EU-Präsident Donald Tusk hat US-Präsident Donald Trump aufgerufen, die auf Eis liegenden Handelsgespräche mit der Europäischen Union wieder aufzunehmen. Dies wäre ein Weg, um den Streit über die US-Schutzzölle auf Stahl und Aluminium zu lösen, sagte Tusk am Mittwoch vor Journalisten. "Wenn sich der Präsident über zu viele Zölle zwischen der EU und den USA beschwert, kann ich ihn verstehen. Wir sind auch nicht glücklich." Dies sei der Grund, warum in der Vergangenheit Verhandlungen über ein transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) geführt worden seien. "Wir sollten jetzt zu diesen Gesprächen zurückkehren", sagte Tusk und appellierte an Trump: "Treiben Sie Handel, nicht Krieg, Herr Präsident."
Auch die deutschen Wirtschaftsverbände sprechen sich für die Wiederaufnahme von TTIP auf. "Hätten wir bereits ein Freihandelsabkommen wie TTIP, wären die aktuellen Strafzölle ausgeschlossen", sagte der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, am Freitag. Der Konflikt über die von US-Präsident Donald Trump angeordneten Importzölle bei Stahl und Aluminium könnte sogar eine Chance sein. "Die USA und die EU sollten einen neuen Anlauf unternehmen, ein gemeinsames Freihandelsabkommen auszuhandeln", sagte er. Selbst Gegner des Freihandels auf beiden Seiten des Atlantiks dürften erkennen, wie wichtig der Abbau von Handelsbarrieren sei.
Ähnliche Äußerungen waren schon von anderen Vertretern der Wirtschaft laut geworden. So hatte der Chef der Amerikanischen Handelskammer in Deutschland (AmCham), Bernhard Mattes, jüngst gesagt, das aufs Eis gelegte TTIP-Abkommen wäre eine gute Möglichkeit gewesen, Zölle abzubauen. Die Unternehmen seien dafür, diesen Faden wieder aufzunehmen. Außenhandelspräsident Holger Bingmann hatte ebenfalls schon TTIP als gutes Mittel gewertet, für gegenseitige faire Handelsbedingungen zu sorgen.
Auch aus der US-Regierung scheint bereit, mit der EU in Handelsgespräche einzutreten. Es seien jedenfalls nicht die USA gewesen, die die Gespräche über TTIP verlassen hätten, erklärte US-Handelsminister Wilbur Ross jüngst beim Weltwirtschaftsforum in Davos.
Das Münchener Ifo-Institut schlägt allgemeine Zollsenkungen im transatlantischen Handel vor. "Die EU ist keineswegs das Paradies für Freihändler, für das sie sich gern hält. Das gilt insbesondere im Vergleich mit den USA", erklärte der Leiter des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft, Gabriel Felbermayr, am Donnerstag. Der ungewichtete Durchschnittszoll der EU liege bei 5,2 Prozent, der der USA bei 3,5 Prozent. "Diese Durchschnitte verbergen hohe Zollspitzen in vielen Branchen", sagte der Wirtschaftsforscher. Insofern liege US-Präsident Donald Trump zumindest punktuell nicht ganz falsch, wenn er über "massive Zölle" auf US-Produkte klage. Gleichzeitig gebe es - wenn auch in kleinerem Ausmaß – diese Klage auch für die Handelshürden der USA. Felbermayr forderte daher Verhandlungen über einen allgemeinen Zollabbau.
Als Beispiele nannte der Ifo-Experte EU-Exporte auf US-Motorräder von sechs Prozent, auf Autos von zehn Prozent und auf Weintrauben von 20 Prozent. Demgegenüber seien die Zölle der USA im Durchschnitt zwar niedriger, doch gebe es in den USA bei einigen Produkten auch Zollspitzen. Insgesamt wurden Exporte der USA in die EU im Jahr 2015 mit 5,7 Milliarden US-Dollar Zoll belastet, während die viel größeren Exporte der EU in die USA zu Zollzahlungen von rund 7,1 Milliarden Dollar im Jahr führten.