Politik

Europas nächster Patient: Frankreich vor wirtschaftlichem Abgrund

Frankreich steht vor schwerwiegenden Problemen: geringes Wachstum, steigendes Haushalts-Defizit, Rekord-Arbeitslosigkeit. Der französische Industrie-Minister hat nun als Ausweg eine Abwertung des Euro vorgeschlagen. Dies zahlen die Bürger mit Einschnitten bei Löhnen und Ersparnissen.
14.02.2014 00:27
Lesezeit: 2 min

Frankreichs Wirtschaft kommt nicht auf die Beine. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte im ersten Quartal lediglich um 0,2 Prozent zulegen, sagte die französische Notenbank am Montag in Paris voraus. Im dritten Quartal 2013 war die Wirtschaft in Europas zweitgrößter Volkswirtschaft sogar leicht geschrumpft.

Der Industrie-Produktion von Deutschlands wichtigstem Handelspartner ging zuletzt ebenfalls zurück. Im Dezember stellten die französischen Unternehmen 0,3 Prozent weniger her als im Vormonat. Besonders Hersteller von Lebensmitteln und Raffinerien traten auf die Bremse. Bereits Anfang des Jahres sorgte zudem ein schwacher Einkaufsmanager-Index (PMI) in Frankreich für Beunruhigung. Dieser lag weit hinter den Werten der wirtschaftlich vergleichbaren Länder Deutschland, Italien und Spanien zurück. Mit 47 Punkten befand er sich auf dem niedrigsten Stand seit sieben Monaten und 5,7 Punkte unter dem Durchschnitt der Euro-Staaten (mehr hier).

Zudem musste Präsident Hollande erst kürzlich bekannt geben, dass die Regierung das Defizitziel von 4,1 Prozent verfehlt habe (hier).

Auch die Arbeitslosigkeit im Land ist mit 10,9 Prozent so hoch wie seit 1997 nicht mehr (hier). Hollande versuchte bisher erfolglos mit höheren Steuern gegen die wirtschaftliche Misere anzukämpfen. Stattdessen scheint er die Wirtschaft damit endgültig abzuwürgen und sich den Unmut der Bevölkerung zu zuziehen. Die Stimmung im Land sinkt rapide, was sich auch an den massiven Protesten gegen die Steuer- und Familienpolitik zeigt (hier  und hier).

Doch statt ernsthafte Reformen in Angriff zu nehmen, will Frankreich seine Probleme nun über eine Abwertung des Euro lösen. Diesen Schritt schlug der französische Industrieminister Arnold Montebourg in einem Interview mit Les Echos vor. Angesicht der Tatsache, dass sich der Euro gegenüber dem Dollar (+10%) und dem Yen (+40%) in den vergangenen beiden Jahren deutlich verteuert habe, forderte er die Mitgliedsstaaten zu einem entschiedenen Handeln auf.

Damit fordert Montebourg ganz offen, dass die EU in einen Währungskrieg mit den USA und Japan eintritt. Frankreich würde von einem billigen Euro profitieren, weil dadurch die Exporte angekurbelt würden und die Schulden von Europas zweitgrößter Volkswirtschaft günstiger zu bedienen wären. Allerdings ginge dieser Schritt massive auf Kosten der Real-Löhne und Ersparnisse der EU-Bürger, die dadurch schleichend enteignet werden.

Die Reaktionen aus Deutschland fielen verhalten aus. Der Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält wenig von einer Abwertung des Euro.

„Für die deutsche Wirtschaft ist ein starker und stabiler Euro wichtig“, sagte Fratzscher zur Bild-Zeitung. Er sieht in der Forderung Frankreich ein Ablenkungsmanöver von den tatsächlichen Problemen des Landes. „Frankreich muss die strukturellen Schwächen und nötigen Arbeitsmarktreformen anpacken“, so Fratzscher.

Hollande hatte angekündigt, die Sozialausgaben um 30 Milliarden Euro senken zu wollen. Daher gibt es in Frankreich die Überlegung, den Arbeitsmarkt nach deutschem Vorbild zu reformieren und dabei auf die Hilfe von Peter Hartz zurückzugreifen (hier).

Der Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, kam zu einer ähnlichen Einschätzung wie der DIW-Chef Fratzscher.

„Frankreich muss seine Probleme durch Reformen lösen. Der Euro ist aus deutscher Sicht zu billig“, sagte Sinn der Bild-Zeitung. „Eine Abwertung würde in Deutschland zu einer steigenden Inflation führen. Der Handelsüberschuss würde sich zudem weiter erhöhen.“, so Sinn.

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