Bei der Übernahme der spanischen Krisenbank Banco Popular durch den Konkurrenten Santander am Mittwoch kam es zum ersten Mal zur Anwendung der europäischen Regeln für Bankenabwicklungen. Dieses „einheitlicher Bankenabwicklungsmechanismus“ (Single Resolution Mechanism – SRM) genannte Regelwerk ist seit Anfang 2016 in Kraft und sieht vor, dass erst Aktionäre und bestimmte Anleihe-Gläubiger bei der Abwicklung von Banken auf ihre Forderungen verzichten müssen, bevor staatliche Gelder zur Stabilisierung eingesetzt werden dürfen. Genau dies ist bei der Banco Popular nun zum ersten Mal geschehen, man spricht auch von einem Bail-in.
Der Bail-in bedeutet, dass die Aktionäre der Banco Popular ihren gesamten Einsatz in Höhe von rund 1,3 Milliarden Euro und die Inhaber sogenannter nachrangiger Anleihen insgesamt zwei Milliarden Euro verlieren. Die Besitzer vorrangiger Titel (sogenannte „Senior-Anleihen“) wurden hingegen geschont. Insgesamt belaufen sich die Verluste von Aktionäre und Anleger dem Finanzblog Zerohedge zufolge daher auf etwa 3,3 Milliarden Euro.
Der Finanzberater Anthony Peters spricht mit Blick auf die Abwicklung und Übernahme der Banco Popular sogar von einer „stillen Revolution“:
Die stille Revolution fand auf dem Markt für untergeordnete Bank-Anleiheschulden und auf dem Rücken der gestrigen Rettung der kriselnden Banco Popular durch das mächtige Haus von Santander statt. Dies war das erste Mal, dass das Bankenrettungsregime der Eurozone vollumfänglich umgesetzt wurde und daher auch das erste Mal, dass die Regeln für die Behandlung von Sondertarif-Kapitalanleihen (sogenannten AT1s), die auch als Kontingentwandler oder „CoCos“ bezeichnet werden, durchgesetzt wurden. Tier-II-Schuldverschreibungen, die weniger untergeordnet sind als diejenigen Anleihen mit Tier-I-Status, wurden ebenfalls in die Abrechnung gebracht und das Ergebnis war eine vollständige Auslösung der AT1-Anleihen und eine obligatorische Umwandlung der Tier-II-Schuldverschreibungen in ein Aktien der Bank – welche nun wertlos sind, weil die Bank dann von Santander für einen Euro gekauft wurde. Die nicht zum Nachrang gehörenden Senior-Noteninhaber dagegen blieben verschont. Infolgedessen sank der Kurs nachrangiger Anleihen von Popular von einem Marktpreis von rund 50 Cent zum Euro auf Null, während die Kurse der Senior-Anleihen stark anstiegen.
Chapeau an die Abwicklungsbehörden; Die Bail-in-Übung für Banco Popular verlief genauso, wie nach dem Drehbuch vorgeschrieben, Was wir natürlich nicht genau wissen ist, ob der Machanismus auch im Falle einer größeren, systemischen Krise funktionieren wird.
Das Geschäft wurde wie bereits berichtet für einen symbolischen Euro besiegelt. Ein Schnäppchen ist es für Santander allerdings nicht, denn das Institut muss eine milliardenschwere Kapitalerhöhung anschieben, um die Risiken zu schultern. Die Lage der Banco Popular hatte sich in den vergangenen Tagen dramatisch verschlechtert, weil viele Sparer ihre Konten leergeräumt hatten. Am Ende musste die europäische Bankenabwicklungsbehörde Single Resolution Board (SRB) über Nacht handeln. Die Europäische Zentralbank hatte das sechstgrößte Geldhaus Spaniens mit seinen 1.800 Filialen und fast 12.000 Mitarbeitern zuvor als nicht überlebensfähig eingestuft.
Banco Popular wurde jahrelang von den Folgen der Immobilienkrise aus den Jahren nach 2008 belastet, die ihr letztendlich das Genick brachen. Das Institut hatte offenbar ausfallgefährdete Immobilienkredite im Umfang von rund 37 Milliarden Euro in ihren Büchern. Santander muss nun die Schulden der Banco Popular übernehmen und erhöht ihre Vorsorge für Problemkredite um 7,9 Milliarden Euro. Die Bank bittet daher ihre Aktionäre um frisches Geld, welches im Zuge einer rund 7 Milliarden Euro schweren Kapitalerhöhung eingenommen werden soll.
