Politik

Kölner Gewalt-Exzesse: Mehr als 100 Anzeigen, erste Verdächtige

Nach den Kölner Gewaltexzessen sind über 100 Anzeigen wegen unterschiedlicher Delikte eingegangen. Der Innenminister von NRW gibt an, gegen drei Tatverdächtige zu ermitteln. Verhaftungen sind bisher nicht erfolgt.
06.01.2016 16:37
Lesezeit: 2 min
Kölner Gewalt-Exzesse: Mehr als 100 Anzeigen, erste Verdächtige
Die gespenstische Silvester-Nacht am Kölner Hauptbahnhof. (Screenshot: Youtube)

Nach den sexuellen Attacken auf Frauen vor dem Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht hat die Polizei die ersten drei Tatverdächtigen ermittelt. Festnahmen gebe es aber noch nicht, sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittwoch in Düsseldorf. Nach Angaben der Behörden gingen mittlerweile über 100 Strafanzeigen ein. Weil die Täter nach Aussagen von Zeugen anscheinend aus Nord-Afrika oder dem arabischen Raum stammten, wurden Rufe nach einer schnelleren Abschiebung krimineller Ausländer laut. Die Kritik von Bundesinnenminister Thomas de Maiziere an der Kölner Polizei löste harsche Reaktionen aus.

In der Silvesternacht hatten sich der Polizei zufolge rund 1000 Männern auf dem Bahnhofsvorplatz versammelt, viele davon aggressiv und betrunken. Aus kleineren Gruppen heraus seien dann Frauen bedroht und bestohlen sowie sexuell angegriffen worden. Jäger wollte mit Rücksicht auf die Ermittlungen keine Details zu den ersten Tatverdächtigen nennen. Er forderte aber Konsequenzen für die Polizeiarbeit. Die Kölner Polizei und die für den Hauptbahnhof zuständige Bundespolizei müssten erklären, wie es zu den Übergriffen habe kommen können. Er erwarte noch in dieser Woche einen „sehr detaillierten Bericht“. Zudem müssten Ermittlungen und Strafverfolgung konsequent vorangetrieben werden. Auch dürften sich solche Vorfälle nicht wiederholen.

Die Kritik des Bundesinnenministers wies Jäger allerdings zurück. De Maiziere hatte in der ARD bemängelt, dass es nicht sein könne, dass erst der Vorplatz des Bahnhofs geräumt würde „und später finden diese Ereignisse statt, und man wartet auf Anzeigen. So kann Polizei nicht arbeiten.“

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) stellte sich vor ihre Kölner Kollegen und gab ihrerseits der Bundespolitik eine Mitschuld. Viele Beamte der Bundespolizei seien schon vor Monaten abgezogen worden, um wegen des Flüchtlingsstroms an der österreichischen Grenze eingesetzt zu werden. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums wies den Vorwurf zurück, es seien zu wenige Bundespolizisten vor Ort gewesen. In der Silvesternacht seien 70 Beamte im Einsatz gewesen, statt der sonst üblichen 20. Die Zuständigkeit der Bundespolizei ende außerdem nach der geltenden Rechtsprechung etwa 30 Meter vor dem Bahnhofsgebäude.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte dem „Münchner Merkur“, man müsse nach Einsatzdefiziten bei der Polizei fragen: „Offenbar sind solche Übergriffe und Diebstähle seit Wochen wiederholt an diesem Platz vorgekommen. Wenn das so war: Wie hat die Polizei bisher darauf reagiert?“ Jäger nannte es dagegen eine „Frage des Stils“, ob man einen Einsatz beurteile, bevor er im Detail dokumentiert sei. Die Verantwortung liege bei der gesamten Polizei in Köln - und damit auch bei der Bundespolizei.

GdP-Vizechef Arnold Plickert sagte, wichtiger als der Streit sei, sich zu verständigen, wie diese offenbar neue Form der Kriminalität künftig verhindert werden könne: „Wenn Frauen sexuell belästigt werden, ist das ein massiver Eingriff in ihre Grundrechte und erniedrigend.“ Deshalb sei es wichtig, die Hintergründe aufzuklären und die Täter konsequent zu bestrafen.

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik EU im Abseits: Trump bevorzugt London und Peking – Brüssel droht der strategische Bedeutungsverlust
12.05.2025

Während Washington und London Handelsabkommen schließen und die USA gegenüber China überraschend Konzessionen zeigen, steht die EU ohne...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona nie wieder gesund? Die stille Epidemie der Erschöpfung
12.05.2025

Seit der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der ME/CFS-Betroffenen in Deutschland nahezu verdoppelt. Rund 600.000 Menschen leiden inzwischen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Machtkampf der Tech-Eliten: Bill Gates attackiert Elon Musk – „Er tötet die ärmsten Kinder der Welt“
12.05.2025

Ein milliardenschwerer Konflikt zwischen zwei Symbolfiguren des globalen Technologiekapitalismus tritt offen zutage. Der frühere...

DWN
Politik
Politik Pflege am Limit? Ministerin fordert Reform für mehr Eigenverantwortung
12.05.2025

Pflegekräfte sollen mehr dürfen und besser arbeiten können – das fordert Gesundheitsministerin Nina Warken zum Tag der Pflegenden....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Milliarden ungenutzt: Irischer Top-Investor fordert Einsatz von Pensionsgeldern zur Stärkung europäischer Technologie
12.05.2025

Die europäische Technologiebranche droht im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten. Der Grund: Staatlich geförderte...

DWN
Politik
Politik Geheime Waffenlieferungen: Kritik an Intransparenz – Ukrainischer Botschafter lobt Merz’ Kurs
12.05.2025

Die neue Bundesregierung unter Friedrich Merz hat entschieden, Waffenlieferungen an die Ukraine künftig wieder geheim zu halten – ein...

DWN
Politik
Politik SPD-Spitze im Umbruch: Bas spricht von historischer Verantwortung
12.05.2025

Die SPD steht nach dem desaströsen Wahlergebnis von 16,4 Prozent bei der Bundestagswahl vor einem umfassenden Neuanfang. In Berlin haben...

DWN
Politik
Politik Beamte in die Rente? SPD und Experten unterstützen Reformidee
12.05.2025

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas erhält Unterstützung aus der SPD für ihren Vorschlag, künftig auch Beamte, Selbstständige und...