Politik

CSU: Banken-Union wegen Problemen bei Banken in Südeuropa undenkbar

Lesezeit: 5 min
12.06.2016 00:01
Hans Michelbach, Vorstandsmitglied der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, hält eine Banken-Union in der EU wegen der gravierenden Probleme der Banken in Südeuropa für undenkbar. Er erhebt schwere Vorwürfe gegen die EZB und auch gegen die EU-Kommission, die nach seiner Auffassung zu lange untätig geblieben ist.
CSU: Banken-Union wegen Problemen bei Banken in Südeuropa undenkbar
Dr. h.c. Hans Michelbach MdB. (Foto: Hans Michelbach/Bundestag)

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Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die südeuropäischen Banken scheinen in Schwierigkeiten zu stecken. Man liest, dass allein die italienischen Banken auf faulen Krediten von über 300 Milliarden Euro sitzen. Ist vor diesem Hintergrund die geplante europäische Bankenunion mit gemeinsamer Einlagensicherung überhaupt zu verantworten?

Hans Michelbach: Die hohe Summe fauler Kredite ist nicht neu. Ein Eingreifen dort ist unausweichlich. Hier ist eindeutig die EU-Kommission gefordert, die hier aber einmal mehr durch Untätigkeit glänzt.

Das Problem wird noch erheblich verschärft dadurch, dass es entgegen den Vorgaben der EU auch keine nationalen Rettungsfonds gibt. Vor diesem Hintergrund ist eine Bankenunion nicht vertretbar.

Diese beruht auf dem Prinzip, dass zunächst die Anteilseigner, dann die nationalen Rettungssysteme und als letztes der EU-Hilfsfonds eingreift. Diese Reihenfolge darf nicht durchbrochen werden. Es wäre ein Verstoß gegen die getroffenen Vereinbarungen und es würde das Ansehen des Euro und das Vertrauen in die Gemeinschaftswährung erheblich beschädigen. ​

​In einer Bankenunion unter den gegenwärtigen Voraussetzungen würde der deutsche Sparer unmittelbar für das Missmanagement von Banken aus anderen Staaten haften, ohne dass diese Staaten sich auch nur mit einem einzigen Cent ​beteiligen müssten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Trifft es Ihrer Einschätzung nach zu, dass mit der „Griechenlandrettung“ nur die „deutschen und französischen Banken gerettet“ werden? Oder spielte es auch eine Rolle, dass amerikanischen Hedge-Fonds Kreditausfallversicherungen im Wert von über 2 Billionen Dollar im Feuer hatten, die bei einem Austritt Griechenlands aus dem Euro teilweise fällig geworden wären?

Hans Michelbach: Das ist eine offenbar unausrottbare Behauptung. Die privaten Gläubiger ​haben im Zuge des Schuldenschnitts einen erheblichen Verzicht hingenommen. Es hat am Ende nur nichts genützt, weil man in Athen nicht zu den notwendigen Reformen bereit war – und bis heute zu keiner Effizienz bereit ist. Wegen dieser fehlenden Bereitschaft zur Umsetzung der Reformen durch die griechische Regierung und das griechische Parlament kommt das Land nicht vom Fleck.

Was wäre denn die Alternative gewesen zu Beginn der Griechenland-Krise: eine Staatspleite mit unabsehbaren Konsequenzen für den Euro-Raum und die Weltwirtschaft. Inzwischen sind wir besser auf solche Situationen vorbereitet. Eine Staatspleite Griechenlands hätte nur noch sehr begrenzte Auswirkungen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Gibt es auch geostrategische Überlegungen bei der „Griechenlandrettung“? Etwa die, dass die Amerikaner darauf bestehen, dass Griechenland in der NATO bleibt?

Hans Michelbach: Ein Austritt Griechenlands aus der NATO stand nie zur Debatte.​

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Glauben Sie, dass ein Austritt Griechenlands aus dem Euro für die griechische Wirtschaft hilfreich wäre?

Hans Michelbach: Das Thema hat mindestens zwei grundsätzliche Aspekte: Bei einem Austritt des Landes aus dem Euro käme es zu einer starken Abwertung der dann neuen nationalen Währung, was griechische Waren und Dienstleistungen auf dem Weltmarkt billiger machen könnte. Ob sie dadurch konkurrenzfähiger würden und die griechische Wirtschaft so eine Belebung erführe, lässt sich jedoch nicht mit einem einfachen JA beantworten.

