Die CSU will die Bundespolitik der Union aufmischen: Für den früheren Bundeswirtschafts- und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg könnte es nach Aussage von Horst Seehofer in der Bild-Zeitung ein Comeback in der CSU schon in diesem Jahr geben. Er bemühe sich darum, "dass uns Guttenberg mit seiner internationalen Erfahrung im Bundestagswahlkampf unterstützt." Er fände es großartig, wenn Guttenberg "seiner politischen Familie, der CSU, in diesem entscheidenden Jahr 2017 hilft", sagte Seehofer.
Der Spiegel hatte am Samstag berichtet, dass sich Guttenberg bereit erklärt hat, für mehrere große Wahlkampf-Kundgebungen nach Bayern zu kommen. Er war 2011 zurückgetreten, nachdem seine Doktorarbeit als Plagiat bekannt geworden war und mit seiner Familie in die USA gezogen, wo er für den Thinktank "Center for Strategic and International Studies" eine Art Gastprofessur erhielt. Er arbeitet als Berater für verschiedene Unternehmen, unter anderem für das Technologieunternehmen Ripple, welches sich auf eine neuartige Form von grenzübergreifendem Peer-to-peer-Banking spezialisiert hat.
Guttenbergs Positionen sind denen der Republikaner nicht unähnlich. 2011 sagte er in Halifax, es gäbe in Euopa neben der Schulden- und Währungskrise auch eine "Krise der politischen Führung". Das Hamburger Abendblatt zitierte Guttenberg damals: "Kein Politiker - und Angela Merkel nahm er nicht aus - verstehe es, den Menschen in klaren, aber auch gefühlsbetonten Worten zu erklären, was in Europa vor sich gehe und was auf dem Spiel stehe."
Zuvor hatte Guttenberg mehrfach gesagt, dass Europa nicht nur Politik mit dem Scheckbuch machen dürfe, sondern sich außenpolitisch stärker engagieren müsse. Eine besondere Nähe zu den Ansichten von US-Präsident Donald Trump kann Guttenberg in der Russland-Politik aufweisen: Bei einem Vortrag des „Dialogue of Civilizations Research Institut“ (DOC) von Wladimir Jakunin, rechnete Guttenberg 2015 in scharfen Worten mit der Anti-Russland-Politik des Westens ab. Das DOC ist eine Lobby-Gruppe, mit der ein nicht unbedeutende Gruppe von russischen Wirtschaftsleuten am Höhepunkt der Spannungen zwischen Russland und dem Westen versucht hat, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Die Gruppe ist auch mit Vertrauten von Helmut Kohl in engem Kontakt: So hält die Neujahrsrede in diesem Jahr der frühere Kohl-Vertraute Horst Teltschik.
Guttenbergs Russland-freundliche Position wurde nun auch überraschend deutlich von CSU-Chef Horst Seehofer aufgegriffen: Seehofer setzte sich in der Bild für ein schnelles Ende der Sanktionen gegen Russland ein: "Die Sanktionen gegen Russland sollten in diesem Jahr beendet werden. Russland sollte auch in den Kreis der G8 zurückkehren", sagte Seehofer der "Bild am Sonntag". "Wir müssen raus aus dem Block-Denken des 20. Jahrhunderts. Es geht um gemeinsame Antworten auf Terror, Migration, Klimawandel. Eine Politik des 'Wenn du mir, dann ich dir' hilft da nicht weiter. Wer glaubt, wir könnten uns gleichzeitig mit den USA, Russland und Großbritannien anlegen, macht einen riesigen Fehler." Er plädiere für "Realpolitik statt Säbelrasseln", sagte Seehofer und fügt hinzu: "Wir müssen unterschiedliche Standpunkte klarmachen, etwa bei der Annexion der Krim, uns aber zugleich um vernünftige wirtschaftliche Beziehungen bemühen."
Zugleich fand Seehofer lobende Worte für den neuen US-Präsidenten Donald Trump: "Er setzt mit Konsequenz und Geschwindigkeit seine Wahlversprechen Punkt für Punkt um. In Deutschland würden wir da erst mal einen Arbeitskreis einsetzen, dann eine Prüfgruppe und dann noch eine Umsetzungsgruppe." Das bedeute aber ausdrücklich nicht, dass er jede Maßnahme Trumps für richtig halte. Er habe Trump gratuliert und in den Freistaat Bayern eingeladen, sagte Seehofer. "Trump ist in einer demokratischen, freien Wahl zum US-Präsidenten gewählt worden. Das muss man respektieren. Diesen Respekt vermisse ich in diesen Tagen."
Zugleich kündigte Seehofer Angela Merkel die im Bundestagswahlkampf die volle Unterstützung der Schwesterpartei CSU an. Seehofer sagte, Merkel werde "nach diesem Gipfel die gemeinsame Kanzlerkandidatin von CSU und CDU sein." Seine Partei habe großes Interesse an einer starken Kanzlerin, sagte er weiter. Mit Merkel könne die CSU "die meisten ihrer Vorstellungen realisieren".
Im Hinblick auf die Sachfragen erscheint diese Unterstützungserklärung allerdings als gefährliche Drohung: Denn Seehofer ist, anders als Merkel, nicht nur ein Gegner der Russland-Sanktionen und hatte Merkel mit seinem Besuch bei Russlands Präsident Wladimir Putin brüskiert. Seehofer beharrt im Zuge seiner Unterstützungserklärung darauf, dass Merkel in der Frage der Obergrenze für Flüchtlinge die von ihr bisher verweigerte Kehrtwende vollzieht. Seehofer will die Obergrenze in den Bayern-Plan der CSU aufnehmen und dann nach der Bundestagswahl zur Bedingung für eine erneute Beteiligung seiner Partei an der Bundesregierung machen. "Wir geben unsere Position in dieser Frage nicht auf, weil sie richtig ist und weil wir unsere Glaubwürdigkeit nicht beschädigen werden", sagt er dem Blatt.
Seehofers Ziel könnte auch sein, Guttenberg für die Zeit nach Merkel aufzubauen. Denn Merkels größtes Problem besteht darin, dass die CDU unter ihr zwar immer noch weit vor allen anderen Parteien liegt, sie jedoch auf eine Dreierkoalition angewiesen sein könnte. Eine erfolgreiche Regierungsarbeit wäre auf diesem Weg kaum möglich, für eine allfällige Neuwahl könnte Guttenberg rechtzeitig wieder innenpolitisch fit sein.
Innerhalb der Union gibt es durchaus Stimmen, die sich hinter vorgehaltener Hand sehr positiv über die Rückkehr Guttenbergs äußeren. Er ist einer der wenigen Unions-Politiker, die auf relevante Umfragewerte kommen. Er ist in der Wirtschaft gut vernetzt und kann mit den Russen und Amerikanern. Vor dem Hintergrund der aktuellen Wirtschaftspolitik der Bundesregierung könnte Guttenberg tatsächlich als eine Art deutschen Donald Trump aufgebaut werden. Guttenberg ist, wie Trump, auf die Medien schlecht zu sprechen - er wurde im Zuge der Plagiatsaffäre massiv verspottet. Für die Union wäre Guttenberg vielleicht noch keine Alternative für Deutschland, aber immerhin eine Alternative zu Merkel.