Bei der Kommunalkonferenz der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin ist es am vergangenen Dienstag zu einem dramatischen Auftritt gekommen (Video am Anfang des Artikels). Die als pragmatisch, kompetent und gesetzestreu geachtete Münchener Sozialreferentin Brigitte Meier schilderte in ungewöhnlich offenherziger und emotionaler Form die Zustände in München. Die Stadt sei völlig überfordert, sie könne nicht einmal mehr den Katastrophenfall ausrufen - weil bereits alle für diesen Fall zu mobilisierenden Kräfte im Einsatz seien und sie niemanden mehr auftreiben könne.
Das Statement von Brigitte Meier ist ein unüberhörbarer Weckruf an die Bundesregierung. Aus dem Statement geht hervor, dass die Zeit der pathetischen Reden vorbei sein muss. Die Sozialsysteme sind an die Grenzen gekommen. Wenn eine SPD-Politikerin derart klare Worte wählt, muss die Lage sehr ernst sein. Wir dokumentieren die Rede im Wortlaut:
Wir brauchen dringend ein Drehkreuz. Und wenn jetzt halt am Wochenende die Grenzen aufgemacht werden, müsst ihr euch vorstellen, was das für München bedeutet: die Wiesn beginnt. Das ist sicherheitstechnisch am Hauptbahnhof nicht mehr zu stemmen. Sieben Millionen, sieben Millionen, nein ich rede von Sicherheitsproblemen, ich rede von Sicherheitsproblemen – wir stemmen es nicht mehr am Münchener Hauptbahnhof.
Wir können, wir müssen die Züge vorbeifahren, wir müssen, wir hatten innerhalb der letzten 14 Tage 55.000 Ankünfte am Münchener Hauptbahnhof. 55.000! Und wir konnten die Züge nicht mehr weiterschicken. Und ihr habt den Königssteiner Schlüssel verwehrt, bis auf Niedersachsen und Nordrheinwestfalen. Danke.
Und wenn jetzt die Grenzen aufgemacht werden und wir die Züge nicht mehr weiterleiten können, dann können wir für die Sicherheit in München nicht mehr garantieren. Wo ist das Drehkreuz?! Wo ist das Drehkreuz?! Seit 14 Tagen sagen wir, wir brauchen das nächste Drehkreuz. Es ist immer noch nicht da. Und ich weiß nicht, wie ihr euch das vorstellt. Es geht nicht um die Wiesn. Es geht elementar um die Sicherheit. Die Stimmung wird in München dann auch kippen. Die Hilfsbereitschaft ist gigantisch. Aber wenn es uns nicht gelingt dieses ... und wir reden schon gar nicht mehr vom Krisenfall ...
Das Sozialministerium, wir haben im Lenkungsstab letzten Freitag diskutiert, den Katastrophenfall auszurufen. Das ist bei uns Hochwasser. Das hätte uns gar nicht mehr genutzt. Weil nämlich schon alle Hilfsdienste Bayern-weit mobilisiert waren. Der K-Fall hätte uns vielleicht noch zwei Tage weiter Luft geschafft, wir hätten vielleicht noch zwei Tage weiter Zelte bekommen und vielleicht hätten wir noch zwei Tage länger Betten bekommen. Aber sonst nichts. Also selbst das das Ausrufen des Katastrophenfalls hilft uns nichts in München. und deswegen sind wir so ungeduldig. Weil wir den Eindruck haben, dass man diese südbayrische Situation – und das ist keine parteipolitische Frage, sondern es ist nur eine Frage zu erkennen, was sich an diesen Grenzen abspielt- in Passau in Rosenheim und in München und ich bitte euch, kommt zu Besuch. Ich weiß, was ihr erlebt, das weiß ich alles, ich hab ja normal auch noch meinen Regelbetrieb, wir müssen ja noch wöchentlich 500 Flüchtlinge im Normalbetrieb unterbringen. Das stimmt, das weiß ich alles. Aber die Situation im Süden dieser Republik wird bald sicherheitstechnisch nicht mehr zu bewältigen sein.
Und jetzt erzähle ich nur noch eine Geschichte. Wir wollten am Wochenende die Olympiahalle schon am Samstag aufmachen. Wir konnten die Olympiahalle am Wochenende nicht aufmachen, weil wir nicht wussten, wie. Die – Betten, Betten. Wir haben einen Twitter-Aufruf gemacht, dass wir Luftmatratzen, Isomatten bekommen, um den Menschen, 1000 Menschen, überhaupt wo hinzulegen. Also haben wir mit der Hilfe der Ehrenamtlichen aus München 1.000 Isomatten und Decken in die Olympiahalle transportiert. Die Hilfsdienste an der Kante. Als wie gesagt, Katastrophenmodus, so. Und dann konnte ich aber die Olympiahalle nicht aufmachen, weil ich nicht wusste mit wem. THW, BRK alle haben abgesagt und gesagt: „Wir können nicht mehr, wir sind mit unseren Kapazitäten am Ende.“ Ich hätte die Olympiahalle geöffnet mit der Gebirgsschützenmannschaft der Bundeswehr, 50 Soldatinnen und Soldaten, angeführt von Sozialpädagogen, weil es wär ein Dienst im Inneren der Bundeswehr gewesen von mir, also das Sozialreferat hätte den Soldaten gesagt, wie man eine Einrichtung führt. Das ist der Modus in Bayern. Überall. In Passau, Rosenheim, München.
Meiers Sorge um die Sicherheit galt vor allem dem Zusammentreffen von Flüchtlings-Ankünften und dem Oktoberfest. Hier hat die vorübergehende Grenzschließung offenbar eine gewisse Entspannung gebracht.
Doch wird allgemein erwartet, dass in den kommenden Tagen wieder wesentlich mehr Flüchtlinge nach Deutschland kommen werden. Bereits am Wochenende ist die Zahl der illegalen Grenzübertritte sprunghaft angestiegen. Seit Montag schickt Österreich wieder Tausende Flüchtlinge mit Zügen nach Bayern.
An der österreichischen Grenze ist eine Sicherung offenbar nicht möglich. Hunderte Flüchtlinge habe die Anweisungen der Polizei einfach ignoriert und sind in die Steiermark eingewandert.