Man muss andererseits sehen, dass das Land seine Schulden durch einen Austritt nicht loswürde. Auch ist davon auszugehen, dass Griechenland im Falle eines Euro-Austritts jede Kreditwürdigkeit verlieren könnte.

Entscheidende Voraussetzung für eine Gesundung Griechenlands ist eine konsequente Reformpolitik. Dazu aber fehlen ganz offenbar der politische Wille und die politische Kraft. Stattdessen wird mit der Umsetzung jeder Auflage bis zum letzten Tag gewartet und oft auch darüber hinaus. Dringend notwendige Strukturreformen sind – bis auf einige wenige Privatisierungen – völlig ausgeblieben. Wenn Athen das Ruder nicht ganz kräftig herumreißt, bleibt das Land ein kranker Mann Südeuropas ohne Aussicht auf Heilung.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Andererseits gestattet ein Verbleib im Euro, dass sich einzelne Staaten über ANFA (Agreement on Net Financial Assets) über den Kauf eigener Staatsanleihen selbst Geld drucken. Weit über 700 Milliarden Euro sollen so, vor allem von der Banque de France und der Banca d`Italia, geschöpft worden sein. Was halten Sie von dieser Praxis?

Hans Michelbach: Das hat zunächst einmal mit dem Euro gar nichts zu tun. Die EZB verweigert zu diesen dubiosen Vorgängen bis heute die Aufklärung. Die seinerzeit aggressive Reaktion auf die Fragen nach ANFA macht aber deutlich, dass man bei der EZB etwas zu verbergen hat. Wenn die bislang vorliegenden – unbestätigten – Berichte zutreffen, hat die EZB unter dem Deckmantel geheime Absprachen getroffen, die eine unkontrollierte Staatsfinanzierung über die nationalen Notenbanken erlaubt – und damit die Ansammlung von unkontrollierten Haftungsrisiken. Hier wird die Unabhängigkeit der EZB ganz offensichtlich missbraucht. Wenn die EZB jetzt noch Staatsanleihen und Unternehmensanleihen mit hohem Risiko kauft, kann dem Steuerzahler Angst und Bange werden.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Wäre, was ANFA anbelangt, der Vergleich zu gewagt, wenn man sagt, dass es ein gemeinsames Kreditkartenkonto gibt, auf das alle einzahlen, von dem aber nur wenige abheben? Schließlich dürfte der Euro durch eine derartige Geldschwemme ja nicht stabiler werden.

Hans Michelbach: Dass in der undurchsichtigen ANFA-Nutzung eine Gefahr für die Stabilität – nicht nur – des Euro liegt, ist nicht von der Hand zu weisen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Würden Sie den Satz von Kanzlerin Merkel „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ unterschreiben? Oder haben Sie auch Verständnis für die Stimmen, die in dem Euro, so wie er gegenwärtig konstruiert ist und permanent „gerettet“ werden muss, eher eine Belastung für Europa sehen?

Hans Michelbach: Der Euro sollte einmal – so hatten es sich seine geistigen Mütter und Väter gedacht – ein zusätzliches Band der Zusammengehörigkeit der europäischen Staatengemeinschaft sein. Das wäre sicher auch gelungen, wenn sich alle an die Regeln und die unterschriebenen Verträge gehalten hätten und die EU-Kommission ihrer Aufgabe als Hüterin der Verträge auch tatsächlich nachgekommen wäre. Genau das aber ist nicht geschehen. Stattdessen ist getrickst und weggeschaut worden. So konnte auch ein Land wie Griechenland, das mit Rechentricks eine Qualifizierung für den Euro vorgetäuscht hatte, entgegen allen Warnungen in den Euro-Raum, aufgenommen werden.

Europa scheitert dann, wenn es seine eigenen Regeln und Verträge nicht ernst nimmt. Jüngste Äußerungen des Kommissionpräsidenten Juncker etwa zu Defizitverstößen Frankeichs zeigen mir, dass diese Einsicht in Brüssel noch nicht Einkehr gehalten hat. Die Stabilitätskriterien werden einfach aufgelöst.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Eine weitere Baustelle in Europa sind die sogenannten „Russland-Sanktionen“. Glauben Sie, dass wir auf einen neuen Kalten Krieg zusteuern?

