Politik

CDU-Spitze fordert von Merkel Kurswechsel bei Flüchtlingen

Die CDU erhöht den Druck auf Bundeskanzlerin Angela Merkel, Obergrenzen für Flüchtlinge zu nennen. Der Partei droht erstmals eine echte Spaltung – weil wichtige Leistungsträger Merkels Weg entschieden ablehnen. Sie wollen jedoch nicht mehr länger vertröstet werden – und verlangen jetzt einen Kurswechsel.
24.11.2015 00:56
Lesezeit: 2 min

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Andreas Rinke von Reuters sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel unter erheblichem, innerparteilichen Druck:

Auch drei Tage nach dem Scharmützel zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel ist die Unruhe in der Union nicht abgeklungen – im Gegenteil wird sie nach Einschätzung etlicher Politiker der Schwesterparteien CDU und CSU weiter anhalten. Denn nach der ersten Empörung darüber, wie Bayerns Ministerpräsident die Kanzlerin auf dem CSU-Parteitag abkanzelte, kommen deutliche Forderungen aus der CDU, dass sich die Flüchtlingspolitik ändern müsse. „Jeder in der Union weiß, dass wir es nicht mehr viele Wochen aushalten, wenn jeden Tag bis zu 10.000 Flüchtlinge und Einwanderer ins Land kommen“, ließ sich CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn in der „Passauer Neuen Presse“ zitieren.

Und nach dem CSU-Parteitag richten sich bereits alle Augen auf den CDU-Parteitag Mitte Dezember: Bis dahin müsse Kanzlerin Merkel Erfolge bei der Reduzierung der Zahl der ankommenden Flüchtlinge vorweisen. Andernfalls dürfte sie nach München auch in der eigenen Partei in Karlsruhe einen nur lauwarmen Empfang erhalten, warnt ein Mitglied des CDU-Bundesvorstands am Montag, das aber – wie viele derzeit – namentlich nicht genannt werden möchte.

Tatsächlich ist der Streit zwischen den Schwesterparteien alles andere als beendet, auch wenn Merkel auf das öffentliche Nachkarten gegen Seehofer verzichtet. Zwar klang auch der CSU-Chef in seiner Rede am Samstag versöhnlich, als er die „erstklassige Kanzlerin“ lobte und der „Gespenster“-Debatte über eine mögliche Trennung der Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU im Bundestag eine Absage erteilte. Zugleich aber machte Seehofer eine Kampfansage an die CDU-Chefin: „Wir müssen hineinwirken in die CDU, das ist unsere Antwort.“ Mit dieser Strategie war er bereits bei der CDU-Sachsen unter großem Applaus aufgetreten. Und damit wird er am 5. Dezember vor der CDU-Thüringen reden, einem weiteren in der Flüchtlingskrise eher Merkel-kritischen, ostdeutschen Landesverband.

Dass Grünen-Chef Cem Özdemir ankündigte, die Kanzlerin nun zum nächsten eigenen Parteitag einzuladen, um sie dort „anständiger“ zu behandeln als die CSU, dient Seehofer nur als Bestätigung seiner eigenen harten Position, nach der eine nationale „Obergrenze“ für Flüchtlinge festgelegt werden müsse. „Ich mag keine Zustimmung vom politischen Gegner ... Dann weiß ich, ich mache eine falsche Politik“, hatte er schon in Sachsen gewarnt und donnernden Applaus der CDU-Mitglieder bekommen.

Auch ohne Seehofers Sticheleien ist die Stimmung in der CDU gedämpft genug. Niemand wolle Merkel als Kanzlerin ernsthaft infrage stellen, betonen zwar alle Gesprächspartner. Aber ein CDU-Landesverband nach dem anderen bereitet Anträge für den Bundesparteitag vor. Fast alle rufen nach härteren Maßnahmen wie einer Begrenzung des Familiennachzugs – ohne allerdings die von der CSU geforderte Obergrenze ausdrücklich anzumahnen. Dies könnte auf dem Parteitag aber von einzelnen Kreisverbänden kommen. Der CDU-Bundesvorstand will die Debatte kanalisieren. Deshalb wurden Generalsekretär Peter Tauber, Innenexperte Thomas Strobl und Parteivize Julia Klöckner aufgefordert, bis zum Parteitag einen Flüchtlings- und Integrationsantrag der Parteispitze vorzubereiten.

Das Konzept soll den Gremien am 13. Dezember, also am Vorabend des Parteitags, vorgelegt werden. Die Zielrichtung ist klar: Mit dem Papier in letzter Minute soll versucht werden, den drohenden Sprengsatz einer chaotischen Flüchtlings-Debatte und Merkel-Kritik auf dem Parteitag zu entschärfen – trotz des CSU-Störfeuers von der Seitenlinie.

In der Union laufen schon Wetten, ob Seehofer überhaupt bei der Schwesterpartei auftreten wird. Denn beide Parteivorsitzenden gehen damit ein Risiko ein: Der 66-Jährige gilt innerhalb der CSU nach seinem Wahlergebnis von 87,2 Prozent angesichts des an die Spitze drängenden Finanzministers und Hardliners Markus Söder keineswegs mehr als unumstritten. Eine Watsche durch verärgerte CDU-Delegierte und eine unfreundliche Retourkutsche für München könnte Seehofer im parteiinternen Machtkampf durchaus schaden.

Aber auch für Merkel wäre ein Auftritt des CSU-Chefs gefährlich. Zwar sind die stimmungsmäßig weniger lenkbaren 1000 Basis-Delegierten der CSU für ganz Bayern nicht mit den 1000 CDU-Funktionären für ganz Deutschland vergleichbar, aber sollte die Zahl der ankommenden Flüchtlinge bis zum Parteitag nicht sinken, könnten auch Merkels eigene Parteifreunde versucht sein, stärker Seehofers harten Worten zuzujubeln als erneuten Bitten der Kanzlerin angesichts der nötigen internationalen und europäischen Abstimmungen weiter Geduld zu haben.

 

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