Politik

Russland-Bericht zeigt: US-Geheimdienste sind nervös und verunsichert

Lesezeit: 5 min
09.01.2017 00:56
Der frühere Chef des österreichischen Verfassungsschutzes analysiert, welche Schlüsse aus dem misslungenen Russland-Bericht auf den Zustand der US-Geheimdienste ziehen kann.
Russland-Bericht zeigt: US-Geheimdienste sind nervös und verunsichert

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Am 06.01.2017 wurde dem neuen ins Amt gewählten Präsidenten Donald Trump eine von Präsident Obama in Auftrag gegebene Analyse über eine mögliche Beeinflussung der US-Präsidentschaftswahlen durch russische Dienste vorgestellt. Die erste Analyse zeigt: Der Bericht arbeitet mit falschen Fakten, Spekulationen und Mutmaßungen. 

Der Vorgang ist einmalig in der Geschichte der US-Dienste. Unter der Verantwortung des Koordinators aller 17 amerikanischen Geheimdienste, dem Direktor of Intelligence (DNI), wurde das Briefing gemeinsam von CIA, FBI und NSA erstellt. Die Zielsetzung des Briefings war es, den kommenden Präsidenten davon zu überzeugen, dass der russische Präsident persönlich seine Geheimdienste angewiesen hatte, die amerikanische Präsidentschaftswahl zugunsten Trumps zu beeinflussen. Nicht nur der Umstand, dass die drei einflussreichsten Dienste CIA, NSA und das FBI sich inhaltlich gemeinsam positionierten, sondern auch der Umstand, dass eine Kurzfassung des Briefings veröffentlicht wurde, lassen erkennen, wie sehr die Geheimdienste unter Druck stehen. Für James Clapper war dies die letzte offizielle Rolle als DNI. Mit der Amtsübernahme von Donald Trump am 20.01.2017 geht seine Funktion auf den 73 jährigen Dan Coats über, der sich als Russlandkritiker im Senat einen Namen gemacht hat.

Das Verhältnis zwischen dem designierten amerikanischen Präsidenten und seinen Geheimdiensten ist mehr als unterkühlt. Trump hat sich mehrmals kritisch gegenüber seinen Geheimdiensten geäußert, die er als Speerspitze und Einpeitscher einer neoliberalen Außenpolitik betrachtet. Die Situation drohte zu eskalieren, als Trump die Erkenntnisse der amerikanischen Intelligence Community infrage stellte, wonach Russland für das Hacking des Servers des Democratic National Committee (DNC) verantwortlich wäre. Unmittelbar vor dem Briefing am 06.01.2017 sprach Trump noch von einer „politisch motivierten Hexenjagd“ seiner Konkurrenten. Für die Dienste war das öffentlich angekündigte Briefing schon von Beginn an eine lose-lose-Situation. Trump und sein engster Beraterkreis haben den Umstand, dass Russland Einfluss auf seine Wahl genommen hätte, als eine politisch motivierte Kampagne seiner Gegner gesehen, die Legitimität seiner Präsidentschaft in Zweifel zu stellen, noch bevor er das Amt übernimmt. Das Briefing führte zu keiner Haltungsänderung des designierten Präsidenten, was die Schuldzuweisung in Richtung Russland betraf. Die Dienste sind aus mehreren Gründen mit ihrem Briefing und mit ihrer Einschätzung erfolglos:

- Die öffentlich vorliegende Einschätzung der Dienste konnte keinen einzigen Sachbeweis dafür vorlegen, dass Russland für das Hacking des DNC verantwortlich wäre.

- Auch nach dem Briefing beharrte der designierte Präsident darauf, dass Russland auf den Ausgang der Präsidentschaftswahlen 2016 keinen Einfluss hatte.

Was die Dienste vorgelegt haben, ist eine in sich schlüssige Abfolge von Ereignissen, die eine russische Strategie nahelegt, den gewählten amerikanischen Präsidenten Trump vor seiner Herausforderin Hillary Clinton zu favorisieren. Für die amerikanischen Dienste ist die vorgelegte Analyse ein Desaster, zeigt sie doch, dass die Intelligence Community (inklusive der NSA) nicht in der Lage war, die „smoking gun“ zu finden. Besonders peinlich auch deshalb, da die Enthüllungen von Snowden Mitte 2013 eine Spionagenetzwerk der USA offenlegten, das, wie es nunmehr scheint, die Verbündeten mehr im Fokus hat als Russland selbst.

Folgende Eckpfeiler des öffentlich gemachten Berichtes sind es wert, näher betrachtet zu werden:

- Schon der Titel lässt erkennen, dass es sich nicht um die Beurteilung von Fakten handelt, sondern um eine Einschätzung der russischen Aktivitäten und Absichten, basierend auf Informanten, technischer Aufklärung und offenen Informationen, wie z.B. jene aus Medien und anderen offenen Quellen. Der Bericht trägt daher den Titel: „Assessing Russian Activities and Intentions in Recent US-Elections”.

- Der Bericht wurde von der CIA, der NSA und auch dem FBI gemeinsam erstellt und beruht auf hausinterne Quellen und Beurteilungen aus allen drei Agencies. Die Schlussfolgerungen daraus werden schon dadurch aufgewertet, dass sie von allen drei Organisationen mitgetragen werden, wenn auch mit Abstufungen: Die NSA äußerte gewisse Vorbehalte. Die frühzeitigen Veröffentlichungen und die Hearings in den Ausschüssen waren als Mittel gedacht, die öffentliche Meinung im Sinne der Erkenntnislage der Dienste zu beeinflussen. Diese Strategie hat sich nicht erfüllt – im Gegenteil.

