Die chinesische Zentralbank – Peoples Bank of China (PBOC) – veröffentlichte kürzlich zum ersten Mal seit sechs Jahren ihre offiziellen Goldreserven. Demzufolge liegen die Bestände der Volksrepublik bei 1.658 Tonnen Gold. Zum Zeitpunkt der letzten Veröffentlichung im Jahr 2009 lagen sie noch bei 1.054 Tonnen. Das entspricht einem Anstieg von 57 Prozent. Der offiziellen Statistik zufolge hält China damit die sechstgrößten Goldreserven der Welt. Auf dem ersten Platz rangieren nach wie vor die USA mit 8.133 Tonnen Gold. Dahinter folgen mit großem Abstand Deutschland auf (3.387 Tonnen), der Internationale Währungsfonds (2.814 Tonnen), Italien (2.451 Tonnen) und Frankreich (2.435 Tonnen).
Die Veröffentlichung der Goldreserven erfolgte genau an dem Tag, als der Goldpreis ein Fünfeinhalb-Jahres-Tief von 1077 Dollar je Feinunze (31,1 Gramm) verzeichnete und wurde seit langem erwartet. Doch Analysten hatten mit einem deutlich größeren Zuwachs gerechnet, da China der weltgrößte Förderer des Edelmetalls ist und mit Indien um den Spitzenplatz bei jährlichen Goldimporten konkurriert. Das Land verzeichnete in den vergangenen Jahren eine enorme Binnennachfrage des Edelmetalls und hat entgegen dem internationalen Trend massiv Gold aufgekauft.
„Die Zahl liegt in etwa halb so hoch, wie das was der Markt erwartet hatte“, zitiert das Wall Street Journal Ross Norman, CEO des Londoner Goldbrokers Sharp Pixley. „Das Interessante bei der Veröffentlichung ist jedoch der Zeitpunkt. China hat klare Ambitionen eine Weltreservewährung zu schaffen, um die Hegemonie des US-Dollar herauszufordern und die Lücke der rückläufigen Euro-Reserven der Zentralbanken zu füllen“.Vor dem Hintergrund der aktuellen Börsenturbulenzen, würde die Veröffentlichung den Anlegern zudem signalisieren, dass China über „umfangreiche Reserven verfügt, um den Markt zu unterstützen, wenn nötig“, so Norman.
Auch Brien Lundin, CEO von Jefferson Financial, hält die offiziellen Goldbestände für drastisch untertrieben. Er schätzt, dass die PBOC rund 3.000 Tonnen Gold in ihren Tresoren lagert. „Es gibt viele Belege dafür, dass die tatsächlichen Bestände näher an diesen Höchstständen liegen, weshalb man sich fragen muss, warum sie sich nun gezwungen sehen, die Bilanzsumme zu niedrig anzugeben“, sagte Lundin gegenüber MarketWatch. Koos Jansen, Analyst bei Singapurs größtem Goldhändler BullionStar und Experte für den chinesischen Goldmarkt, hält die offiziellen Zahlen der PBOC ebenfalls für zu niedrig. In seiner Analyse beruft sich Jansen auf Zahlen der China Gold Association sowie auf globale Handelsdaten. Diese würden zeigen, dass Chinas Nettoimporte zwischen 2010 und 2014 bei 3.967 Tonnen und die Produktion heimischer Minen bei 1.979 Tonnen lagen. Binnen vier Jahren wurden also insgesamt 5.964 Tonnen Gold in China gefördert und importiert.
Goldimporte aus anderen Ländern müssten durch die Shanghai Gold Exchange (SGE) gehandelt werden und auch die Produktion heimischer Minen werde hauptsächlich über die SGE umgesetzt. Der Kauf und Verkauf von physischem Gold wird dort nur in Renminbi abgerechnet. Doch die chinesische Zentralbank kaufe ihr Gold vermutlich nicht durch die Shanghaier Börse. Stattdessen erwerbe die PBOC ihre Goldbestände vor allem im Ausland, da sie dort ihre Dollar-Reserven direkt eintauschen könne. Die Notenbank gehe dabei sehr diskret vor, so Jansen, und versuche ihre Spuren über Buchhaltertricks zu verschleiern. So würden die Bestände zwar über Hongkong verschifft, tauchten jedoch nicht in den offiziellen Zollberichten auf.
