Politik

Russland will in Syrien „Hitzköpfe abkühlen“

Russland verstärkt die Luftabwehr über Syrien und liefert neue Raketen. Die USA und Israel protestieren.
24.09.2018 23:01
Lesezeit: 3 min

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat angekündigt, die Luftabwehr in Syrien zu verstärken. Syrien werde innerhalb zweier Wochen die neuen S-300-Raketen erhalten, die Syrien bereits bezahlt hat und an denen die syrische Armee bereits ausgebildet sei. Laut Schoigu habe Russland die Lieferung 2013 auf Bitte Irsaels ausgesetzt. Weiters werden die russischen Luftaufklärer mit neuer Technologie ausgestattet. Außerdem wird Russland künft den Radar für Flugzeuge über dem Mittelmeer stören, wenn diese in Verdacht geraten, einen Angriff gegen Syrien zu fliegen.

Bereits vergangene Woche hatte Russland den Luftraum vor Zypern gesperrt.

Schoigu sagte, dies Maßnahmen sollten dazu dienen, "einige Hitzköpfe abzukühlen". Sollten die Maßnahmen nicht ausreichen, werde Russland militärisch reagieren.

Die geplante Lieferung eines hochmodernen russischen Luftabwehrsystems an Syrien ist von den USA und Israel scharf kritisiert worden. Der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump, John Bolton, sprach am Montag von einer "signifikanten Eskalation". Er hoffe, dass Russland die angekündigte Lieferung der S-300-Raketen noch einmal überdenke. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte dem russischen Staatschef Wladimir Putin nach offiziellen Angaben in einem Telefongespräch, die Lieferung hochmoderner Waffen an "unverantwortliche Beteiligte" erhöhe die Gefahren in der Region.

Die russische Armee hatte zuvor "irreführende Informationen" der israelischen Luftwaffe für den Abschuss eines russischen Militärflugzeugs durch die syrische Luftabwehr verantwortlich gemacht. "Die irreführenden Informationen", welche die israelische Luftwaffe über ihre bevorstehenden Luftangriffe gemacht habe, hätten es dem russischen Flugzeug nicht ermöglicht, "rechtzeitig in ein sicheres Gebiet zu fliegen", sagte der russische Militärsprecher Igor Konatschenkow am Sonntag in Moskau bei der Vorstellung eines Untersuchungsberichts zu dem Zwischenfall.

Eine S-200-Rakete der syrischen Luftabwehr hatte die russische Iljuschin-Maschine am Abend des 17. September versehentlich getroffen, als diese im Landeanflug auf die westsyrische Provinz Latakia war. Alle 15 russischen Soldaten an Bord des Flugzeugs wurden getötet. Die Luftabwehrrakete hatte sich eigentlich gegen israelische Kampfflugzeuge gerichtet, die einen Angriff über Syrien flogen.

Das russische Verteidigungsministerium hatte zunächst Israel für den Vorfall verantwortlich gemacht und von einem "feindseligen Akt" gesprochen. Israel wies den Vorwurf zurück. Später sprach Präsident Wladimir Putin von einer "Verkettung unglücklicher Umstände".

Laut dem nun vorgestellten russischen Untersuchungsbericht erhielt Russland an jenem Abend um 20.39 Uhr MESZ einen Anruf des israelischen Militärkommandos mit dem Hinweis, dass Israel den Norden Syriens angreifen werde, wo über der Deeskalationszone in Idlib gerade ein russisches Aufklärungsflugzeug im Einsatz war. Russland habe daher sein Flugzeug angewiesen, zum Stützpunkt Hmeimim zurückzukehren.

"Eine Minute" nach dem Anruf der israelischen Armee hätten die F-16-Kampfjets statt im Norden Syriens das westsyrische Latakia attackiert. Dort hätten die israelischen Flugzeuge die russische Iljuschin-Maschine "gesehen und als Schutzschild gegen die Luftwabwehrraketen benutzt".

Eine unabhängige Überprüfung der Ereignisse ist nicht möglich. Israel hat sich über den Vorgang vergleichweise bedeckt gehalten, schickte aber eine hochrangige Militär-Delegation nach Moskau.

