Politik

Bundesregierung droht radikalen Erdogan-Anhängern mit Ausweisung

Lesezeit: 2 min
15.06.2016 02:11
Das Verhältnis zwischen Deutschen und Türken könnte sich in Deutschland bald rapide verschlechtern: Der vom türkischen Staat finanzierte islamische Verband DITIB äußert Kritik am Abstimmungsverhalten der elf Türken-Abgeordneten im Bundestag. Die Bundesregierung hingegen droht mit der Ausweisung von türkischen Staatsbürgern, die gegen Bundestagsabgeordnete Stimmung machen.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Der größte islamische Verband in Deutschland, DITIB, kritisierte in der Rheinischen Post die Drohungen gegen Abgeordnete: „Wir verurteilen jede öffentliche Schmähung, jeden Aufruf zu Hass und Gewalt (…). Niemals dürfen wir es zulassen, dass Meinungsverschiedenheiten zu Hass führen, der uns verblendet und zur Gewalt verleitet“, sagte DITIB-Generalsekretär Bekir Alboga. Doch das ist offenbar keine Einheitsmeinung innerhalb des Verbands. Dr. Zekeriya Altuğ, Vorsitzender des DITIB Landesverbands Hamburg, hatte zuvor scharfe Kritik an den elf Türken-Abgeordneten im Bundestag geübt. Der ARD-Tagesschau sagte er, dass sich die Mitglieder der DITIB nicht mehr von den „türkischstämmigen“ Abgeordneten vertreten fühlen würden. „Das ist natürlich ein riesiger Vertrauensverlust, der die Menschen hier weiter spaltet“, zitiert die SZ den DITIB-Vertreter.

Doch es gibt zwei Aspekte, die gegen die Kritik von Altug sprechen. Zum einen ist DITIB eine Organisation mit engen Beziehungen zur Türkei. Die DITIB-Imame in Deutschland werden vom türkischen Staat bezahlt. Für alle anderen Ausgaben müssen die Mitglieder in Deutschland selbst aufkommen. Die „deutsch-türkischen“ Abgeordneten hingegen leben von deutschen Steuergeldern und erhalten – soweit bekannt – keine Gehälter aus dem Ausland.

Zum anderen predigt DITIB die sunnitische Auslegung des Islam. Sie hat zwar personell auch Aleviten in ihren Reihen. Doch das hat keinerlei Auswirkungen auf die Auslegung der Religion. Unter den „deutsch-türkischen“ Abgeordneten befinden sich mindestens fünf Aleviten (Sevim Dagdelen, Cansel Kiziltepe, Azize Tank, Ekin Deligöz, Özcan Mutlu), von denen ein Großteil noch nicht einmal Deutsch-Türken, sondern Kurden sind. Die restlichen Abgeordneten (Cem Özdemir, Metin Hakverdi, Mahmut Özdemir, Cemile Giousouf, Gülistan Yüksel und Aydan Özoguz) sind nicht religiös und lassen sich im Regelfall kurz vor den Wahlterminen in Moscheegemeinden blicken.

Aus diesen genannten Gründen ist die Erwartungshaltung der DITIB nicht nachvollziehbar. Doch die Kritik der DITIB an den Türken-Abgeordneten im Bundestag hat mittlerweile bei der Bundesregierung eine Kurzschluss-Reaktion ausgelöst. Der Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings, droht türkischen Staatsbürgern in Deutschland, die offen Kritik an den Abgeordneten äußern oder gegen diese „hetzen“, mit der Deportation aus Deutschland. Wer so denke und rede, habe sich „in dieses Land und seine Rechtsordnung eben nicht integriert“, zitiert die Rheinische Post den Regierungsvertreter. Dies müsse „natürlich auch bei Entscheidungen über Aufenthaltstitel berücksichtigt werden“. Im Fokus der Behörden stehen Menschen, die mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan sympathisieren.

Die türkischsprachigen Medien haben die Drohung des Staatssekretärs des Bundesministeriums des Innern, breit aufgegriffen.

Al Jazeera Turk berichtet unter dem Titel „Aufenthaltstitel-Drohung gegen Türken in Deutschland“, dass Deutschland Türken ausweisen wolle, die sich den „Provokationen gegen die türkischstämmigen Abgeordneten“ anschließen.

Die Deutsche Welle titelt ebenfalls „Aufenthaltstitel-Drohung gegen Türken in Deutschland“. Die Deutsche Welle zitiert die linke Abgeordnete Katarina Barley, wonach die deutschen Politiker entschlossen seien, „sich nicht den Beleidigungen“ und dem Druck beugen zu wollen. Barley meint, dass die „Türken“, die sich an der Kampagne beteiligen die Demokratie bedrohen würden.

Haberturk berichtet, dass das „deutsche Innenministerium“ Türken in Deutschland mit der Ausweisung droht, falls sie sich „den Provokationen“ gegen deutsche Abgeordneten anschließen sollten.

Die Zeitung Takvim titelt: „Eine freche Drohung Deutschland gegen die Türken.“

Zuvor hatte die Zeitung Sabah berichtet, dass Deutschlands das „rassistischste Land“ Land in Europa sei. Das gehe aus einem Bericht der türkischen Regierung hervor. Alleine im vergangenen Jahr habe es 53 rassistische Angriffe auf Türken in Deutschland gegeben. An zweiter Stelle steht Frankreich mit 16 und an dritter Stelle die Niederlande mit acht Angriffen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch nahe 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
22.11.2024

Ein Bitcoin-Rekordhoch nach dem anderen - am Freitagmorgen kletterte der Bitcoin-Kurs erstmals über 99.000 US-Dollar. Seit dem Sieg von...

DWN
Politik
Politik Krankenhausreform: Entscheidung über Lauterbachs hoch umstrittenes Projekt heute im Bundesrat
22.11.2024

Krankenhausreform: Kommt sie jetzt doch noch? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) steht mit seinem hochumstrittenen Projekt vor...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenz von HH2E: Rückschlag für Habecks Energiewende - Wasserstoffprojekte in Sachsen in Gefahr
22.11.2024

Der Wasserstoff-Spezialist HH2E hat Insolvenz angemeldet, die Finanzierung durch ein britisches Private-Equity-Unternehmen ist gestoppt....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Aktien sind heiß gelaufen: Warum immer mehr Analysten den europäischen Aktienmarkt in den Blick nehmen
22.11.2024

Vermögensverwalter Flossbach von Storch sieht zunehmend Risiken für US-Aktien. Nach der jüngsten Rekordjagd an den US-Börsen verlieren...

DWN
Politik
Politik SPD-Kanzlerkandidat steht fest: Pistorius zieht zurück und ebnet Weg für Scholz
21.11.2024

Nach intensiven Diskussionen innerhalb der SPD hat Verteidigungsminister Boris Pistorius Olaf Scholz den Weg für die erneute...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...