Hans Michelbach: Die Warnung vor einem drohenden Kalten Krieg ist eine Propagandafigur, mit der Herr Putin von der eigentlichen Ursache ablenken will. Denn das Problem ist nicht ein Kalter Krieg, sondern ein heißer hybrider Krieg Russlands in der Ostukraine, der bis heute anhält. Wir dürfen es aber nicht reaktionslos hinnehmen, wenn in Europa mit Gewalt Grenzen verschoben werden sollen. Soviel sollten wir aus der Geschichte unseres Kontinents gelernt haben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Glauben Sie, dass sich Frieden und Wohlstand in Europa gegen Russland durchsetzen lassen? Oder hielten Sie für angemessen, Frieden und Sicherheit gemeinsam mit Russland anzustreben?

Hans Michelbach: Das Ziel Deutschlands ist nicht ein Konflikt mit Russland. Deutschland und Europa haben auch keinen Konflikt mit Russland vom Zaun gebrochen, sondern Russland ist in der Ostukraine als Aggressor tätig geworden. Das ist eine Gefahr für die europäische Friedenordnung. Wir sind für gute Beziehungen zu Russland völlig offen. Herr Putin weiß, dass die Sanktionen fallen und sich die Beziehungen schlagartig bessern werden, wenn er die Okkupation der Ostukraine aufgibt und aktiv dazu beiträgt, dass die staatliche Integrität der Ukraine wieder hergestellt wird.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Glauben Sie, dass der Kurs von Kanzlerin Merkel unser Verhältnis zu Russland nachhaltig belasten wird?

Hans Michelbach: Wir haben es hier nicht mit einem Kurs der Bundeskanzlerin zu tun, sondern mit einer geschlossenen Haltung der EU. Die Belastung des russisch-europäischen Verhältnisses geht von Moskau aus, nicht von Deutschland.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Für wie groß halten Sie den Schaden, welcher der deutschen Wirtschaft – unmittelbar wie auch mittel- und langfristig – durch die „Russland-Sanktionen“ erwächst. Und kann man vor diesem Hintergrund nicht ebenso von Sanktionen gegen Deutschland sprechen? Gibt es umfangreichere geostrategische Überlegungen, vor deren Hintergrund wir diese „Russland-Sanktionen“ sehen müssen?

Hans Michelbach: Sanktionen hat es in der Vergangenheit gegen viele Länder gegeben – eine immer wieder belebte Debatte über die Auftragsausfälle aber nicht. Das ist schon sehr interessant und man muss sich fragen, wer an der Steuerung einer solchen Debatte ein Interesse hat.

Richtig ist: Im Moment sind bestimmte Geschäfte mit Russland nicht möglich. Ich gehe nicht davon aus, dass dies dauerhaft der Fall sein wird. Ich halte Herrn Putin nicht für einen Hasardeur. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass wir das zugrunde liegende Problem lösen werden. Das wird nicht von heute auf morgen geschehen, aber es wird kommen.

Russland hat seinerzeit gemeint, auf die Abwehrsanktionen wegen der Ostukraine-Okkupation seinerseits mit bestimmten Einfuhrverboten reagieren zu müssen. Die Moskauer Regierung trifft damit ihre eigene Bevölkerung mehr als die europäische Wirtschaft. Unsere Wirtschaft jedenfalls ist weiter auf solidem Wachstumskurs.

Das geheimnisvolle Wispern über angebliche geheimnisvolle geostrategische Überlegungen, die wohl hinter den Russland-Sanktionen stehen sollen, gehört in die Abteilung Legendenbildung. Einziges Ziel scheint mir zu sein, von der russischen Aggression in der Ostukraine – und damit vom Ausgangspunkt der gegenwärtigen Spannungen – abzulenken oder die Aggression sogar zu rechtfertigen.

***

Dr. h. c. Hans Michelbach ist Vorstandsmitglied der CDU/CSU Bundestagsfraktion, stellvertretender Vorsitzender der CSU-Landesgruppe Deutscher Bundestag,

stellvertretender Vorsitzender des Parlamentskreis Mittelstandund der MIT der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.


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