Politik

Strom-Konzerne wollen Steuerzahlern den Atom-Müll vor die Füsse kippen

Die großen Stromkonzerne könnten zum Ende der Atomkraft in Deutschland noch einmal eine Milliarden-Stinkbombe beim Steuerzahler deponieren: Mit einigen kleinen Tricks könnten die AKW-Betreiber ihre Kraftwerke in die Insolvenz laufen lassen. Dann muss der Steuerzahler für die Entsorgung des Atom-Mülls aufkommen. Ein Fiasko droht.
14.11.2013 16:46
Lesezeit: 2 min

Union und SPD trauen den Atomkonzernen nicht mehr über den Weg. Sie wollen „zur Sicherstellung der Finanzierung der nuklearen Entsorgung einen öffentlich-rechtlicher Fonds“ einrichten, heißt es im Papier der Koalitionsarbeitsgruppe Umwelt. Reuters berichtet, dass in dem Papier steht: „Wir erwarten von den Kernkraftwerksbetreibern ihre Mitwirkung an der Energiewende und die Wahrnehmung ihrer Verantwortung für die geordnete Beendigung der Kernenergienutzung.“

Die Regierung hält es offenkundig für denkbar, dass die Stromkonzerne den Steuerzahler zum Abschied aus der Atomkraft austricksen und Deutschland den gesamten Atommüll zur Entsorgung vor die Füsse kippen.

Hinter der Idee eines Fonds verbirgt sich nämlich die Furcht, dass die vier Atomkonzerne in Deutschland nicht ausreichend für die Kosten des Abrisses der Meiler und der Endlagerung von Atommüll vorgesorgt haben. Sie könnten daher gezwungen werden, in diesen unter politischer Kontrolle stehenden Fonds einzuzahlen. Die Atompolitik wird nicht in der Energie-Arbeitsgruppe, sondern bei den Umweltpolitikern verhandelt.

Zwar haben E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW Rückstellungen von über 30 Milliarden Euro gebildet, doch diese gelte nicht als insolvenzsicher. Im Falle einer Pleite eines der Konzerne müsste daher der Steuerzahler einspringen. Im Zuge der Energiewende und des wachsenden Ökostromanteils stehen die vier Unternehmen unter großem Druck und sind zudem hoch verschuldet.

Die Rückstellungen sind derzeit vor allem wieder im Kraftwerkspark eingesetzt und sollen so Zinsen erwirtschaften. Würden die Firmen aber gezwungen, die kompletten Rückstellungen oder einen Teil davon in den Fonds zu leiten, kämen sie wirtschaftlich erheblich zusätzlich unter Druck. Ratingagenturen würden nach Einschätzung aus Industriekreisen die Kreditwürdigkeit allein wegen der Androhung des Fonds unter die Lupe nehmen.

Die Unternehmen hatten im Zuge des Atomausstiegsbeschlusses ihre Rückstellungen bereits kräftig erhöht, da mit dem Abriss der AKW nach der Abschaltung des letzten Meilers 2022 deutlich früher begonnen werden muss als zuvor geplant. Im Jahr 2022 könnten aber auch die Konzerne ihre Zahlungspflicht für ihre Kraftwerkstöchter auslaufen lassen. Dies gilt als Problem, wenn sich nachträglich herausstellt, dass mehr Geld für die Entsorgung nötig ist. Bislang gibt es nur wenige Erfahrungen mit dem Abriss großer Kraftwerksblöcke und der Endlagerung des Mülls.

Die Grünen hatten daher schon seit Längerem einen solchen öffentlich-rechtlichen Fonds gefordert. Nach einer Studie des Forums Ökologisch Soziale Marktwirtschaft (FÖS) könnte rechtlich zumindest der Teil der Rückstellungen in den Fonds fließen, der für die Endlagerung des Mülls vorgesehen ist, ohne dass dies ein rechtlich fragwürdiger, rückwirkender Eingriff in Eigentumsrechte wäre.

Den AKW-Betreibern droht allerdings noch mehr Druck von Seiten einer neuen Koalition: So fordert die SPD die Erhöhung der Kernbrennstoffsteuer um 30 Prozent, wie es in dem Papier heißt. Zudem solle die Befristung der Steuer bis 2016 entfallen. E.ON etwa hatte darauf hingewiesen, dass die Steuer schon jetzt die Meiler an den Rand der Unwirtschaftlichkeit dränge. Die Union will - anders als die Fonds-Idee - diesen Vorschlag aber nicht mittragen. Dies gilt auch für das von den Sozialdemokraten geforderte Ende der staatlichen Bürgschaften für den Bau von Atomkraftwerken im Ausland.

Gut möglich, dass die Atomenergie bei so vielen Konflikten versuchen könnte, das ganze Desaster der Entsorgung des Atom-Mülls auf den Steuerzahler abzuwälzen.

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