Politik

Griechenland lässt Ultimatum der Euro-Zone verstreichen

Im griechischen Schulden-Poker setzten die Griechen auf eine politische Einigung. Ein Ultimatum der Euro-Retter hat Griechenland verstreichen lassen. Mit Spaniens Rajoy scheint ein erster Anti-Tsipras Hardliner einzuknicken. Österreich bietet eine neue Deadline an. Der Troika-Vorschlag nähert sich dem griechischen Plan an. Wolfgang Schäuble ist stinksauer.
25.06.2015 14:24
Lesezeit: 2 min

Die griechische Regierung spielt im Schulden-Poker auf Zeit: Alexis Tsipras hat stets gesagt, dass der Deal mit Griechenland auf der höchsten politischen Ebene geschlossen werde müsse. Danach sieht es jetzt aus: Die Unterhändler der Troika sind mit einem Ultimatum ins Leere gelaufen – ein eher peinlicher Vorgang. Die FT hatte berichtet, die Troika habe Griechenland ein Ultimatum bis 11 Uhr gesetzt. Drei Stunden später ist nichts geschehen.

Allerdings scheint sich die Troika bewegt zu haben: Nun liegt der Vorschlag der Gläubiger vor, und er nähert sich dem der Syriza-Regierung an. Für die griechische Wirtschaft ist das keine gute Nachricht, weil die Troika noch höhere Mehrwertsteuern fordert als die Griechen. Im Bereich der öffentlichen Renten ist dagegen bei der Troika keine Rede mehr von einer Kürzung - womit die Syriza ihr wichtigstes Ziel erreichen könnte. Interessant: Die Troika fordert die internationale Ausschreibung der TV-Lizenzen. Insgesamt ist das gesamte Reform-Konzept für die griechische Wirtschaft verheerend, weil es die sektoralen Probleme Griechenlands völlig falsch beurteilt.

Doch die kühle Haltung der Griechen zeigt Wirkung: Reuters meldet, dass sich Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy kompromissbereit gezeigt habe. Er sei zu Flexibilität bereit, aber Griechenland müsse zu seinen Zusagen stehen. Bisher war Rajoy einer der Hardliner gegen Tsipras gewesen. Er fürchtet ein Erstarken der Podemos, wenn sich die Syriza durchsetzt. Mittlerweile scheint ihm zu dämmern, dass es für die spanischen Konservativen noch viel schlimmer wäre, wenn es zu Crash in Griechenland kommt.

EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigt sich zuversichtlich. Er habe ein gutes Gefühl, dass die Griechenland-Geschichte ein glückliches Ende finden werde. Die vergangenen Stunden seien sehr entscheidend gewesen.

Die Dramaturgie des Pokers lebt auch davon, dass die kommunizierten Deadlines keine Bedeutung haben: Griechenland rutscht nicht in die Pleite, wenn der IWF-Kredit nicht bezahlt wird. Die Ratingagenturen haben bereits vor Wochen wissen lassen, dass die offizielle Pleite erst erklärt werde, wenn die Forderungen privater Gläubiger nicht mehr bedient werden. Deshalb hatte Finanzminister Varoufakis angekündigt, alle privaten Bondholder zu befriedigen - und gleichzeitig die Raten-Zahlungen an den IWF mit Zustimmung von Christine Lagarde aufgeschoben.

Die eher folkloristische Bedeutung von Deadlines unterstrich auch der österreichische Finanzminister Hans-Jörg Schelling: Er setzte den Griechen am Donnerstagnachmittag eine neue Deadline bis Sonntag. Schelling beobachtet das griechische Drama mit besonderem Interesse: Mit dem Pleite-Bundesland Kärnten hat Schelling sein eigenes Mini-Griechenland direkt vor der Haustür.

Italiens Regierungschef Matteo Renzi rechnet mit einer Lösung im Schuldenstreit - aber nicht auf dem EU-Gipfel, sondern erst kurz nach dem Treffen der Staats- und Regierungschefs.