„Wenn ich richtig liege, dass die PBOC seit 2009 hauptsächlich im Ausland Gold gekauft hat, dann befinden sich zurzeit 13.781 Tonnen Gold in China, wovon 1.658 Tonnen offizielle Goldreserven sind und 12.123 private Reserven“, so Jansen.
Jansen führt dies auf die 2012 verkündete Strategie der PBOC zurück, die „Goldbestände in der Bevölkerung zu lagern“. Der Privatsektor werde über Steueranreize und eine Liberalisierung des Goldhandels in diese Strategie eingebunden. Denkbar ist zudem, dass private Großinvestoren auf Weisung der PBOC Goldbestände aufkaufen. Diese Reserven würden dann nicht in der Bilanz der Zentralbank auftauchen, befänden sich jedoch defacto unter ihrer Kontrolle. Die Bekanntgabe der Goldbestände müsse auch im Kontext globaler Interessen gesehen werden, so Jansen weiter.
So will China künftig stärkeren Einfluss auf die Bestimmung des Goldpreises auszuüben. Zu diesem Zweck wurde der Goldhandel über die Shanghai Gold Exchange (SGE) liberalisiert und schrittweise für ausländische Investoren geöffnet. Die HSBC, Europas größte Bank und eine der führenden Goldbanken, erhielt die Genehmigung als Vorstandsmitglied der SGE zu fungieren. Außerdem hoffen die chinesischen Behörden, dass künftig ein Renminbi-Referenzpreis den Preis des Londoner Gold-Fixings ergänzen kann. Einige Gold-Experten rechnen sogar mit einem chinesischen Gold-Fixierungskurs noch vor Ende des Jahres. Darüber hinaus versucht China über Goldkäufe seine Abhängigkeit vom US-Dollar zu lösen und die eigene Währung als Alternative aufzubauen.
„Sie wollen eine größere Präsenz auf internationaler Ebene haben und sie wollen, dass ihre Währung als Reservewährung in Betracht kommt. Um das zu erreichen, muss man sie mit einer gewissen Menge an Gold stützen“, zitiert das Wall Street Journal Simona Gambarini, Rohstoff-Analystin bei Capital Economics aus London.
China baut die eigene Währung weiterhin als ernstzunehmende Alternative zum Dollar auf. Das weltweite Yuan-Handelsnetzwerk entsteht unter Ausschluss der USA. Der weltweite grenzüberschreitende Handel in Yuan stieg von 0 Prozent im Jahr 2009 auf 22 Prozent im Jahr 2014. Inzwischen gehört der Yuan zu den Top-5-Währungen der Welt, hinter Dollar, Euro, Pfund und Yen.
China will den Internationalen Währungsfonds (IWF) überzeugen, den Renminbi in den Korb der Reservewährungen – die sogenannten Special Drawing Rights (SDR) – aufzunehmen. Eine Bedingung des IWF war, das China zuvor seine Goldbestände veröffentlicht. „Sie wollen zeigen, dass sie genug angehäuft haben, ohne dabei die ganze Hand zu zeigen, weil es die Märkte verschrecken könnte“, zitiert MarketWatch einen Analysten. Noch in diesem Jahr soll über eine Aufnahme entschieden werden. Der von den USA dominierte IWF versetzte den chinesischen Ambitionen jedoch bereits einen Dämpfer und erklärte, dass der US-Dollar die dominante Weltwährung bleiben werde.
Die USA beobachten die Entwicklung in China genau und warnen aktuell vor einer Rückkehr zu einer alten Währungspolitik. Am Dienstag hatte die chinesische Notenbank den Yuan überraschend abgewertet. Eine Abkehr von einem stärker marktorientierten Devisenkurs wäre beunruhigend, verlautete am Dienstag aus dem Finanzministerium in Washington. Allerdings könnten die Auswirkungen der Abwertung noch nicht in vollem Umfang bewertet werden.
Die chinesische Notenbank hatte den Yuan überraschend um zwei Prozent sinken lassen. Damit sollen heimische Waren auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähiger und die Wirtschaft angekurbelt werden. Nach Darstellung der Notenbank handelt es sich um einen einmaligen Schritt.
Die USA haben von China schon lange gefordert, den Wechselkurs des Yuans stärker von den Marktkräften bestimmen zu lassen. Viele Kongressabgeordnete werfen der Führung in Peking vor, die Währung künstlich zu verbilligen, um Exporte zu fördern. Sinkt der Wert des Yuans, werden chinesische Produkte auf dem Weltmarkt billiger.