Die EZB setzt in der aktuellen Banken-Krise die geltenden Gesetze außer Kraft und ermuntert Italien ganz offen zum Rechtsbruch. Die europäischen Regeln lassen laut EZB-Chefvolkswirt Peter Praet Staatshilfen für kriselnde italienische Banken zu. "Auch Deutschland hat auf dem Höhepunkt der Krise Staatsgeld in die Banken gesteckt", sagte Praet in einem Interview mit der Zeit, das die Europäische Zentralbank (EZB) am Mittwoch auf ihrer Internetseite veröffentlichte. "Italien tat das damals nicht." Die Regierung in Rom hatte vergangene Woche angedeutet, sie sei bereit eine Notfallverordnung zu verabschieden, falls das Bankensystem Hilfe benötige. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hatte bereits den deutschen Widerstand aufgegeben und signalisiert, dass eine Rettung aus Steuergeldern möglich sei.
Die Aufforderung ist wohlfeil: Denn seit Anfang 2016 sieht geltendes europäisches Recht vor, dass zuerst die Gläubiger einer Bank zur Kasse gebeten werden müssen. Erst am Ende der sogenannten Haftungskaskade darf der Steuerzahler belastet werden.
Die EU hatte um diese Lösung im Zuge der Bankenkrise lange gerungen. Sie wird von allen Fachleuten als die beste angesehen - weil die Gläubiger meist andere Banken sind, die um das Risiko Bescheid wissen, höhere Zinsen bekommen, und daher auch die Folgen des Risikos tragen müssten.
In Italien haben die Banken allerdings in den vergangenen Monaten einen leisen Abgang aus den Krisen-Banken gemacht. Bei der Monte Paschi droht nun eine Situation, in der die kleinen Anleihenhalter über die Klinge springen müssten. Das betrifft tausende Kleinanleger, die vom Bankmanagement um ihre Ersparnisse gebracht wurden.
Angesichts der bevorstehenden Wahlen in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Italien und offenkundig in Erwartung erheblicher Probleme bei der Deutschen Bank haben sich die Regierungen jedoch offenbar stillschweigend darauf geeinigt, die EU-Regeln schlicht zu ignorieren. Nach der Aufgabe des Non-Bailout und der Überschreitung der Maastricht-Defizitgrenzen durch Deutschland und Frankreich wäre die Bankenrettung aus Steuergeldern in Italien der dritte glatte Rechtsbruch in der EU, den die Staaten zu begehen gewillt sind.
Die EZB spielt diesen beispiellosen Vorgang herunter und blickt lieber in die Zukunft: "Viel wichtiger als die Frage, woher das Geld kommt, ist aus meiner Sicht, dass im Bankensektor aufgeräumt wird", sagte der oberste EZB-Ökonom - eine gewagte These, weil es den Steuerzahlern vielleicht nicht ganz egal sein dürfte, dass sie erneut für eine Pleite-Bank geradestehen müssen. Praet, der eigentlich dem deutschen Lager in der EZB zugeordnet wird, sagte, es gebe in Italien zu viele Banken und sie seien nicht profitabel genug. Besonders zugespitzt ist die Lage beim toskanischen Institut Monte dei Paschi, das tiefrote Zahlen schreibt und dringend frisches Kapital braucht. Reuters führt als Grund für den geplanten Bailout die politische Unsicherheit in Italien an - was Unsinn ist, weil die Probleme der Monte Paschi aus einer Zeit rühren, da Mario Draghi noch italienischer Bankenaufseher war und einen Deal mit der Antonveneta durchgewunken hatte, um die spanische Santander zu retten. Danach hat die Monte Paschi Millionen-Kredite an Unbekannt vergeben - ein gewaltiger Skandal, wie die italienische Opposition sagt.
Die Franzosen nehmen im übrigen kein Blatt vor den Mund, wenn es um die Begründung des Rechtsbruchs geht: Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau sagte, es sei wegen der Wahlen nötig, dass die Geldpolitik in diesem Umfeld verlässlich sei. "In einer sehr unsicheren Welt ist die europäische Geldpolitik ein Maßstab für Vorhersagbarkeit und Stabilität," sagte das EZB-Ratsmitglied dem Wall Street Journal. Das sei sehr wichtig für die Unterstützung der Wirtschaft. Die Währungshüter hatten vergangene Woche ihre billionenschweres Anleihen-Kaufprogram zur Ankurbelung der Konjunktur bis mindestens Ende 2017 verlängert.