Nach der gescheiterten Übernahme durch die Lufthansa ist die österreichische Air-Berlin-Tochter Niki pleite. Air Berlin bestätigte am Mittwochabend, dass beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg Insolvenzantrag für die Niki Luftfahrt GmbH gestellt wurde. Der Flugbetrieb werde mit sofortiger Wirkung eingestellt. Damit drohten Zehntausende Passagiere rund um Weihnachten im Ausland zu stranden. 1000 Mitarbeiter verlieren ihren Job, wie das Unternehmen mitteilte. "Das Ende der Niki ist ein nationales Desaster für Österreich", sagte Geschäftsführer Oliver Lackmann.
Zum Insolvenzverwalter wurde Lucas Flöther bestellt, der bereits Air Berlin abwickelt. Er versucht Niki nun mit einem Notverkauf zu retten. "Wir haben noch ein paar Tage Zeit, trotzdem einen Investor für Niki zu finden", sagte er.
Der Sprecher von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Steffen Seibert, räumte ein, dass ein Teil des mit einer Staatsbürgschaft besicherten KfW-Kredits von 150 Millionen Euro an Air Berlin verloren sein könnte (Video am Anfang des Artikels). Er sollte hauptsächlich mit dem Verkaufserlös für Niki getilgt werden. Die Bundesregierung hatte den Einsatz von Steuermitteln vor der Bundestagswahl damit begründet, dass man die auf Air Berlin gebuchten Touristen nicht habe stranden lassen wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor der Wahl in einem Interview mit Youtubern gesagt: "Wir können mit großer, großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass der Steuerzahler das nicht bezahlen muss"
Zuletzt hatte Air Berlin auch mit der British-Airways-Mutter IAG und dem Thomas Cook-Ferienflieger Condor verhandelt. IAG hatte abgewinkt, Condor wollte sich nicht äußern.
Von dem "Grounding", der Einstellung des Flugbetriebs, sind laut Flöther 350.000 Passagiere betroffen, die bei Niki direkt gebucht hatten. Ihre Tickets sind nun wertlos. Weitere 410.000 Fluggäste hatten ihre Tickets über Reisebüros oder -veranstalter gekauft. Knapp 40.000 Passagiere haben innerhalb der kommenden zwei Wochen Heimflüge mit Niki gebucht. Die Fluggesellschaft erklärte, die Luftverkehrsbranche arbeite an einer Lösung, wie Passagiere aus dem Ausland nach Deutschland, Österreich und in die Schweiz zurückgebracht werden könnten.
Die Lufthansa entschied sich gegen eine Übernahme, da die kartellrechtlichen Bedenken der EU-Kommission zu groß waren. Sie hatte Niki in Erwartung der Übernahme mit einer Brückenfinanzierung in zweistelliger Millionenhöhe in der Luft gehalten – diese fällt nun weg. Damit habe Niki nicht mehr genug Geld, um weiter zu fliegen, stellte der Insolvenzverwalter fest. Sie erwirtschaftete zuletzt mit jedem Flug Verluste.
Der österreichische Unternehmer Niki Lauda hob erneut den Finger. "Natürlich bin ich immer noch an Niki interessiert", sagte der ehemalige Formel-1-Weltmeister Reuters. Die vom ihm gegründete Fluggesellschaft bräuchte jedoch einen Neustart. Auf die Frage, wie viel Geld er für Niki in die Hand nehmen würde, sagte Lauda: "Der Preis, den man für eine insolvente Airline zahlen muss, ist niedriger als der für eine, die noch fliegt." Lauda hatte zusammen mit Condor den Hut in den Ring geworfen, aber gegen Lufthansa den Kürzeren gezogen.
Die schwierige Lage ruft auch Österreichs Regierung auf den Plan. "In Sachen Niki braucht es eine Lösung, die möglichst viele heimische Arbeitsplätze sichert und gerade jetzt, in der anstehenden Reisezeit rund um Weihnachten, Chaos für die Kundinnen und Kunden vermeidet", sagte ein Sprecher des Wiener Verkehrsministeriums. Die Lösung werde in enger Abstimmung mit der EU-Kommission und Deutschland zu finden sein. Er wollte sich nicht dazu äußern, ob die Regierung einen Überbrückungskredit für Niki gewähren könnte. Das Ministerium kündigte an, man werde die Rückführung von Niki-Passagieren im Ausland sicherstellen, die dort festsäßen und deren Rückflüge gestrichen würden.
Lufthansa hatte sich im Oktober mit Air Berlin darauf geeinigt, Niki und die Dortmunder Regionalflugtochter LGW für 210 Millionen Euro zu übernehmen. Air Berlin teilte mit, der Kaufpreis von 18 Millionen Euro für LGW werde angepasst und im Wesentlichen zur Tilgung des über die KfW ausgereichten Staatskredits eingesetzt. An der LGW-Übernahme hält die Lufthansa fest. Die EU-Kommission erklärte, sie habe zu Niki noch keine Entscheidung getroffen. Nun werde man die weitere Kartelluntersuchung auf LGW konzentrieren.
Für die Lufthansa ist dies ein Rückschlag beim Aufbau der Billigtochter Eurowings. Konzernchef Carsten Spohr will dafür 1,5 Milliarden Euro in die Hand nehmen und rund 3000 Stellen schaffen. Mit einem Scheitern des Niki-Deals würde sie langsamer wachsen, hieß es zuvor von einem Insider. Der Konzern erklärte nach seinem Rückzieher, man wolle die "geplante Ausweitung des Punkt-zu-Punkt-Geschäfts verstärkt durch organisches Wachstum der Eurowings Gruppe umsetzen". Ein Sprecher fügte hinzu, man werde sich für Start- und Landerechte von Niki bewerben, sollten diese Slots nach dem "Grounding" an den Flughafenkoordinator zurückgehen und dann wie üblich an andere Airlines verteilt werden.