Politik

Valls läuft zu Macron über: Frankreichs Sozialisten droht die Spaltung

Aufruhr bei den französischen Sozialisten: Der frühere Premier ist zu Emmauel Macron übergelaufen. Die Unterstützung von Valls könnte jedoch für Macron zu einem Problem werden.
29.03.2017 16:39
Lesezeit: 2 min

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Schock bei den französischen Sozialisten: Der frühere französische Premierminister Manuel Valls hat am Mittwoch überraschen angekündigt, bereits im ersten Wahlgang am 23. April nicht für den Kandidaten der Sozialisten, sondern für seinen früheren Wirtschaftsminister Emmauel Macron zu stimmen. Er begründete seine Entscheidung mit der Gefahr eines Wahlsiegs von Marine Le Pen. Der sozialistische Kandidat Benoît Hamon reagierte empört, der Regierungspartei droht laut AFP die Spaltung. Mit seinem Überlaufen zum erst 39 Jahre alten Präsidentschaftsfavoriten Macron zog sich Valls die Wut vieler Sozialisten zu. Denn der dem rechten Sozialistenflügel zugehörige Ex-Premier war dem Parteilinken Hamon bei der Präsidentschaftsvorwahl im Januar klar unterlegen. Er hatte sich eigentlich im Vorfeld verpflichtet, im Falle einer Niederlage den Vorwahl-Sieger zu unterstützen. Valls hatte allerdings gleich nach seiner Niederlage laviert, bisher aber den offenen Bruch mit seiner Partei vermieden.

"Man darf kein Risiko für die Republik eingehen", sagte Valls den Sendern RMC und BFMTV. Macron sei der aussichtsreichste Kandidat, um Front-National-Chefin Le Pen bei der Präsidentschaftswahl zu besiegen: Die Kandidatur des Konservativen François Fillon sei wegen der Scheinbeschäftigungsaffäre "moralisch zusammengebrochen". Der in Umfragen abgeschlagene Hamon wiederum spiele im Präsidentschaftswahlkampf kaum eine Rolle mehr. "Deswegen werde ich Emmanuel Macron wählen", sagte der im vergangenen Dezember als Premier zurückgetretene Valls. "Ich werde meiner Verantwortung gerecht." Er werde aber nicht am Wahlkampf seines früheren Wirtschaftsministers teilnehmen.

Der linke Sozialistenflügel kritisierte Valls dafür heftig: Der Ex-Premier sei ein "Mann ohne Ehre", sagte der frühere Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg. Die Abgeordnete Karine Berger warf Valls "schäbiges" Verhalten vor.

Hamon rief die Wähler auf, "jene zu bestrafen, die sich diesem krankhaften Spiel hingeben". Er verurteilte Politiker, "die an nichts mehr glauben, die die Fahne nach dem Wind drehen". Zugleich rief er den linken Präsidentschaftskandidaten Jean-Luc Mélenchon und die Kommunisten zur Zusammenarbeit mit ihm auf.

Die Wende von Valls trifft Hamon besonders, weil der sozialistische Kandidat seinen Gegner Macron explizit wegen dessen engen Verbindungen in die Bankenwelt attackiert hatte: Hamon hat laut Financial Times verlangt, dass Macron "die Liste seiner reichen Spender offenbart". Mélenchon auf die "Macht des Geldes" hinter seiner Kandidatur hingewiesen hat. Die FT berichtet, dass Macron in seiner Zeit für Rothschild den Spitznamen “the Mozart of finance” erhalten habe — unter anderem für seine überzeugende Leistung als Berater von Nestlé bei einer 12 Milliarden Dollar schweren Übernahme eines Unternehmensteils des US-Pharmakonzerns Pfizer im Jahr 2012.

Macron ist eindeutig der Favorit des Pariser Establishements und der Medien. Hamon dagegen ist in Umfragen zuletzt auf den fünften Platz abgerutscht. Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Opinionway kommt er nur noch auf zehn Prozent. Macron und Le Pen liegen mit jeweils 25 Prozent vorn, gefolgt von Fillon (20 Prozent) und Mélenchon (15 Prozent).

Zahlreiche Sozialisten sind deswegen - und weil sie mit Hamons ausgesprochen linkem Wahlprogramm fremdeln - zu Macron übergelaufen. Erst vergangene Woche stellte sich der sozialistische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian, ein enger Vertrauter von Staatschef François Hollande, hinter Macron.

Der Regierungspartei droht jetzt die Spaltung: Valls setzt offenbar darauf, bei einem Wahlsieg Macrons und nach der Parlamentswahl im Juni an der Spitze einer sozialdemokratischen Gruppierung an einer Regierungsmehrheit beteiligt zu sein, mutmaßt die AFP.

Nach außen hin nahm Macron Valls' Ankündigung am Mittwoch mit einer gewissen Distanz zur Kenntnis: Er dankte Valls, betonte aber zugleich, er sei "Garant für eine Erneuerung der Gesichter, für eine Erneuerung der Methoden". Sein Wahlkampfteam beteuerte, er werde nicht zusammen mit Valls regieren.

Tatsächlich ist die Unterstützung des sozialistischen Ex-Premiers für Macron nicht unproblematisch, findet die öffentlich-rechtliche Nachrichtenagentur AFP: Der frühere Investmentbanker präsentiert sich als Anti-System-Kandidat, der frischen Wind in die französische Politik bringen will. Dass sich ihm viele Politiker anderer Parteien anschließen, gefährdet seinen Nimbus als Erneuerer. Die meisten Franzosen nehmen ihm die Rolle ohnehin nicht ab. Er ist noch vielen in schlechter Erinnerung, weil er als Wirtschaftsminister ein arbeitnehmerfeindliches Gesetz durchgebracht hatte, welches heute noch seinen Namen trägt (loi Macron). Valls ist außerdem untrennbar mit Hollandes Politik verknüpft. Macrons Gegner werfen dem 39-Jährigen jetzt schon vor, für eine Fortsetzung der Politik des unpopulären Staatschefs zu stehen - zumal er zwei Jahre lang Hollandes Wirtschaftsminister war.

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