Auch nach seiner Verurteilung saß Uli Hoeneß bei Bayern-Spielen sitzt auf der VIP-Tribüne. Am Dienstag beim blamablen 0:4 hatte der wegen Steuerhinterziehung verurteilte Ex-Präsident vermutlich mehrmals Sehnsucht nach einer abgeschiedenen Zelle.
Er kann diese nun früher als geplant beziehen: Ursprünglich wollte Hoeneß noch das Champions League Finale in Lissabon miterleben. Dieses dürfte ihn nun weniger interessieren.
Acht Quadratmeter. Exakt so groß wird die Zelle von Uli Hoeneß im Gefängnis in Landsberg am Lech sein. Das Fußballtor ist mehr als doppelt so groß. Die ersten beiden Wochen nach dem Haftantritt wird er noch gemeinsam mit einem anderen Häftling in einem etwas größeren Raum verbringen - "aus medizinischen Gründen", wie es der stellvertretende Anstaltschef Harald Eichinger nennt. Doch dann wird sich die schwere Stahltür hinter der kleineren Einzelzelle schließen. Über der Tür steht die Nummer des Haftraums, auf dem kleinen Schild daneben Wörter wie "Metzgerei", "Küche", "Friseur". Es sind die Bereiche, in denen die Häftlinge innerhalb des Gefängnisses arbeiten. Namen stehen dort nicht, nicht einmal Nummern.
Einige Monate wird der zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilte Steuerhinterzieher aller Voraussicht nach dort verbringen müssen. Aussicht auf Freigang schon nach kurzer Zeit besteht in Bayern nicht. "Jeder kommt erstmal in den geschlossenen Vollzug", sagt Frank Arloth, Herr über die Justizvollzugsanstalten im Freistaat. Für den Ex-Präsidenten des FC Bayern werden in den kommenden Jahren daher zwei Menschen sehr wichtig. Sie heißen Monika Groß und Franz Röck und kennen den Ex-Fußballmanager nur aus dem Fernsehen. Groß ist die Chefin der JVA Landsberg, Röck der Vollzugsleiter dort. Sie werden mitentscheiden, wann Hoeneß erstmals zumindest für ein paar Stunden die gut hundert Jahre alten Mauern verlassen wird. Wann er Urlaub bekommt, wann er Freigänger wird. Oder ob ihm verboten wird, frisches Obst zu kaufen, ob ihm die Schließer den Fernseher wegnehmen, ob sie ihm Besuch verweigern oder ihn gar in die finstere Arrestzelle werfen.
Die JVA Landsberg ist voll von Regeln. Alles ist streng geplant. Verstöße werden disziplinarisch geahndet - so steht es auf Dutzenden Schildern. Verboten sind: Unterhemden im Speisesaal, TV-Geräte und Sportkleidung abseits der genehmigten Modelle, Parkas und Taschen in der Bibliothek, Badelatschen außerhalb der Duschen, das Betreten einiger Treppenhäuser, Handys und Computer sowieso.
Die Verurteilung von Hoeneß wegen der Hinterziehung von fast 30 Millionen Euro Steuern rückt schlaglichtartig die geschichtsträchtige JVA Landsberg ins Medieninteresse. Fast 160 Journalisten drängen sich am Montag im ersten Hof der Haftanstalt. Sie dürfen Kameras, Mikrofone und allerhand Ausrüstung mitnehmen. Draußen bleiben allerdings Smartphones und vor allem Autoschlüssel. Die Justiz geht auf Nummer sicher.
Der Weg zur Südpforte bietet den Besuchern noch vor Beginn einen historischen Schauer. Gleich neben den fahlgrauen Mauern des Gefängnisses steht die kleine, uralte Ulrichskapelle, umgeben von etwa hundert gleichförmigen Holzkreuzen. Sie tragen keine Namen. Dort wurden einst die Kriegsverbrecher begraben, die nach 1945 in Landsberg von den Amerikanern hingerichtet wurden. Die Amerikaner lösten auch gleich nach ihrem Einmarsch in der Stadt am Lech jene Zelle auf, in der Adolf Hitler seine Festungshaft nach dem Putschversuch 1923 absaß. Heute lässt in dem Bereich ein Unternehmen von den Häftlingen etwas produzieren. Was, dass will Gefängnischefin Groß nicht sagen, um den Ort nicht öffentlich zu kennzeichnen.
