Politik

Grenzkontrollen notfalls bis zu zwei Jahre lang

Bereits sechs EU-Staaten haben wieder Grenzkontrollen eingeführt. Das ist nach Schengen-Regeln höchstens sechs Monate erlaubt. Deutschland will in Brüssel eine Verlängerung auf zwei Jahre durchsetzen.
21.01.2016 18:57
Lesezeit: 2 min

Bundesinnenminister Thomas de Maizière will die Kontrollen an den deutschen Grenzen unbefristet verlängern. Nach den Regeln des Schengenraums ist notfalls eine Ausweitung auf bis zu zwei Jahre möglich - die Hürden dafür sind aber hoch. Und die EU-Kommission warnt vor hohen Kosten anhaltender Kontrollen:

Seit wann gibt es in Deutschland Grenzkontrollen?

Deutschland hatte die Kontrollen wegen der Flüchtlingskrise am 13. September als erstes Schengen-Land eingeführt, nachdem täglich tausende Menschen über die Grenze zu Österreich kamen. Seitdem hat de Maizière die Kontrollen mehrfach verlängert - letztmalig im November um nochmals drei Monate. Sie laufen nun vorerst bis zum 13. Februar.

Wann sind Kontrollen im Schengenraum zulässig?

Innerhalb des Schengengebiets, dem 26 europäische Länder angehören, gilt grundsätzlich Reisefreiheit ohne Kontrollen. Sie sind nur als Ausnahme zulässig. Deutschland beruft sich derzeit auf Artikel 23 und 24 des Schengener Grenzkodex. Demnach muss „die öffentliche Sicherheit oder die innere Ordnung in einem Mitgliedstaat ernsthaft bedroht“ sein, damit wieder kontrolliert werden darf. Die EU-Kommission überprüft jeweils, ob die eingeführten Kontrollen angesichts der Bedrohung verhältnismäßig sind.

Welche anderen Länder haben derzeit Kontrollen?

Es gibt derzeit sechs Länder mit Kontrollen innerhalb des Schengenraums. Fünf von ihnen - neben Deutschland auch Dänemark, Österreich, Schweden sowie das Nicht-EU-Land Norwegen - begründen die Kontrollen mit der Flüchtlingskrise. Frankreich als sechstes Land beruft sich dagegen nach den Anschlägen von Paris vom 13. November auf die Terrorgefahr.

Wie lange dürfen die Kontrollen unter bisherigen Bedingungen aufrechterhalten werden?

Nach anfänglichen zwei Monaten nochmals höchstens sechs Monate. Im Falle Deutschlands ist eine Ausweitung auf Basis der aktuellen Rechtsgrundlage damit bis zum 13. Mai möglich.

Was wären die Bedingungen für eine noch weitergehende Verlängerung?

Artikel 26 lässt auch eine Verlängerung bis zu einer Höchstdauer von zwei Jahren zu, wenn „anhaltende schwerwiegende Mängel bei den Kontrollen an den Außengrenzen“ das Funktionieren des Schengenraums insgesamt gefährden. Dazu müsste die EU-Kommission in einem Bericht ausdrücklich feststellen, dass die Sicherung der EU-Außengrenzen etwa in Griechenland weiter nicht funktioniert. Notwendig ist dann auch eine Empfehlung des Ministerrates, die Grenzkontrollen weiter aufrecht zu erhalten.

Welche wirtschaftlichen Folgen haben die Grenzkontrollen?

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte vergangene Woche vor schweren wirtschaftlichen Konsequenzen andauernder Grenzkontrollen. „Wer Schengen killt, wird im Endeffekt den Binnenmarkt zu Grabe getragen haben“, sagte er. Denn Grenzkontrollen bedeuteten etwa Wartezeiten im Güterverkehr und damit höhere Kosten für die Wirtschaft. Diese könnten schnell in die Milliarden gehen und viele Arbeitsplätze kosten.

Gibt es konkrete Schätzungen zu den Auswirkungen?

Juncker verweist auf eine Studie zur der von vielen Pendlern genutzten Öresundbrücke zwischen Dänemark und Schweden. Durch die Verzögerungen infolge der Kontrollen entsteht demnach ein volkswirtschaftlicher Schaden von 300 Millionen Euro pro Jahr. Auch eine Schätzung zu den europaweiten Kosten hatte der Kommissionschef parat: Werde bei allen geltenden Grenzkontrollen in Europa eine einstündige, zusätzliche Wartezeit pro Lkw zugrunde gelegt, bedeute das „einen Kostenpunkt von drei Milliarden Euro“ pro Jahr.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Panorama
Panorama Spritpreis: Wie der Rakete-und-Feder-Effekt Verbraucher belastet
03.07.2025

Die Spritpreise steigen wie eine Rakete, fallen aber nur langsam wie eine Feder. Das Bundeskartellamt nimmt dieses Muster ins Visier und...

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...

DWN
Politik
Politik Gasförderung Borkum: Kabinett billigt Abkommen mit den Niederlanden
02.07.2025

Die Bundesregierung will mehr Gas vor Borkum fördern und stößt damit auf heftigen Widerstand von Umweltschützern. Das Vorhaben soll...