- Der Bericht hebt ausdrücklich hervor, dass er die Frage der Konsequenzen für den Ausgang der Präsidentschaftswahlen 2016 nicht beurteilt und offen lässt. Dass dieser entscheidende Punkt durch die Dienste nicht abschließend beurteilt wurde, hat Tradition in der Intelligence Community – wird doch dem Auftraggeber damit die Möglichkeit gegeben, seine eigenen Schlussfolgerungen selbst zu ziehen, ohne dass die Dienste diese vorwegnehmen. Was ursprünglich als Stärke des Berichtes gedacht war, erwies sich letztlich als Rohrkrepierer. Trump erkannte die Schwachstelle und schlussfolgerte, „dass Russland keinen Einfluss auf den Ausgang der Wahlen nahm“. Der vorgelegte Bericht war eigentlich dafür gedacht, Trump vom Gegenteil zu überzeugen.

- Der Kern des Reportes fokussiert im Wesentlichen drei Verdachtslagen: (1) Dass die Quelle Guccifer, der das Netzwerk des Democratic National Committee (DNC) gehackt hatte, ein Agent des russischen militärischen Nachrichtendienstes GRU wäre und (2) dass die Russen die erbeuteten Emails an WikiLeaks und (3) DCLeaks weitergeleitet hätten. Keine dieser Behauptungen wird mit Fakten unterlegt. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die als geheim gehandhabte Langfassung mit belastbaren Belegen aufwarten kann – ansonsten wäre sie auch in der Kurzfassung aufgeführt.

- WikiLeaks wird eine enge Zusammenarbeit mit Russia Today (RT) attestiert, was die Vermutung stützen soll, dass offizielle russische Stellen WikiLeaks die gehackten Mails zugespielt hätten. Argumentativ wird das dadurch unterlegt, dass der Gründer der Plattform, Assange, von Russia Today hofiert wird. Der Bericht stützt sich auch auf russische Medienberichterstattung, wonach RT das einzige russische Medienunternehmen wäre, das im Wege einer Partnerschaft mit WikiLeaks Zugang zu „new leaks of secret information“ hätte.

- Der Bericht beschreibt eine umfassende russische Strategie, die auf unterschiedlichen Ebenen Einfluss auf die Präsidentschaftswahlen 2016 genommen hat. Um dies zu untermauern, spricht der Bericht von einer gängigen russischen Praxis, verdeckte nachrichtendienstliche Operationen (wie das Hacking des DNC) durch Aktivitäten der russischen Regierung, der russischen Presse und einem Heer von bezahlten „social media users“ (sog. Trollen) zu verschleiern.

Der Report wurde noch vom scheidenden amerikanischen Präsidenten in Auftrag gegeben und sollte ausschließlich die russischen Aktivitäten beleuchten. Was als Endergebnis vorgelegt wurde, war mehr als blamabel. Ursprünglich sollen die russischen Cyber-Aktivitäten beleuchtet werden, die man im Verdacht hatte, dass sie die Wahlen zugunsten Donald Trumps beeinflusst hätten. Genau das konnte jedoch nicht bewiesen werden. Vielmehr mutierte dieser Report von einem ursprünglich gedachten Cyber-Report zu einem Report über russische Medien-Strategie mit dem Schwergewicht auf RT und auf Sputnik. Von den 14 Seiten des Reportes war nur eine Seite dem Thema Cyber gewidmet – der Rest beschäftigt sich mit Strategien der russischen Medienlandschaft.

Obwohl auf Russland fokussiert, ist es auch interessant zu erwähnen, was der Auftraggeber des Reportes geflissentlich unter den Tisch fallen ließ: Die finanzielle Unterstützung durch Saudi-Arabien und die Golf-Monarchien ist aktenkundig. Auch die Cyber-Aktivitäten während des Wahlkampfes durch China oder Frankreich wurden übergangen. Ebenso waren die Hintergrundaktivitäten von Facebook, Google, Twitter und YouTube kein Thema, deren Algorithmen in den Verdacht gerieten, kritische Informationen über Hillary Clinton zu unterdrücken und gleichzeitig Suchergebnisse zu manipulieren, die Donald Trump in die Nähe von Adolf Hitler rückten.

Die eigentliche Chuzpe dieses Berichtes ist nicht nur das eng gehaltene Thema, sondern auch die Berichtsleger – insbesondere die CIA. Ist es doch über Jahrzehnte hindurch eine der zentralen Aufgaben der CIA, bei Wahlen im Ausland zu intervenieren, Außenpolitik anderer Staaten zu beeinflussen, die Unterstützung von Terroristen, Widerstandskämpfern und Oppositionsgruppen gegen die unliebsame, ortsansässige Regierung zu rekrutieren, zu trainieren und auszurüsten. All das, was der in das Amt gewählte amerikanische Präsident als Regime-Change anprangerte, all das war und ist Kernaufgabe der CIA. Auch in diesem Lichte erscheint der vorgelegte Report als das letzte Aufbäumen eines sich verändernden amerikanischen Selbstverständnisses. Noch nie waren die amerikanischen Dienste so verunsichert wie im Vorfeld der kommenden Trump-Administration.

***

Dr. Gert R. Polli ist der ehemalige Leiter des österreichischen Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.


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