Politik

Trump und Putin arbeiten diskret an Neuordnung im Nahen Osten

Lesezeit: 5 min
12.03.2017 01:43
Russland und die USA verändern die Gleichgewichte im Nahen Osten. Sie machen das geschickt über Bande und nehmen sich die Türkei und Israel zur Brust - zwei Schlüsselstaaten im Hinblick auf Sicherheit und Energiepolitik.
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Der russische Präsident Wladimir Putin hat in der vergangenen Woche den israelischen Premier Benjamin Netanjahu und den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Moskau empfangen. Die Gespräche drehten sich um die bilateralen Handels- und Energiebeziehungen. Doch das Hauptthema war die Syrien-Krise. Seit Russland seine Truppen im Jahr 2015 nach Syrien entsandt hat, ist das russische Profil im Nahen Osten sichtbar gestiegen. Jenseits des syrischen Schlachtfeldes spielt Moskau effektiv in einer Reihe von Streitigkeiten in der Region eine Rolle, analysiert der US-Informationsdienst Stratfor in einer Analyse.

Russland ist in Libyen und im israelisch-palästinensischen Konflikt ein Faktor geworden - nicht nur mit dem Ziel, eine Lösung zu erreichen, sondern sicher auch in der Absicht, seinen Einfluss auf die politischen Führer der Region zu stärken. Ägypten möchte russische Investitionen anziehen und russische Touristen gewinnen. Syrien und Iran sind ebenfalls Verbündete. Wenn Russland nicht eingegriffen hätte, wäre Syrien heute von den internationalen und islamistischen Söldnern zerstört.

Es sind nun Israel und die Türkei, die in der Syrien-Krise um Russlands Unterstützung buhlen. Israel ist zutiefst besorgt über die Instabilität an der Grenze zu Syrien, wo die Hisbollah und andere pro-syrische und pro-iranische Milizen vor allem in der sensiblen Region der Golanhöhen eine Rolle spielen. Russland wiederum will mit Israel wirtschaftlich kooperieren und sieht sich als Schutzmacht für die große Gruppe der aus der Sowjetunion nach Israel ausgewanderten Russen. Russland und Israel arbeiten im Syrien-Krieg von Anbeginn eng zusammen. Israel will, dass Russland die pro-iranischen Truppen von der israelischen Grenze fernhält und fliegt selbst Luftangriffe in Syrien. Zugleich hofft Israel, den Konflikt zu nützen, um den Golan ein für allemal zu einem Teil Israels zu machen.

Bisher hatte Israel immer auf die USA gesetzt. Das schien auch mit dem Amtsantritt von Donald Trump so zu werden. Doch Trump hatte bereits während des Wahlkampfes Signale auch an die Palästinenser gesandt, dass er einen Frieden im Nahen Osten erreichen will. Die sprunghaft erscheinende Nahost-Politik von US-Präsident Donald Trump hat den israelischen Premier Benjamin Netanjahu nach seiner Rückkehr aus Moskau erneut verunsichert.

Trump hatte nämlich völlig überraschend Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas nach Washington eingeladen. Der Besuch im Weißen Haus sei "sehr bald" vorgesehen, sagte ein Abbas-Sprecher nach einem Telefonat der beiden Politiker am Freitag. Trump habe bei der Einladung betont, dass er hinter dem Nahost-Friedensprozess stehe. Seit dem Regierungswechsel fürchten Palästinenser, dass sich die USA in dem Dauer-Konflikt stärker auf die Seite ihres Verbündeten Israel stellen, als es unter Trumps Vorgänger Barack Obama der Fall war. Mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hat Trumpals Präsident schon zwei Mal telefoniert, zudem war Netanjahu bereits in Washington zu Gast.

Trumps Sprecher Sean Spicer bestätigte die Einladung von Abbas. Das Telefongespräch am Freitag war der erste Kontakt der beiden Politiker seit dem Regierungswechsel in Washington am 20. Januar. Während Abbas bei Trumps Vorgänger Barack Obama zu den ersten ausländischen Politikern gehört hatte, die er anrief, hielt sich Trump mit Kontakten in die arabische Welt bisher zurück. Gesprochen hat er mit dem ägyptischen Präsidenten Fatah al-Sisi und getroffen hat er den jordanischen König Abdullah, der auf eigene Initiative nach Washington reiste.

Abbas habe sich bei dem Telefongespräch mit Trump zum Friedensprozess bekannt und auf eine Zwei-Staaten-Lösung gedrungen, sagte der Sprecher des Palästinenser-Präsidenten. Dieses Szenario zur Beilegung des Konflikts war die vergangenen zwei Jahrzehnte ein Grundpfeiler der US-Nahost-Politik.

Die Russen wiederum haben Netanjahu auch eine Mahnung mit auf den Weg gegeben: Als Netanjahu in Moskau dem russischen Präsidenten Wladimir Putin aus Anlass des Purim-Festes in Anspielung an den Iran die Geschichte erzählte, dass die Perser die Juden schon vor 2500 Jahren auslöschen wollten, sagte Putin laut Times of Israel lediglich kühl, Netanjahu möge sich der Gegenwart zuwenden, die Zeiten hätten sich geändert.

