Der Druck auf Uli Hoeneß nimmt zu. Im Prozess gegen den Präsidenten des FC Bayern bezifferte die Steuerfahndung die Steuerschuld des 62-Jährigen am Dienstag vor dem Landgericht München auf insgesamt 27,2 Millionen Euro. Der Großteil davon ergebe sich aus neuesten Daten über die millionenschweren Devisengeschäfte. Die Staatsanwaltschaft hatte Hoeneß lediglich wegen 3,5 Millionen Euro hinterzogenen Steuern angeklagt. Da die Hauptverhandlung läuft, schützt es ihn nicht, dass die Strafverfolger zunächst nicht die gesamte Summe aufdeckten. Der Ex-Fußballprofi selbst hatte am Montag überraschend eingeräumt, insgesamt 18,5 Millionen Euro nicht gezahlt zu haben.
Die Staatsanwaltschaft wollte Hoeneß zunächst "nur" wegen 3,5 Millionen anklagen.
Einen Tat später sind offenkundig weitere knapp 10 Millionen dazugekommen.
Hoeneß türmte einer Rosenheimer Steuerfahnderin zufolge in den Jahren bis 2005 mit seinen Devisenspekulationen ein gewaltiges Vermögen auf. Der Saldo seiner Konten bei der Schweizer Bank Vontobel habe zeitweise mehr als 150 Millionen Euro betragen, erklärte die Beamtin. In manchen Jahren habe der Gewinn mehr als 30 Millionen Euro betragen. Allerdings verließ ihn das Glück wieder: Bis 2010 verlor er seine Gewinne wieder. Richter Rupert Heindl ließ durchblicken, dass er auch diesen Trend beachten will. "Da sind Verlustvorträge zu berücksichtigen, die in diesem Leben nicht mehr zur Anwendung kommen", sagte er.
Für Aufregung sorgte die Steuerfahnderin mit einem Detail: Eine Datei auf einem USB-Stick, den sie erst im Februar von Hoeneß' Anwälten erhalten habe, sei bereits vor gut einem Jahr kurz nach dessen Selbstanzeige erstellt worden. Dies sei von EDV-Experten ihres Hauses ermittelt worden, erklärte sie im Zeugenstand. Die Kammer lud für Mittwoch den Spezialisten der Steuerfahndung vor.
Während die Beamtin akribisch seine Jahreseinkommen und hinterzogenen Kapitalertragssteuern aufzählte, schaute Hoeneß die 45-Jährige noch mit gerötetem Kopf und zusammengepressten Lippen an. Als sie nach detailreichen Auskünften über den Datenstick schließlich am Richtertisch vorrechnete, auf welche Steuerschuld sie durch die Devisengeschäfte kommt, war Hoeneß das Entsetzen anzusehen.
Der Fußballmanager und Unternehmer hatte sich am Montag reumütig gezeigt und beteuert, er wolle zur vollen Steuerehrlichkeit zurückkehren. Am zweiten Verhandlungstag schwieg er. Der Prozess war ursprünglich auf vier Verhandlungstage angesetzt. Angesichts der immer komplexeren Sachlage wird aber damit gerechnet, dass Richter Heindl weitere Termine plant. Für Mittwoch ließ er auch den für Hoeneß zuständigen Betriebsprüfer als Zeugen laden.
Offen ist, ob Hoeneß seine Vergehen rechtzeitig und umfassend beim Finanzamt anzeigte, so dass er eine Haftstrafe abwenden kann. Auf Steuerhinterziehung stehen bis zu fünf Jahre Haft, in besonders schweren Fällen zehn Jahre. Der Bayern-Präsident beruft sich darauf, dass das Gesetz Steuerhinterziehern bei einer Selbstanzeige Straffreiheit gewährt.
Aus der Politik wurden unterdessen Rufe nach einem Rücktritt des Sportfunktionärs Hoeneß laut. "Spätestens jetzt ist es Zeit, sein öffentliches Amt beim FC Bayern München niederzulegen", sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der "Neuen Osnabrücker Zeitung". SPD-Finanzpolitiker Joachim Poß forderte: "Wenn Hoeneß den Anstand hätte, den er für sich reklamiert, müsste er jetzt gehen."
Fans des FC Bayern stärkten ihrem Idol auch am zweiten Verhandlungstag den Rücken. Sie verweisen auf die jahrzehntelangen Verdienste des Ex-Fußballers und Weltmeisters von 1974. Im Gerichtssaal trugen Hoeneß-Unterstützer Fanschals des FC Bayern und T-Shirts mit der Aufschrift "Mia san Uli".
Sie befanden sich allerdings deutlich in der Minderheit.