Das Vorgehen der beteiligten israelischen Luftwaffenpiloten zeige "entweder einen Mangel an Professionalität oder kriminelle Nachlässigkeit", sagte Armeesprecher Konatschenkow. Er beklagte zudem eine "Abenteuerlust" der israelischen Luftwaffe, durch die auch Zivilisten in Gefahr gebracht worden seien.

Die israelische Armee wies die russischen Angaben zurück. Israelische Kampfjets hätten sich "hinter keinem Flugzeug versteckt", erklärte sie. Zum Zeitpunkt des Abschusses des russischen Flugzeugs habe sich das israelische Flugzeug im israelischen Luftraum befunden. Die Armee drückte erneut ihr Mitgefühl für den Tod der russischen Soldaten aus.

Israel hatte erklärt, die Luftangriffe seien erfolgt, als die russische Maschine nicht im Einsatzgebiet gewesen sei. Sie hätten sich gegen eine iranische Waffenlieferung an die libanesische Hisbollah-Miliz gerichtet.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagte, dass die Raketenlieferung eine Maßnahme sei, um russische Truppen zu schützen. "Es sollte jedem klar sein, dass Russlands Maßnahmen zur Gewährleistung der Sicherheit seiner Truppen notwendig sind. Deshalb wird Russland in diesem Fall allein von diesen Interessen geleitet, diese Aktionen richten sich nicht gegen Drittstaaten, sie sollen unsere eigenen Truppen schützen", zitiert die Tass Peskow. Diese Maßnahme sei "nach der Tragödie" im Zusammenhang mit dem IL-20-Flugzeugabsturz über dem Mittelmeer notwendig.

"Diese Frage wurde in der vergangenen Woche in Moskau aktiv diskutiert, und Militärexperten und die Regierung des Landes haben eine solche Entscheidung getroffen", fügte der Sprecher hinzu. "Nach Informationen unserer Militärexperten ist die Tragödie (des Absturzes des Flugzeugs über dem Mittelmeer) auf eine absichtliche Aktion israelischer Piloten zurückzuführen, die unsere Beziehungen nur schädigen kann. Und am wichtigsten ist, dass die russische Seite zusätzliche effiziente Maßnahmen ergreift, um die Sicherheit unseres Militärs in Syrien zu gewährleisten", so Peskow.

Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu sagt, dass die S-300 auch die Verteidigungsfähigkeiten der syrischen Armee (SAA) ausbauen sollen. Ein modernes S-300 Flugabwehrraketensystem wird innerhalb von zwei Wochen an die syrischen Streitkräfte übergeben. Das System werde "die Kampffähigkeiten der syrischen Armee erheblich erhöhen", sagte Schoigu in Moskau.

Die Lieferung von S-300-Systemen nach Syrien war im Jahr 2013 in einem anderen Zusammenhang im Gespräch. In Bezug auf Waffenlieferungen an die Assad-Regierung erklärt der stellvertretende Außenminister Sergej Rjabkow, dass russische Waffen, wie etwa die S-300-Bodenabwehrraketen, tatsächlich helfen könnten, einige „Hitzköpfe“ zurückzuhalten, die diesem Konflikt eine internationale Dimension verleihen wollen, berichtete die Washington Post. Im Dezember 2015 hatte Russland Raketensysteme des Typs S-400 in die syrische Hafenstadt Latakia entsendet.

Das Fernüberwachungsradar der S-300 verfolgt Objekte über eine Entfernung von 300 Kilometer und übermittelt Informationen an das Kommandofahrzeug, das potenzielle Ziele bewertet. Ein Ziel wird identifiziert und das Befehlsfahrzeug befiehlt dem Eingreifradar, Raketen zu starten. Die Startdaten werden an die am besten platzierten Trägerraketen des Bataillons gesendet und es werden zwei Boden-Luft-Raketen abgegeben, berichtet die BBC.

Das Eingreifradar hilft dabei, die Raketen zum Ziel zu führen. Es kann bis zu 12 Raketen gleichzeitig führen und bis zu sechs Ziele auf einmal angreifen.

Das als Trägerrakete verwendete Fahrzeug wird derzeit im Minsker Radtraktorwerk (MZKT) in Weißrussland hergestellt, obwohl Russland die Produktion in seine westliche Stadt Brjansk verlagert.

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