Die renommierte französische Tageszeitung "Le Monde" hat vor einem Sieg des Front National (FN) bei den Regionalwahlen am Sonntag gewarnt. Ein Wahltriumph der Rechtsextremen wäre "eine ernste Bedrohung für das Land", schrieb "Le Monde"-Chef Jérôme Fenoglio am Freitag in einem Leitartikel. Die Positionen von Parteichefin Marine Le Pen liefen "den republikanischen Werten, dem nationalen Interesse und dem Bild Frankreichs in der Welt zuwider", fügte er hinzu. Fenoglio kritisierte unter anderem, dass die FN den Franc und die Todesstrafe wiedereinführen will.
Allerdings kommen solche Wahlempfehlungen bei den Wählern nicht immer gut an: Die New York Times hatte 1920 auf Seite eins einen Leitartikel gegen einen zur Wahl stehenden Politiker veröffentlicht. Sie äußerte sich bestürzt über die Nominierung von Warren G. Harding zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner. Harding gewann noch im selben Jahr die Wahl.
Der Front National könnte bei der ersten Runde der Regionalwahlen am Sonntag landesweit stärkste Kraft werden, in Umfragen lag sie zuletzt bei knapp 30 Prozent. Bisher stellen die regierenden Sozialisten in fast allen französischen Regionen den Regionalpräsidenten - sie dürften jetzt zahlreiche Regionen verlieren. Die Konservativen sind in rund der Hälfte aller Regionen Favorit.
Der FN könnte aber ebenfalls mehrere Regionen gewinnen. Die Partei hat etwa gute Chancen, mit Parteichefin Le Pen als Spitzenkandidatin die nordfranzösische Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie zu erobern und mit Le Pens Nichte Marion Maréchal-Le Pen die südfranzösische Region Provence-Alpes-Côte d'Azur.