Für Griechenland – wie auch für die gesamte Eurozone – ist eine Umschuldung oder ein Schuldenschnitt das Gebot der Stunde. Diese heiße Kartoffel will Angela Merkel nicht übernehmen: Sie dämpft Hoffnungen auf eine rasche Einigung. Es gebe noch nicht die nötigen Fortschritte, an einigen Stellen sogar eher Rückfall. Griechenland müsse mit den Institutionen weiterverhandeln, sagt die CDU-Chefin bei der Ankunft zum EU-Gipfel in Brüssel. Der Gipfel werde diese Verhandlungen nicht übernehmen.

 

Die griechische Wirtschaft würde durch ein weiteres Austeritätsprogramm ruiniert.

Die Euro-Staaten müssten bei einem Crash folgende Summen abschreiben und sind deshalb verständlicherweise nervös:

Deutschland: 94,45 Milliarden

Frankreich: 72, 32 Milliarden

Italien: 63,24 Milliarden

Spanien: 43,41 Milliarden

Eurozone gesamt: 339,7 Milliarden Euro

Die USA haben klargemacht, dass sie einen Crash in Griechenland nicht wünschen.

Ob die Euro-Retter allerdings noch Herr der Lage sind, ist eine andere Frage.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble kann sich jedenfalls kaum noch beherrschen.

Unklar ist, ob die Euro-Retter die Syriza-Regierung stürzen wollen – und darauf hoffen, dass sie einen willfährigen Partner in Athen finden.

Tatsache ist, dass das Austeritäts-Konzept in Europa gescheitert ist. Ob damit auch der Euro bereits am Ende ist, kann noch nicht gesagt werden. Die Zinssätze stiegen am Donnerstag für alle europäischen Staatsanleihen, allerdings erholten sie sich im Lauf des Nachmittags wieder. Die Zinssätze für griechische Papiere verhielten sich überraschend moderat.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Trump: Wir schicken Waffen, die NATO zahlt
11.07.2025

Erst Stopp, dann Freigabe: Trump entscheidet über Waffen für Kiew – und kündigt neue Schritte gegen Russland an. Bezahlen will er das...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Shitstorm im Joballtag: Hate Speech am Arbeitsplatz explodiert – was Unternehmen jetzt tun müssen
11.07.2025

Hassrede hat den Mittelstand erreicht – von Social Media bis ins Kundengespräch. Wo endet Meinungsfreiheit, wo beginnt...

DWN
Politik
Politik Milliardenschwere Steuerentlastungen für Unternehmen: Bundesrat macht Weg frei für Wachstumspaket
11.07.2025

Deutschland steht wirtschaftlich unter Druck. Das Wachstumspaket der Bundesregierung soll neue Investitionen anregen und Unternehmen...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis aktuell im Plus: Zwischen Zollstreit, Zinspolitik und charttechnischer Entscheidung
11.07.2025

Der Goldpreis schwankt – zwischen geopolitischer Unsicherheit, robuster US-Wirtschaft und charttechnischen Signalen. Anleger fragen sich:...

DWN
Politik
Politik Generälin über Krieg mit Russland: Ist Lettland die Schwachstelle der NATO?
11.07.2025

NATO-Generälin Jette Albinus rechnet mit russischem Angriff auf Lettland. Der Einsatz wäre kein Afghanistanszenario – sondern ein Kampf...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Kurs unter Druck: Sorgen um US-Zölle dämpfen Rekordlaune
11.07.2025

Nach seinem Rekordhoch gerät der DAX-Kurs zum Wochenausklang unter Druck. Drohende Zölle aus den USA und schwache Unternehmensdaten...

DWN
Politik
Politik Zölle auf Wein? Deutsche Winzer blicken mit Sorge auf mögliche US-Zölle
11.07.2025

Strafzölle in Höhe von 200 Prozent auf Weinimporte aus der EU – mit diesem Szenario hatte US-Präsident Donald Trump noch im April...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Insolvenzen: Deutschlands Pleitewelle hält an – ein Blick auf Ursachen und Folgen
11.07.2025

Die Zahl der Insolvenzen in Deutschland steigt weiter – wenn auch etwas langsamer. Trotzdem deuten aktuelle Daten auf tiefgreifende...