Unternehmen

Kein gutes Geschäft: Fußball-WM schadet Brasiliens Mittelstand

Lesezeit: 2 min
19.06.2014 00:44
Die Regierung von Dilma Rousseff hatte eine zu optimistische Prognose abgegeben. Brasiliens Wirtschaft würde unterm Strich von der WM profitieren. Versprochener Überschuss: mindestens 13,1 Milliarden Euro. Stattdessen kostet das Mega-Event der brasilianischen Wirtschaft Milliarden.
Kein gutes Geschäft: Fußball-WM schadet Brasiliens Mittelstand

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

„Dieses Fifa-Turnier ist ein globales Schaufenster für Brasilien. Die ideale Plattform für Geschäfte aller Art! Die brasilianische Wirtschaft wird das zu nutzen wissen“, sagt Ricardo Santana, Direktor der brasilianischen Außenhandelsagentur Apex-Brasil.

Brasiliens größte und einflussreichste Tageszeitung „Folha de São Paulo“ hat jetzt erstmals große Zweifel an den optimistischen Prognosen geäußert: „Der Überschuss wird wahrscheinlich viel geringer ausfallen. Die Regierung geht von einer viel zu positiven Entwicklung aus: Im Tourismusbereich etwa geht man davon aus, dass ab 2015 jährlich drei Millionen Menschen mehr Brasilien besuchen werden, als bisher. Ob das wirklich passieren wird, ist aber mehr als fraglich“.

Ein Blick auf die Erfahrung früherer WM-Ausrichter untermauert die Skepsis: Die USA hatten 1994 mit einem Überschuss von 9,5 Milliarden Euro gerechnet. Unterm Strich wurden es aber – optimistisch geschätzt – nur 3 Milliarden. Japan und Korea, die die WM 2002 gemeinsam ausrichteten, rechneten damals mit einem Gewinn von fast 20 Milliarden Euro. Es wurden aber 7 Milliarden weniger.

Die brasilianische Presse zitiert eine Analyse der brasilianischen Großbank „Banco Itaú“, der zufolge die Fußball-WM zwar für einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts in 2014 sorgen könnte, dieser Anstieg würde aber bescheiden ausfallen: höchstens ein Prozent.

Einige Wirtschaftsbereiche würden sogar kurzfristig unter dem Mega-Event leiden: Viele Einzelhandelsgeschäfte in den zwölf Ausrichterstädten klagen über Umsatzrückgänge in der Höhe von insgesamt 9,9 Milliarden Euro, vor allem wegen der Verordnung von Feiertagen an den Spielterminen.

Der Verband der brasilianischen Maschinen- und Anlagenbauindustrie schlägt ebenfalls Alarm: Die im vergangenen Jahr verzeichneten Gewinne im Zuge des Baus von Infrastrukturen für die WM entpuppten sich als Strohfeuer. Die Umsätze zwischen Januar und April 2014 seien im Vergleich zum Vorjahr um 10,7 Prozent zurückgegangen.

Der Hotelverband von São Paulo klagt über einen unerwartet hohen Anstieg der Stornierungen. Die Außenhandelsagentur APEX hatte – unter Mitwirkung der Fifa – über 800 Seminare, Foren und Kongresse für brasilianische und ausländische Geschäftsleute organisiert und bezuschusst. Die Anmeldungen sind aber hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Schlimmer: Viele der Anmeldungen wurden storniert. Folge: Einige Hotels von São Paulo klagen über sogar über Gewinnrückgänge im Vergleich zum Vorjahr.

Das andere Tagebuch:

Teil 1: Die Revolution hat in Brasilien Feuer gefangen

Teil 2: Brasilien: Künstler protestieren gegen die Fußball-WM

Teil 3: Brasilien: Von der Fußball-WM profitieren Konzerne, Politiker und Banken

Teil 4: Weltmeister: Deutsche Waffen-Industrie verdient prächtig mit der Fußball-WM

Teil 5: Brasilien: Staudamm-Bau mit Methoden einer Militär-Diktatur

Teil 6: Wer ist die rätselhafte Dilma Rouseff?

Teil 7: Brasilien: Straßenkinder passen nicht ins Bild der WM – und verschwinden

Teil 8: Der ganz andere WM-Song:  „Öffnet eure Augen, Brüder / die FIFA greift in unsere Taschen“

Teil 9: Brasilien: Fifa unterstützt Projekte gegen Kinderprostitution nicht

Teil 10: Lage in São Paulo eskaliert: Polzei knüppelt streikende U-Bahn-Fahrer nieder

Teil 11: Der Schwarze Block will marschieren: „20 Prozent der Brasilianer sind gegen die WM“

Teil 12: Korruption bei der Fifa: „Wer einmal die Hand aufhält, versucht es auch ein zweites Mal“

Teil 13: Brasilianischer Fußball: Der lange Weg zur Vielfalt der Kulturen

Teil 14: Fußball: „Für die Brasilianer ist die Fifa so böse wie der IWF“

Teil 15: Schriftsteller Zé do Rock: „Sepp Blatter wäre der ideale Präsident für Brasilien“

Teil 16: „Die Demonstranten haben das Image von Brasilien verändert“

Teil 17: Das Foto, das den Zorn der Brasilianer auf die Fußball-WM entfacht hat

 


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Technologie
Technologie Petrochemie: Rettungsleine der Ölindustrie - und Dorn im Auge von Umweltschützern
24.04.2024

Auf den ersten Blick sieht die Zukunft des Erdölmarktes nicht rosig aus, angesichts der Abkehr von fossilen Treibstoffen wie Benzin und...

DWN
Politik
Politik Sunaks Antrittsbesuch bei Kanzler Scholz - strategische Partnerschaft in Krisenzeiten
24.04.2024

Rishi Sunak besucht erstmals Berlin. Bundeskanzler Scholz empfängt den britischen Premierminister mit militärischen Ehren. Im Fokus...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank-Präsident: Zinssenkungspfad unklar, digitaler Euro erstrebenswert
24.04.2024

Spannende Aussagen von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel: Ihm zufolge wird die EZB nach einer ersten Zinssenkung nicht unbedingt weitere...

DWN
Technologie
Technologie Habeck sieht großes Potenzial in umstrittener CO2-Einlagerung
24.04.2024

Die Technologie "Carbon Capture and Storage" (CO2-Abscheidung und -Speicherung) ist in Deutschland ein umstrittenes Thema. Inzwischen gibt...

DWN
Politik
Politik Chinesische Spionage: Verfassungsschutz mahnt Unternehmen zu mehr Vorsicht
24.04.2024

Der Verfassungsschutz warnt vor Wirtschaftsspionage und Einflussnahme aus China. Vor allem für deutsche Unternehmen wäre eine naive...

DWN
Panorama
Panorama Fahrraddiebe nehmen vermehrt teure E-Bikes und Rennräder ins Visier
24.04.2024

Teure E-Bikes und Rennräder sind seit Jahren immer häufiger auf den Straßen zu sehen - die Anzahl von Diebstählen und die...

DWN
Technologie
Technologie KI-Hype in Deutschland: Welle von neuen Startups formiert sich
24.04.2024

Obwohl die Finanzierung von Jungfirmen allgemein ins Stocken geraten ist, werden in Deutschland gerade unzählige KI-Startups gegründet....

DWN
Politik
Politik USA kündigen massive Waffenlieferungen in die Ukraine an - Selenskyj äußert Dank
24.04.2024

Der US-Kongress hat die milliardenschweren Ukraine-Hilfen gebilligt. Jetzt könnte es laut Pentagon bei der ersten Lieferung sehr schnell...