Finanzen

US-Ökonom: Die privaten Haushalte in Europa sind zu hoch verschuldet

Der US-Ökonom Srinivas Thiruvadanthai hält eine weitere Austeritäts-Politik in der Euro-Zone für kontraproduktiv. Denn die private Wirtschaft werde damit nicht angekurbelt. Er sieht die EZB am Ende ihrer Möglichkeiten. Die Euro-Zone dürfte im Zuge der Krisen in den Schwellenländern deutlichen Schaden nehmen.
22.11.2014 22:55
Lesezeit: 2 min

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Das Wachstum in den Schwellenländern geht zurück. Welche Auswirkungen wird diese Entwicklung auf die EU, die USA und die Weltwirtschaft haben?

Srinivas Thiruvadanthai: Wenn die Schwellenländer schwächeln, trifft das auch die Eurozone. Denn dann kommt es zu einem Export-Rückgang aus der Eurozone in die Schwellenländer. Eine der Haupt-Stärken der Eurozone ist ihre gute Handelsbilanz. Ein Export-Rückgang würde Europa Probleme bereiten. Auch die USA würden unter einem Rückgang des Wirtschafts-Wachstums der Schwellenländer leiden. Doch ich muss hier erwähnen, dass die USA auf jeden Fall als letztes betroffen wären.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Insbesondere Deutschlands Wirtschaftskraft hängt von seiner Export-Rate ab. Wird die derzeitige Entwicklung in den Schwellenländern eine Rezession in Deutschland auslösen?

Srinivas Thiruvadanthai: Sicher. Die externen Bedingungen der Weltwirtschaft sind ein Problem. Das wirkt sich sehr negativ aus. Deutschland hat relativ wenige Probleme, deren Ursachen im Binnenmarkt liegen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die Arbeitslosigkeit in Südeuropa ist immer noch sehr hoch. Was wird in der Eurozone passieren, wenn sich die Arbeitslosenzahlen nicht verringern?

Srinivas Thiruvadanthai: Die Arbeitslosenquote ist ein Indikator für den Zustand einer Wirtschaft. Doch sie ist nicht maßgeblich für mehr oder weniger Wirtschafts-Wachstum. Das eigentliche Problem sind die hohen Schulden im Privat-Sektor. Dieses Phänomen finden wir sowohl in den Schwellenländern als auch in der Eurozone.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Eines ihrer Argumente ist, dass die Notenbanken nicht im Stande sind, ihre expansive Geldpolitik zu stoppen. Doch kann das auf alle Ewigkeit so weiter laufen? Wann kommt die Inflation?

Srinivas Thiruvadanthai: Die Notenbanken schwemmen die Märkte schon seit einer langen Zeit mit billigem Geld. Doch nichts ist geschehen. Eine Inflation werden wir auch in naher Zukunft nicht haben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Aufgrund der Immobilien-Blase erwarten Sie eine Phase der Deflation. Wird diese Blase platzen?

Srinivas Thiruvadanthai: In zahlreichen Ländern wie Australien, Kanada und Großbritannien haben wir Immobilien-Blasen. Diese Blasen werden platzen. Deshalb ist der Deflations-Druck sehr hoch. Wenn die Immobilien-Branche in die Deflations-Phase eintritt, werden wir einen zügigen Preisverfall bei den Immobilien beobachten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Kann die EZB durch ihre Geldpolitik der Quantiativen Lockerung Zeit gewinnen?

Srinivas Thiruvadanthai: Die EZB kann nicht mehr viel tun. Sie kauft sichere Anleihen und will, dass das Geld in den Privatsektor fließt. Allerdings ist nicht klar, ob die Politik der Quantitativen Lockerung etwas zustande bringen kann. Die EZB hat schon alles versucht, was in ihrer Macht steht. Wenn der Privat-Sektor schwach ist, macht Sparpolitik keinen Sinn. Hier sind wir beim Kern des europäischen Problems.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Der IWF hat eingeräumt, dass er die Auswirkungen der europäischen Sparpolitik unterschätzt hat. Was sind die Alternativen?

Srinivas Thiruvadanthai: Europa braucht einen Konsens im Bereich der Fiskalpolitik. Es braucht einen fiskalischen Stimulus. Wenn ein EU-Staat diesen Weg geht, werden auch alle anderen davon profitieren.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Ist es möglich, dass einige Länder nach militärische Optionen Ausschau halten, um ihre Militär-Industrien zu stimulieren? Wo wird diese Entwicklung enden?

Srinivas Thiruvadanthai: Tatsächlich versuchen die Staaten Wege zu finden, um ihre Volkswirtschaften zu stimulieren. Doch es gibt nur wenige Staaten, die über Militär-Industrien verfügen. Dieser Weg kann wirtschaftliche Probleme nicht lösen. Im Vergleich zu anderen Exportgütern sind Waffen-Exporte überall auf der Welt verhältnismäßig zu gering.

Srinivas Thiruvadanthai ist Direktor der Forschungs-Abteilung am Jerome Levy Forecasting Center in New York.

Er untersuchte vor allem „Vermögenseffekte“ auf das Konsumverhalten und deren Auswirkungen auf Unternehmensgewinne; die anhaltende und durchdringende Überbewertung von Unternehmensgewinnen; Schwachstellen des Finanzsektors im Zuge einer Immobilienblase; die Entwicklung der japanischen Bilanzen während der Immobilien-Blase und seine Folgen; und die finanzielle Entwicklung der asiatischen Volkswirtschaften.

Zudem war er über drei Jahre am indischen Kredit-Institut ICICI Bank als Darlehensberater tätig.

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