Der syrische Präsident Baschar al-Assad hat in für die SWR/ARD-Sendung „Weltspiegel-Extra“ den Krieg des Westens gegen sein Land als Ursache für Flucht und Vertreibung genannt. An Deutschland gewandt betonte er, es sei „gut, wenn Flüchtlinge aufgenommen werden, die ihr Land in Not verlassen“ hätten. Doch Assad stellte auch die rhetorische Frage, ob es nicht klüger und auch „weniger kostspielig“ sei, Syrern zu helfen, in ihrem eigenen Land leben zu können. Dafür müsste sich der Westen entschließen, gegen den Terror zu kämpfen und nicht gegen sein Land, sagte Assad. (Das Video am Anfang des Artikels zeigt ein Kurz-Interview des spanischen Mediums El Pais mit Assad im Februar 2016.)
Assad setzt Hoffnung auf die Waffenruhe: „Wir werden das Unsrige tun, damit das Ganze funktioniert“, sagte Assad. Er bot Rebellen eine Amnestie und gegebenenfalls eine „Rückkehr in ihr normales ziviles Leben“ an. Bedingung sei, dass sie die Waffen abgeben.
Zugleich bezeichnete Syriens Präsident die Lage der Bevölkerung in seinem Land als „humanitäres Desaster“. Zum Vorwurf des Westens, die Syrer würden die eigene Bevölkerung aushungern, sagte Assad, das Gegenteil sei der Fall: Die syrische Armee und Städte unter ihrer Kontrolle würden aus diesen Regionen heraus bekämpft und bombardiert. „Wie sollten wir diese Gebiete von der Nahrungsmittelzufuhr abschließen, wenn wir sie doch nicht an der Beschaffung von Waffen hindern können?“, sagte Assad. Die Regierung hatte erst vor wenigen Tagen mit den UN Hilfslieferungen vereinbart.
Assad sagte, dass Syrien nicht mehr „vollständig souverän“ sei und militärische Hilfe aus Russland, dem Iran und aus dem Libanon erhalte. Dies geschehe, um das Übergreifen des islamistischen Terrors zu begrenzen. Letztendlich „sind sie nicht zu unserer Verteidigung gekommen, sondern zu ihrer eigenen Verteidigung“, sagte Assad.
Interessant ist der Umstand, dass die ARD mit Assad gesprochen hat. Bisher wurde Assad von den öffentlich-rechtlichen Sendern gemieden und der Syrien-Krieg vor allem als Bürgerkrieg dargestellt. Assad wurde meiste als Machthaber bezeichnet, seine Regierung als Regime. Ein Interview mit dem Staatspräsidenten eines im Krieg befindlichen Landes wird in der Regel über diplomatische Kanäle angebahnt. Es ist - auch für private Medien - unmöglich, einfach zu Assad zu gehen und ein Interview anzumelden. Wieweit das Auswärtige Amt bei der Anbahnung behilflich war, kann nicht beurteilt werden. Tatsache ist, dass Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier sowohl in Syrien als auch in der Ukraine eine eindeutig auf Verständigung ausgerichtete Politik betreibt.
Der Umstand, dass es sich beim Umsturz-Versuch um einen vom Westen angezettelten und von den mit dem Westen verbündeten Golfstaaten durchgeführten Staatsstreich gehandelt hat, hat in den Medien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bisher kaum Erwähnung gefunden. Die Intendanten der Sender, die von den Parteien kontrolliert werden, sind gerade bei Kriegsthemen gehalten, sich bei der Bundesregierung über den korrekten Weg rückzuversichern. Viele gute Journalisten in der ARD und beim ZDF ärgern sich über diese Entwicklung, sprechen aber Kritik nicht öffentlich aus, weil sie um ihre Jobs und ihre Reputation fürchten.
Angela Merkel hatte sich monatelang geweigert, das Thema des Krieges als Fluchtursache anzusprechen. Der frühere indische Botschafter hat in einem interessanten Augenzeugenbericht geschildert, wie Syrien von den Golfstaaten destabilisiert wurde. Merkel selbst hält sich in diesem Punkt völlig bedeckt und sprach bei Anne Will nur davon, dass die EU nun dazu beitragen müsse, die Fluchtursachen zu beseitigen. Die Information der deutschen Zuseher, dass der Westen an diesem Krieg beteiligt ist, blieb somit dem syrischen Präsidenten vorbehalten.
Insofern könnte das Assad-Interview bedeuten, dass die Bundesregierung offenbar nicht mehr an an dem von den US-Neocons vorgegebenen Kurs festhält, wonach Assad zu stürzen sei und der Waffenstillstand nichts anderes als eine Finte der Russen darstelle. Ob diese Haltungsänderung Bestand hat oder aber nur der Beruhigung der Wähler vor den Landtagswahlen dient, ist schwer auszumachen.
Das komplette Interview wird am Dienstagabend (1. März) um 20.15 Uhr in der Sendung „Weltspiegel-Extra“ auf Tagesschau 24 ausgestrahlt.