Weil alle EU-Staaten handfeste wirtschaftliche Interessen in Russland haben, lehnen die meisten Staaten wirklich harte Sanktionen wegen der Krim-Krise ab.
Der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka lehnt in der Krim-Krise Wirtschaftssanktionen gegen Russland ab. "Wirtschaftliche Sanktionen halten wir nicht für den geeigneten Weg", sagte Sobotka dem Handelsblatt. Sein Land wolle eine diplomatische und politische Lösung des Konflikts.
Zugleich warnte der tschechische Regierungschef Europa vor übertriebener Nervosität angesichts der Entwicklung um die Halbinsel Krim. "Keinesfalls darf Europa hysterisch vorgehen", mahnte er. Vielmehr müssen die Europäer "einheitlich, ruhig, konsequent und gründlich" auf die Krise reagieren. Auf der Krim hatte sich die Bevölkerung am Sonntag in einer vom Westen als unrechtmäßig betrachteten Volksabstimmung mit großer Mehrheit für den Anschluss an Russland ausgesprochen.
Sobotka unterstrich, sein Land sei zusammen mit den EU-Partnern der Ansicht, dass das Referendum gesetzwidrig sei und der ukrainischen Verfassung widerspreche. Die einzige Lösung könne nur sein, dass Russland sich an den Verhandlungstisch setze.
Auch Österreich hat wenig Lust auf einen Parforce-Ritt gegen Russland: Die Chefs großer russischer Energiekonzerne dürften nach Einschätzung Österreichs nicht von den geplanten EU-Sanktionen gegen Russland betroffen sein. "Davon ist derzeit nicht auszugehen", sagte Außenminister Sebastian Kurz am Montag im ORF-Radio. Zuvor hatte die "Bild"-Zeitung berichtet, die Sanktionen würden auch Gazprom -Chef Alexej Miller und Rosneft -Chef Igor Setschin betreffen. "Es geht darum, ein Zeichen zu setzen. Aber wahllos Wirtschaftsbosse auszuwählen, wäre ein falscher Schritt", sagte Kurz.
Die EU-Außenminister arbeiten derzeit an einer Sanktionsliste gegen russische Entscheidungsträger, die die Abspaltung der Halbinsel Krim von der Ukraine vorantreiben. Am Sonntag hatten sich in einer umstrittenen Volksabstimmung mehr als 96 Prozent der Wähler für einen Anschluss der ukrainischen Krim an Russland ausgesprochen. Der Westen stuft die Abstimmung jedoch als völkerrechtswidrig ein und erkennt das Ergebnis nicht an.
Welche Namen auf der Liste stünden, sei noch offen, sagte Kurz. "Wir sind der Meinung, dass es Sinn macht, Personen aus dem politischen und militärischen Bereich auszuwählen."
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier fordert Russland auf, umgehend eine Beobachtermission in der Ukraine zuzulassen. Dies müsse in den nächsten Tagen geschehen, nicht erst in Wochen oder Monaten. Der Schwerpunkt der Mission solle im Osten und Süden der Ukraine liegen, sagt Steinmeier vor Beratungen mit seinen EU-Amtskollegen in Brüssel. Auch der Osteuropa-Beauftragte der Bundesregierung, Gernot Erler, sagte im DLF, dass es vorerst keine massiven Sanktionen geben werde. Damit liegt die Große Koalition auf dem Kurs der Diplomatie zwischen Putin und Obama. Beide haben am Sonntag erste Anzeichen erkennen lassen, die Krim-Krise politisch lösen zu wollen.
Das Modell könnte so aussehen: Der Westen verzichtet auf die Krim, die Russen erheben keine weiteren Ansprüche gegen die Ost-Ukraine. (mehr dazu hier). Die größte Schwierigkeit für den Westen und für Russland besteht nun darin, den Übergang einigermaßen friedlich über die Bühne zu bringen. Der Präsident des Krim-Parlaments, Wladimir Konstantinow, teilte am Montag mit, die ukrainischen Militäreinheiten in der Krim-Region würden nach dem Volksentscheid aufgelöst. Solche Maßnahmen bergen naturgemäß erheblichen Sprengstoff. Doch gerade nach dem Referendum haben die Russen kein Interesse, dass die Lage auf der Krim eskaliert - sie sehen es ja jetzt als ihr Land an.
Selbst die Hardliner in Brüssel sprechen zwischen den Zeilen nicht mehr davon, jetzt gravierende Schritte zu ergreifen: EU-Energiekommissar Günther Oettinger hat sich für wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland nur für den Fall ausgesprochen, dass der Konflikt um die Ukraine eskaliert. Und die EU-Präsidenten Barroso und Van Rompuy beließen es am Sonntag bei einer Ablehnung des Referendums auf der Krim.