Trotz der starken militärischen Fähigkeiten Israels braucht Israel nach der Einschätzung von Stratfor die Zustimmung Moskaus, um im Grenzgebiet zu Syrien gegen die Hisbollah operieren zu können. Als Russland im März 2016 einen Truppenrückzug angekündigt hatte, suchten hohe israelische Regierungsvertreter Klarheit darüber, wie Russland weiterhin die israelische Sicherheit behaupten würde, wenn die Präsenz der Russen in Syrien zurückgehen sollte. Israel wollte von Russland Garantien, dass die Hisbollah keinen Zugriff auf die russische militärische Hilfe für die syrische Armee bekommt. Putin beruhigte die Israelis, indem er betonte, dass die russischen Beziehungen zu Israel besonders auf der Grundlage von Freundschaft, gegenseitigem Verständnis und der langen gemeinsamen Geschichte gründen. Israel kommt seinerseits Moskau entgegen, indem es den Verkauf von Waffen an Länder in der russischen Peripherie unterlässt. Im Jahr 2008 setzte Israel bereits seine kurzfristige Militärhilfe für Georgien im Verlauf des Georgien-Kriegs aus.

Derzeit hofft Netanjahu, dass Russland bei einem möglichen Konflikt zwischen der Hisbollah und Israel dem jüdischen Staat weiterhin unterstützen wird. Aufgrund der Vorteile der syrischen Armee und ihrer Verbündeten, die sich im Syrien-Konflikt ergeben haben, ist die Lage für Israel durchaus komplizierter geworden. Die russische Präsenz macht Maßnahmen zur Erreichung der israelischen Ziele in Syrien komplizierter.

Israel möchte eine Pufferzone im südwestlichen Syrien schaffen. Aber es will auch in der Lage sein, die Waffendepots und Konvois der Hisbollah zu zerstören, ohne mit Russland in Konflikt zu kommen. Sollte der Konflikt mit der Hisbollah auf Syrien oder den Libanon überspringen, wird eine Zusammenarbeit mit Russland noch dringender notwendig sein.

Russland kann Israel allerdings nur sehr eingeschränkt helfen, seine Grenzen zu schützen. Auch wenn die Russen militärisch in Syrien vor allem wegen der Beherrschung des Luftraums überlegen sind, haben sie doch keinen Einfluss auf die zahlreichen internationalen und islamistischen Söldner im Südwesten des Landes.

Das gilt nicht nur für die Gebiete in Südsyrien, wo der Iran einflussreicher ist, sondern auch für Nordsyrien. Außerdem hat Russland eigene Prioritäten und wird diese über die Wünsche Israels und der Türkei stellen. Russland kann allerdings beiden einen Kontakt zu Teheran und Damaskus bieten. Immerhin arbeiten die Russen und die Türken hier bereits militärisch zusammen, was Putin beim Erdogan-Besuch in Moskau auch positiv vermerkt hat. 

Doch inwieweit Russland seine Beziehungen zu Iran oder Syrien nutzen kann, um Israel oder die Bedenken der Türkei entgegenzukommen, hängt von der Situation ab. Dies zeigte sich vergangene Woche in Syrien, als der Plan der Türkei für eine Offensive auf Manbidsch gegen die Kurden-Milizen der PYD durch eine Übernahme des kurdischen Territoriums durch die syrische Armee vereitelt wurde. Die unterschiedlichen Positionen wurden bereits auf dem ersten Dreier-Gipfel der türkischen, russischen und US-Militärkommandanten in Antalya angesprochen.

Russland dürfte mit seiner diplomatischen Offensive im Nahen Osten ein übergeordnetes Ziel verfolgen, meint Stratfor, nämlich die Aufhebung der Sanktionen.

Die Entscheidung darüber, die finanziellen Sanktionen gegen Russland aufzuheben und Russland einen Bewegungsspielraum an Orten wie der Krim und dem Schwarzen Meer zu geben, liegt bei den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union. Russland wird versuchen, seine Rolle in Syrien in die Waagschale zu werfen, um die Sanktionen aufzuheben.

Moskaus Entscheidung, in Manbidsch mit den USA zusammenzuarbeiten, war vielleicht eines der ersten Anzeichen einer amerikanisch-russischen Kooperation in der Region. Obwohl dies für die Türkei ein Rückschlag ist, dürfte die neue US-Regierung auch in Bezug auf die Operation auf die ISIS-Hochburg Rakka mit Russland zusammenarbeiten wollen. Die Hoffnung, zumindest auf der russischen Seite ist, dass sich die Koordination im Kampf gegen ISIS positiv auf eine Aufhebung der Sanktionen gegen Russland auswirken könnte.

Trump selbst hat Putin und Erdogan ebenfalls ein diskretes Zeichen gesendet: Die Entlassung des New Yorker Bundesanwalts Bharara werden der türkische und der russische Präsident mit Erleichterung aufgenommen haben: Bharara ermittelte in einem großen Korruptionsfall, der auch für Erdogan unangenehm werden könnte; und der Bundesanwalt hatte auch die Russen im Viser, ebenfalls wegen Schwarzgeld und Korruption. Trump hofft, dass Putin und Erdogan ihm im Kampf gegen den IS unterstützen werden. So könnten alle von einer Zusammenarbeit profitieren. Wegen der Unsicherheiten, die Trump wegen seiner innenpolitischen Widersacher zu gewärtigen hat, scheinen sich Putin und Trump darauf verständigt zu haben, im Nahen Osten zunächst einmal über Bande zu spielen.


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