Politik

Flucht nach vorne: EU will europäischen Superstaat schaffen

Die EU-Kommission möchte die Euro-Krise nutzen, um im Windschatten der aktuellen Probleme einen europäischen Zentralstaat zu schaffen. Dieser wird die Handlungsmöglichkeiten der Nationalstaaten massiv beschneiden, auch wenn Präsident José Manuel Barroso in seiner Rede an die Nationen mehr Pathos als Argumente zu präsentieren hatte.
13.09.2012 00:54
Lesezeit: 1 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Europäische Union ist an einem Punkt angelangt, an dem sie sich grundlegend verändern muss, um bestehen zu können. Dieser Meinung ist der Präsident der EU-Kommission Jose Manuel Barroso: „So kann und darf es nicht weitergehen“, sagte er am Mittwoch vor dem Europäischen Parlament in Straßburg.

Barrosos Rede (voller Wortlaut - hier) war vor allem von Appellen getragen: Er forderte, dass niemand an irgendetwas einen Zweifel lassen dürfe - wie überhaupt er Zweifel am großen Plan für das Grundübel in der Krise halte. Der britische EU-Parlamentarier Nigel Farage ordnete das Pathos von Barroso in die von ihm schon öfter beschworene Kategorie des Euro-Fanatismus ein (mehr im Video am Ende des Artikels).

Der EU-Kommission schwebt ein Bund von Nationalstaaten vor, der nach außen geschlossen auftritt. Dieser Bund soll sowohl durch eine stärkere wirtschaftliche als auch durch eine enger politische Integration entstehen: „Es geht um eine Union mit den Mitgliedstaaten, nicht gegen die Mitgliedstaaten. Im Zeitalter der Globalisierung bedeutet geteilte Souveränität mehr und nicht weniger Macht“, sagt Barroso. Zwar will Barroso das neue Gebilde, zu dessen Errichtung die EU-Verträge geändert werden müssen, nicht „Superstaat“ nennen. Aber nichts anderes ist es, was die EU in einer Art Flucht nach vorne anstrebt: „Wir sollten nicht davor zurückschrecken, es deutlich zu sagen: wir müssen den Weg zu einem Bund der Nationalstaaten gehen. Das ist es, was wir brauchen. Das ist das Ziel, das wir uns setzen sollten“, so Barroso. Und ganz konkret wurde die Idee, als Barroso ankündigte, die EU wolle eine europäische Staatsanwaltschaft einführen. Wie schon der Name sagt, setzt eine solche Behörde einen Staat voraus (zumindest in der offiziellen deutschen Übersetzung heißt die Behörde auch so).

Er will den Binnenmarkt vollenden und eine bessere Koordinierung der Wirtschaftspolitik erreichen. Ein Schritt in diese Richtung ist die geplante Bankenunion, die vor allem außerhalb der Eurozone für Unmut sorgt, weil die EZB – und damit die Euroländern – eine wesentliche Vormachtstellung einnehmen soll (mehr hier).

Die politische Union soll über eine stärkere Abstimmung der außenpolitischen Angelegenheiten geschaffen werden. So wünscht sich der Kommissionspräsident eine schlagkräftige Truppe und einen gemeinsamen Verteidigungsplan, um künftig auch in internationalen Konflikten (wie aktuell in Syrien) eine wichtigere Rolle übernehmen zu können.

Die schleichende Entfremdung der Union und seiner Bürger will Barroso über mehr Demokratie bekämpfen. Er sieht die Europawahlen im Jahr 2014 als entscheidenden Punkt für dieses Vorhaben. Als erste schnelle Maßnahme sollen die Parteien direkte Kandidaten für den Präsidenten der Kommission aufstellen können.

Wie konkret eine stärkere Demokratisierung aussehen könne, sagte Barroso nicht. Am liebsten wäre es ihm, wenn die nationalen Parteien über die Grenzen hinweg mehr kommunizieren würden und verstärkt europäische Themen behandeln würden.  Barroso fordert eine breitere europäische Debatte und europäische Denker, welche die Union vorantreiben sollen.

Es solle kein Staat gezwungen werden, in eine stärker integrierte EU mitzugehen. Jedoch dürfte nicht der langsamste oder widerwilligste Akteur bestimmen, wie schnell die Schaffung der vereinigten Staaten von Europa voranschreitet, meinte Barroso.

Der Kommissionpräsident sieht drei Schritte auf dem Weg zu einer stärkeren EU: „Als Erstes sollten wir alles in unseren Kräften stehende dafür tun, den Euroraum zu stabilisieren und das Wachstum in der gesamten EU anzukurbeln“, fordert Barroso. Darauf könnte die Schaffung einer „echte Wirtschafts- und Währungsunion mit den erforderlichen politischen Instrumenten“ erfolgen. Entsprechende Pläne kündigte der Kommissionspräsident noch für diesen herbst an.

An dritter Stelle Barrosos Fahrplans in einen europäischen Superstaat steht schließlich die umstrittene Änderung der Verträge über die EU: „Am Endes dieses Wegs zu einem Bund der Nationalstaaten wird ein neuer Vertrag stehen müssen. Ich sage das nicht leichten Herzens. Uns allen ist bewusst, wie schwierig es geworden ist, die Verträge zu ändern“, sagte Barroso.

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Trump spricht mit Putin – doch der Frieden in der Ukraine bleibt Illusion
05.06.2025

Putin droht offen mit Vergeltung, Trump schweigt dazu – und der Papst bittet um Gnade. Inmitten von strategischen Bombern,...

DWN
Politik
Politik Hitzeschutzplan für Sporttreibende: Das Gesundheitsrisiko soll gemindert werden
05.06.2025

Durch die Klimakrise wird es in Deutschland immer heißer. Gerade für Sporttreibende kann das im Sommer zur Gefahr werden: Mit ihrem neuen...

DWN
Politik
Politik EU-Kommission startet Defizitverfahren gegen Österreich
05.06.2025

Österreich steht wegen seiner hohen Neuverschuldung unter Druck. Die EU-Kommission will ein Defizitverfahren einleiten – und könnte...

DWN
Finanzen
Finanzen Steuerentlastungen: Bundesregierung will Investitionen ankurbeln
05.06.2025

Steuerliche Anreize sollen die deutsche Wirtschaft aus der Flaute holen. Die Bundesregierung setzt auf Abschreibungsmöglichkeiten und eine...

DWN
Politik
Politik Showdown in Washington: Merz trifft Trump – Annäherung oder Abrechnung?
04.06.2025

Bundeskanzler Friedrich Merz reist nach Washington, um Donald Trump die Hand zu reichen – doch der Empfang dürfte frostig werden....

DWN
Politik
Politik Bulgarien bekommt den Euro - nicht alle freuen sich darüber
04.06.2025

Die EU-Kommission macht den Weg frei: Bulgarien darf 2026 den Euro einführen. Doch im Land regt sich massiver Widerstand. Während...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell auf Rekordkurs: Doch deutsche Anleger bleiben zurückhaltend – die Gründe
04.06.2025

Der Goldpreis steigt erneut auf ein beeindruckendes Niveau – doch die deutsche Nachfrage sinkt. Was steckt hinter dieser paradoxen...

DWN
Politik
Politik Zinswende mit Risiko – Steuert Lagarde Europa in die Deflation?
04.06.2025

Christine Lagarde will am Donnerstag erneut die Zinsen senken – trotz globaler Unsicherheiten, Handelskonflikten und überraschend...