Die EU-Kommission betonte, der Steuerzahler müsse mit keinem Cent für die Rettung geradestehen. „Alle Sparer haben weiterhin Zugriff auf alle ihre Einlagen.“ 2016 verwaltete Popular Kundengelder von fast 100 Milliarden Euro. Auch die Chefin der Abwicklungsbehörde SRB, Elke König, zeigte sich zufrieden: „Die heute getroffene Entscheidung schützt die Sparer und sichert entscheidende Funktionen der Banco Popular“, sagte sie.
Binnen 18 Monaten nach Vollzug der Übernahme wird Santander mindestens die Hälfte der Immobilienwerte der Banco Popular verkaufen, sagte die Vorstandsvorsitzende Ana Botin am Mittwoch. Wie dies genau geschehen soll, ist unklar. Wahrscheinlich bedeutet dies, dass die Papiere über eine sogenannte „Bad Bank“ im Laufe der Zeit abgestoßen werden sollen.
Santander widerspricht Gerüchten, dass die Bank zum Kauf des Kriseninstituts Banco Popular gedrängt worden sei. „Ich möchte betonen, dass niemand irgendwelchen Druck auf uns ausgeübt hat“, sagte Botin. „Der Deal ist gut für Spanien und gut für Europa.“ Die Bank erhalte keine Staatsgarantien, weder vom spanischen Staat noch von der Europäischen Union. Botin rückte die Chancen in den Vordergrund: Der Zukauf komme zur richtigen Zeit und sei eine einzigartige Gelegenheit, das Geschäft in Spanien und Portugal auszubauen. Banco Popular ist nach eigenem Bekunden auf dem Heimatmarkt führend im Kreditgeschäft mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen. Santander komme hier künftig auf einen Marktanteil von 25 Prozent, rechnete Botin vor. Die Kreditrisiken seien gut abgesichert. Die Großbank verspricht sich ab 2020 Einsparungen von 500 Millionen Euro. Zum Gewinn werde Banco Popular bereits ab 2019 beitragen.
Die Lösung könnte Schule machen. In Italien allerdings, wo viele Banken im Zuge der jahrelangen Wirtschaftsflaute einen Berg an faulen Krediten aufgetürmt haben, wurde ein anderer Weg eingeschlagen. Erst vor wenigen Tagen genehmigte die EU-Kommission Staatshilfe für das Kriseninstitut Monte dei Paschi di Siena. Zuvor war der Versuch gescheitert, den Finanzmarkt anzuzapfen, um ein Loch von 8,8 Milliarden Euro in der Bilanz zu stopfen.
Der Unterschied zu Banco Popular: Die Bank wurde noch als solvent eingestuft und durfte daher nach den EU-Regeln eine „vorsorgliche Rekapitalisierung“ durch den Staat erhalten, ohne private Anleger allzu sehr zur Kasse bitten zu müssen. Das ist gerade in Italien ein heißes Eisen für die Politik, weil Monte Paschi Anleihen für zwei Milliarden Euro an private Anleger verkauft hatte. Wirtschafts- und Finanzminister Pier Carlo Padoan hatte versichert, dass der Staat die rund 40.000 Kleinanleger schützen wolle. Ganz in trockenen Tüchern ist der Deal jedoch noch nicht: Das 1472 gegründete Institut muss seine faulen Kredite noch verkaufen und verhandelt darüber mit einem heimischen Fonds und einer Gruppe von Investoren.
Andere italienische Geldhäuser müssen weiter zittern. In Regierungskreisen wurde am Mittwoch ein Bericht der Zeitung Corriere della Sera zurückgewiesen, wonach der Staat auch eine „geordnete Abwicklung“ der beiden Kriseninstitute Popolare di Vicenza und Veneto Banca erwägt. Die beiden Geldhäuser suchen seit Monaten händeringend nach frischem Geld. Sie müssen 1,2 Milliarden Euro an privaten Mitteln einsammeln, um grünes Licht der EU-Kommission für Staatshilfen zu erhalten. Doch Finanzinvestoren haben Insidern zufolge abgewunken. Der von Banken und Versicherern getragenen Rettungsfonds Atlante will kein weiteres Geld zuschießen. Er hatte bereits im vergangenen Jahr 3,4 Milliarden Euro für die beiden Banken aufgebracht.