Politik

Köln: Merkel-Sprecher fordert „harte Antwort des Rechtsstaats“

Ein Sprecher von Bundeskanzlerin Merkel ruft im Falle der Massenübergriffe in Köln nach dem Rechtsstaat. Das Problem: Was kann der Rechtsstaat eigentlich konkret machen? Der Polizei fehlt bis zur Stunde jede Spur zu den Tätern. Bemerkenswert: Der Polizeipräsident relativiert die ursprünglich genannte Zahl der Beteiligten.
05.01.2016 18:20
Lesezeit: 2 min

Nach den massenhaften Übergriffen auf Frauen in der Silvesternacht in Köln sollen ähnliche Vorfälle unter anderem mit einer verstärkten Polizeipräsenz verhindert werden. Zum Karneval werde die Präsenz deutlich erhöht werden, kündigte Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers am Dienstag an. Auch mobile Videoüberwachung soll zum Einsatz kommen. Ein Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich wie empört über das Geschehen.

Ein Sprecher von Bundeskanzlerin Merkel trat dafür ein, mit der ganzen Härte des Rechtsstaates auf die Übergriffe zu reagieren. Es müsse alles daran gesetzt werden, die Schuldigen so schnell und so vollständig wie möglich zu ermitteln und ohne Ansehen ihrer Herkunft oder ihres Hintergrundes zu bestrafen, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Nach seinen Angaben sprach Merkel auch mit der Kölner Oberbürgermeisterin Reker über die Vorgänge. "Die Bundeskanzlerin drückte ihre Empörung über diese widerwärtigen Übergriffe und sexuellen Attacken aus, die nach einer harten Antwort des Rechtsstaats verlangen."

Solche Vorfälle dürfe es nie wieder geben, sagte Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) nach einem Krisengespräch von Vertretern der Stadt und der Polizei. Die Übergriffe seien "absolut nicht tolerierbar".

In der Silvesternacht soll es rund um den Hauptbahnhof und dem benachbarten Dom zu einer Serie von sexuellen Übergriffen gegen Frauen und anderen Straftaten gekommen sein. Laut Polizei liegen mittlerweile 90 Strafanzeigen vor. Bislang haben die Ermittler aber keine genauen Kenntnisse über die mutmaßlichen Täter. Aufgefallen war eine aus bis zu tausend Menschen bestehende Gruppe junger Männer, die überwiegend aus dem nordafrikanisch-arabischen Raum stammen könnten. Nach der Räumung des Bahnhofsvorplatzes sollen sich die Menschen in kleineren Gruppen aufgeteilt haben. "Es gibt keine tausend Täter", sagtePolizeipräsident Albers.

Diese Relativierung der ursprünglichen Zahl zeigt das grundsätzliche Problem, das der Rechtsstaat mit solchen Vorfällen hat: Wer hat sich konkret strafbar gemacht? Wo sind die Täter hergekommen? Hatten sie eine gültige Aufenthaltserlaubnis? Sind sie noch in Deutschland? Was ist konkret zu beweisen, etwa durch Video-Aufnahmen? Der Kölner Hauptbahnhof verfügt über eine 3-S-Zentrale und damit über eine komplette Videoüberwachung. Nach Informationen des Kölner Stadtanzeigers dürften am Bahnhof mindestens 80 Kameras sein. Können allfällige Täter ausgeforscht werden?

Von welchem Tat-Begriff muss der Rechtsstaat ausgehen? Ist jemand, der Frauen anrempelt, ein Komplize? Welche Beweisführung ist möglich? Wie verhält es sich mit Betrunkenen? Gab es Absprachen zu einem koordinierten Vorgehen? Wenn ja - wer steckt dahinter? Wie will man die Täter finden? Im Unterschied zu dem zur Tatzeit aufsehenerregenden Terror-Einsatz in München hat man nicht einmal "arabische Allerweltsnamen", nach denen man fahnden könnte. Auch in München hatte die Sache etwas Gespenstisches: Auch hier musste die Polizei einräumen, dass sie nicht wisse, ob es die Verdächtigen überhaupt gegeben hat. Fünf Tage später sind die Täter von Köln jedenfalls längst untergetaucht.

