Finanzen

EZB-Geldschwemme: Nur die Banken in Südeuropa holen sich Liquidität

Die EZB hat erstaunlich wenig billiges Geld unter die Banken gebracht: Der jüngste Tender wurde vor allem von den Banken in Südeuropa genutzt - allen voran Mario Draghis Heimatland Italien. Der Grund: Die Banken warten darauf, dass ihnen die EZB - und damit der europäische Steuerzahler - die faulen Kredite in Form von ABS abnimmt. Das ist wesentlich billiger für die Banken und sie sind unangenehme Risiken mit einem Schlag los.
19.09.2014 01:27
Lesezeit: 2 min

Am Donnerstag gab die EZB bekannt, dass in einer ersten Tranche 82,3 Milliarden Euro an die Banken zu einem Zinssatz von 0,15 Prozent zur Verfügung stellt.

Einen zweiten Tender wird es im Dezember geben. Die EZB bietet im Rahmen der insgesamt acht T-LTRO Operationen (Targeted Long Term Refinancing Operation) bis zu 400 Milliarden Euro an günstiger Liquidität an. Damit sollen die Kreditgeber dazu ermutigt werden, ihrerseits Kleinunternehmer mit Krediten zu fördern und die Inflation in der Eurozone anzukurbeln.

Die Banken haben sich bei der ersten von mehreren neuen EZB-Finanzspritzen jedoch unerwartet wenig Geld beschafft. 255 Institute sicherten sich zusammen die relativ niedrige Summe von 82,6 Milliarden Euro. Von Reuters befragte Volkswirte hatten damit gerechnet, dass rund 130 Milliarden Euro abgerufen werden. Die EZB hatte bereits im Juni beschlossen, das Finanzsystem bis Mitte 2016 mit mehreren neuen Finanzspritzen zu fluten - die nächste will sie Mitte Dezember auflegen.

Die Notenbank will so die stockende Kreditvergabe in weiten Teilen der Währungsunion ankurbeln und zugleich das Bankensystem liquide halten. EZB-Präsident Mario Draghi rechnet für die beiden ersten TLTROs der Zentralbank mit einer Gesamtsumme von bis zu 400 Milliarden Euro. Damit die Banken möglichst mehr Kredite vergeben, dürfen sie das frische ultrabillige Geld nur dann vier Jahre lang behalten, wenn sie ihre Kreditvergabe nicht einschränken. Tun sie das doch, müssen sie die Milliarden nach zwei Jahren an die EZB zurückzahlen.

Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der Liechtensteiner VP Bank, sieht auch im kürzlich von der EZB beschlossenen Kaufprogramm für Kreditverbriefungen und Pfandbriefe einen möglichen Grund für die Zurückhaltung. Während bei den Tendern Kosten auf die Banken zukämen, könnten sie dagegen möglicherweise Kursgewinne realisieren, wenn die EZB ihnen ab Oktober Wertpapiere abkauft. "Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass die Nachfrage im Dezember wohl ebenfalls schwach ausfallen dürfte." Damit werde Draghis Ziel, die EZB-Bilanzsumme auf das Niveau von 2012 zu hieven, schwer erreichbar, sagte Gitzel. Für NordLB-Analyst Mario Gruppe war die Geldspritze ein "Misserfolg".

Beherzt griffen nach Reuters-Recherchen Banken aus Italien und Spanien beim Liquiditätsangebot der Zentralbank zu. Institute aus Draghis Heimatland Italien sicherten sich demnach etwa 23 Milliarden Euro, allen voran die Großbank Unicredit , die selbst mittelte, dass sie der EZB 7,75 Milliarden Euro abnahm. Die drei größten spanischen Banken kamen zusammen auf gut elf Milliarden Euro.

Doch daran gibt es Kritik: „Die EZB hat keine Klarheit geschaffen, wie die Banken daran gehindert werden sollen, das Geld zum Kauf von Staatsanleihen zu verwenden“, sagte Silvia Merler vom Brüsseler Thinktank Bruegel. Banken, deren Kreditvergabe eine bestimmte Richtgröße nicht erreicht, müssen die EZB-Kredite zwar nach zwei statt nach vier Jahren zurückzahlen. „Wer seine Kreditvergabe nicht ausweitet oder sogar stark reduziert, kann trotzdem zwei Jahre Geld verdienen, indem er mit dem Geld der EZB Staatsanleihen kauft“, sagte Lutz Karpowitz von der Commerzbank.

Bereits Ende 2011 und zu Beginn des Jahres 2012 stellte die EZB den Banken mittels ihres LTRO-Programms – oder auch „Dicke Bertha“ genannt – rund eine Billion Euro zur Verfügung. Jedoch konnten sie damit das Wirtschaftswachstum in der Eurozone nicht anschieben. Die Banken der Krisenländer kauften mit dem „Tender“ lediglich die Staatsanleihen ihrer Regierungen, statt Kredite an Unternehmen zu vergeben.

Nach Ansicht von Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn überschreitet die EZB mit den LTRO-Programmen ihr Mandat. Die Europäische Zentralbank nutze die Deflationsdebatte, um eine Politik der quantitativen Lockerung vorzubereiten, die jedoch nicht dazu diene, Deflation zu bekämpfen, sondern um Banken zu retten. „Ich sehe die EZB sehr stark in der Bankenrettung und Investitionslenkung unterwegs“, sagte Sinn im Interview mit Bloomberg News bereits Anfang Juli in Berlin.

Indessen wurde bekannt, dass die Ratingagentur Moody’s Frankreichs Bonität von Aa1 auf Aa2 herabstufen wird. Die Agentur veröffentlicht ihre Entscheidung zu Frankreich am Freitag. Frankreich schlittert immer weiter in die Krise. Die Zahlen sind verheerend.

Die EZB gab heute außerdem ihr neues Rotationprinzip bekannt. Da Litauen mit Beginn des Jahres 2015 Mitglied der Eurozone wird, startet im EZB-Rat ein Rotationsverfahren. Dies trifft auch Bundesbank-Chef Jens Weidmann. Bei einem wichtigen Zinsentscheid im kommenden Mai und Oktober wird Weidmann nicht stimmberechtigt sein.

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