Wenn Hoeneß dann seine acht Quadratmeter große Zelle betritt, erwartet ihn dort die gleiche Einrichtung wie die Drogenhändler, Diebe, Mörder und Sexualverbrecher, die dort ihre Strafe absitzen. Ein Bett, ein Stuhl, ein Schrank, eine Toilette, eine TV-Konsole, ein Notrufknopf, ein Tisch - und auf dem liegt die Hausordnung der JVA, angefüllt mit Verboten. "Bei uns gibt es keine Exklusivklasse", sagt Vollzugschef Röck. Alle Einzelzellen seien gleich. Als persönliches Eigentum bleibt Hoeneß sein Ehering, eine Armbanduhr, ein Schmuckstück besonderer persönlicher Bedeutung, einige Fotos und sonst nichts. Die Zellen, die die Justiz den Besuchern zeigt, weisen nur Spuren von Individualität auf. Während in einer Pin-up-Bilder an der Wand hängen, liegt in einer anderen der Koran auf dem Kopfkissen.
Verglichen mit anderen Gefängnissen gehe es in Landsberg harmonisch zu, sagt Vollzugschef Röck. "Wir haben hier ein sehr entspanntes Klima." Aber auf dem Hof, wo die Gefangenen rund zwei Stunden am Tag verbringen können, wird sichtbar, dass nicht alles traute Eintracht ist. Offene Konservendosen und halbe Laibe Brot liegen herum, aus den Fenstern der Zellen geworfen. Gewalt und Übergriffe auf die Justizbeamten hatten sich im vergangenen Jahr gehäuft, Anstaltschefin Groß drohte mit schärferen Sicherheitsvorkehrungen. Die "Gefangenen-Mitverantwortung" wandte sich mit einem Brandbrief an die gut 420 Häftlinge im geschlossenen Vollzug. Seither sei es wieder friedlicher geworden, sagt Groß.
Für Hoeneß wird es darum gehen, sich eine Arbeit auszusuchen. Nach dem Gesetz ist er zur Arbeit verpflichtet. Die Möglichkeiten sind vielfältig, es gibt eine Autowerkstatt, eine Schlosserei, eine Druckerei, Verwaltungsaufgaben innerhalb des Gefängnisses. Auf 17 Eigenbetriebe bringt es die JVA Landsberg, acht Unternehmen lassen zusätzlich dort fertigen. Als Sportcoach aufzutreten, bleibt Hoeneß indes verwehrt. Das ist allein den Sportbeamten vorbehalten, die mehrere Fußballmannschaften, Volleyballer und Kraftsportler betreuen. Der Arbeitstag beginnt um 07.00 Uhr und endet spätestens um 15.30 Uhr. Wer nicht arbeitet, bleibt in seiner Zelle, nur unterbrochen von einer Mittagspause.
In der JVA ist nicht von Mittagessen oder Mahlzeit die Rede, sondern von Kost. Und die Kost ist schlicht. Zum Frühstück gibt es Malzkaffe mit Roggenbrot, ein paarmal die Woche Marmelade. Kurz nachdem die Journalisten den Speisesaal besichtigt haben, verspeisen dort die Häftlinge Schinkennudeln mit Salat. Wer sich eine zweite Portion erschwindelt, muss mit Sanktionen rechnen. Unter der spärlichen Verpflegung in bayerischen Gefängnissen litt schon der wegen Bestechung verurteilte Ex-BayernLB-Banker Gerhard Gribkowsky, dem nach zwei Jahren Untersuchungshaft die Anzüge am Leib schlotterten und der mit dem Segen des Richters während der Verhandlungstage von den Anwälten mitgebrachte Butterbrezen verschlang.
Der Freistaat achtet auf die Kosten. Jeder der gegenwärtig 11.000 Strafgefangenen fällt dem Steuerzahler mit 98,80 Euro täglich zur Last. Die Gefängnisbetriebe sollen die Kosten mildern. Die Beschäftigten werden dort entlohnt, wenn auch deutlich unter dem Mindestlohn. Im Mittel bekommen sie 11,94 Euro am Tag, sagt der stellvertretende Gefängnischef Eichinger. Für Hoeneß, der mit dreistelligen Millionenbeträgen spekulierte, ist das praktisch nichts. Allerdings: "Diese 11,94 Euro sind steuerfrei", sagt Eichinger.