Weil diese äußert wichtigen Fragen im Grund nicht ohne eine schonungslose Selbstkritik der Bundesregierung über den Sicherheits-Zustand Deutschlands beantwortet werden können, richtet die Politik daher lieber den Blick in die Zukunft: Bei dem Anfang Februar anstehenden Straßenkarneval setzt die Polizei neben einer erhöhten Präsenz auch auf Videoüberwachung. Temporäre mobile Anlagen sollten etwa einen Blick von oben ermöglichen, damit eine Lage besser eingeschätzt werden könne, sagte Albers.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zeigte sich ebenfalls "entsetzt über die Eskalation der Gewalt" in Köln. "Gegen diese neue Dimension von Gewalt und sexuellen Übergriffen durch Männer-Banden müssen und werden Polizei und Justiz konsequent vorgehen", sagte Kraft dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Zugleich wurde bekannt, dass auch in Hamburg in der Silvesternacht mehrere junge Frauen von Männern sexuell belästigt und bestohlen wurden. Nach bisherigen Erkenntnissen handle es sich um zehn Fälle im Bereich der Reeperbahn, teilte die Polizei mit.

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

DWN
Politik
Politik Musk gegen den Staat: Wie ein Tech-Milliardär den US-Haushalt ruinierte
04.06.2025

Elon Musk wollte den US-Haushalt wie ein Start-up führen – heraus kam ein Desaster aus Kürzungen, Chaos und gescheiterten Sparzielen....

DWN
Unternehmen
Unternehmen Wöchentliche Höchstarbeitszeit geplant: Schub für die Wirtschaft oder kontraproduktiv?
04.06.2025

Steht der 8-Stunden-Arbeitstag auf der Kippe? Die Bundesregierung will statt einer täglichen Höchstarbeitszeit eine wöchentliche...

DWN
Politik
Politik Trump zündet den Handelskrieg – doch Europa hat das bessere Spiel
03.06.2025

Donald Trump droht mit Strafzöllen, doch Europas Antwort steht längst: Mit stabilen Finanzen und strategischem Kurs könnte die EU zum...

DWN
Politik
Politik Vergessener Kontinent: Afrikas Fluchtkrisen- Milliarden fehlen für humanitäre Hilfe
03.06.2025

Fluchtkrisen in Afrika schneiden bei medialer Aufmerksamkeit, Hilfsgeldern und politischem Engagement besonders schlecht ab. Kamerun ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell: Rücksetzer nach Kurssprung – was Anleger jetzt wissen müssen
03.06.2025

Der Goldpreis ist auf Richtungssuche – trotz Krisen und Zinssorgen. Was steckt hinter der aktuellen Entwicklung, und wie sollten Anleger...

DWN
Politik
Politik Krim-Brücke: Ukrainischer Geheimdienst SBU meldet Angriff auf Kertsch-Brücke
03.06.2025

Die Krim-Brücke ist erneut Ziel eines spektakulären Angriffs geworden. Doch wie schwer sind die Schäden wirklich – und was bedeutet...

DWN
Politik
Politik Ehemalige US-Generäle zur Operation der Ukraine in Russland: Militärische Leistung, die dem Trojanischen Pferd gleichkommt
03.06.2025

Mitten in die Verhandlungen trifft Russland ein Schlag, der tief sitzt: Eine ukrainische Drohnenoffensive zerstört rund 40 strategische...

DWN
Politik
Politik Brüssels Pensionsflop: Milliardenvision scheitert kläglich
03.06.2025

Mit großem Tamtam gestartet, nun ein Desaster: Der EU-weite Rentenplan PEPP sollte Milliarden mobilisieren – doch kaum jemand macht mit....