfähig sein. „Aber gleichzeitig dürfen nicht ganze Einkommensgruppen immer weiter abgehängt werden.“