Das britische Kabinett hat den Entwurf für das Brexit-Abkommen mit der EU gebilligt. Das teilte Premierministerin Theresa May nach einer etwa fünfstündigen Sitzung mit ihren Ministern am Mittwochabend in London mit. Es sei eine schwere Entscheidung gewesen, vor allem mit Blick auf die umstrittene Irland-Frage. May sprach dennoch vom bestmöglichen Abkommen, das habe ausgehandelt werden können. Somit könnte bald ein EU-Sondergipfel zum Brexit einberufen werden.
Die Brexit-Proponenten sind über den Deal aufgebracht. Sie sehen vor allem ihr wichtigstes Ziel in Gefahr - dass nämlich Großbritannien Freihandels-Abkommen ohne die EU schließen könnte. Dies würde laut der nun getroffenen Vereinbarung erst möglich, wenn die Nordirland-Frage gelöst ist. Bis dahin soll Großbritannien in der Zollunion mit der EU bleiben. Ebenfalls für Ärger sorgt das Zugeständnis der britischen Regierung, dass das Land weiter unter der Jurisdiktion des EuGH bleiben soll. Auch sollen alle EU-Mindeststandards für Großbritannien gelten, ebenso die Richtlinien für öffentliche Förderungen.
A furious Nigel Farage on Theresa May’s Brexit plan: “I am so angry I can barely put it into words” @Nigel_Farage | #BrexitDeal pic.twitter.com/l7OnC3Lnil— LBC (@LBC) November 14, 2018
Oh dear Article 3
We Brits love being told what we can't do. #BrexitDeal pic.twitter.com/E247nfVYiB— John Nolan (@saluton_mundo) November 14, 2018
Brexiteers’ Wrath — Jacob Rees-Mogg writes to Conservative MPs calling to revolt against #BrexitDeal pic.twitter.com/ngjRCcxVFt— Alfons López Tena #FBPE (@alfonslopeztena) November 14, 2018
Der nun getroffene Kompromiss sieht vor, dass Großbritannien zunächst als Ganzes in der Europäischen Zollunion bleibt. Trotzdem sind für Nordirland einige weitergehende Bestimmungen vorgesehen. Das dürfte vor allem die DUP auf die Barrikaden bringen, die sich gegen jegliche Sonderbehandlung Nordirlands sträubt. Zudem fordern die Brexit-Hardliner in Mays Konservativer Partei, dass der Backstop nur für eine begrenzte Zeit gelten dürfe. Beide drohen damit, das Abkommen durchfallen zu lassen.
Umstritten ist vor allem die Lösung für die Frage, wie künftig Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland verhindert werden sollen.
Die Europäische Union besteht auf einer Garantie, dass es keine Kontrollen auf der irischen Insel geben wird. Der sogenannte Backstop stößt aber auf heftigen Widerstand bei den Brexit-Hardlinern in Mays Konservativer Partei und der nordirischen DUP, auf deren Stimmen Mays Minderheitsregierung im Parlament angewiesen ist.
«Diese Entscheidung wurde nicht leichtfertig getroffen, aber ich glaube, es ist eine Entscheidung, die zutiefst im nationalen Interesse ist», sagte May vor ihrem Regierungssitz. Vorausgegangen sei eine «lange, detaillierte und leidenschaftliche» Debatte. Mit Blick auf das britische Parlament betonte die Regierungschefin: «Das ist ein Beschluss, der einer intensiven Prüfung unterzogen wird, und das ist genau, wie es sein sollte, und vollkommen verständlich.»
Sollten nun auch die Regierungschefs der 27 verbliebenen EU-Länder zustimmen, wäre der Weg frei für eine Abstimmung über das Abkommen im britischen Parlament. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker schrieb am Abend in einem Brief an EU-Ratspräsident Donald Tusk, die Brexit-Verhandlungen seien fast am Ziel. Die EU-Kommission empfehle den EU-Staaten, auf Grundlage des entscheidenden Fortschritts die Verhandlungen abzuschließen.
In Großbritannien formiert sich jedoch parteiübergreifender Widerstand gegen den Entwurf. Ob die Regierung eine Mehrheit erreichen kann, scheint zweifelhaft. Allerdings gibt es für diesen Fall auch noch keine Lösung. EU-Verhandler Michel Barnier sagte am Mittwoch in Brüssel, dass nun jede Seite ihre Verantwortung wahrnehmen müsse.
Ein weiterer Punkt, der die Kritiker Mays erzürnt: Großbritannien wird 39 Milliarden Pfund als Austrittsgeld an die EU bezahlen - ohne dass das Land dafür wirklich eine Gegenleistung bekommt. Außerdem sind weitreichende Übergangsfristen geplant, bei denen der Brexit im Prinzip aufgeweicht werden kann.
Außerdem fürchten die Hardliner, dass die EU den Vertrag schon bald auf einem Sondergipfel beschließen könnte. Änderungen wären danach kaum noch möglich.
Auch von anderer Seite droht May Ungemach. Die Brexit-Gegner im Parlament hoffen, eine Niederlage Mays könnte zu einem zweiten Brexit-Referendum und so zum Verbleib des Landes in der EU führen. Die Labour-Opposition rechnet sich Chancen auf eine Neuwahl aus.
Bei einer Fragestunde im Parlament vor der Kabinettssitzung hatte May das Abkommen verteidigt. Es sei ein «guter Deal» für Großbritannien. Mays Parteifreund und Brexit-Hardliner Peter Bone warnte hingegen, sie werde «die Unterstützung vieler konservativer Abgeordneter und Millionen von Wählern verlieren».
Sollte die angekündigte Einigung im Parlament in Westminster keine Mehrheit finden, droht ein Austritt ohne Abkommen - mit gravierenden Folgen für alle Lebensbereiche. Zuerst wäre es aber wohl das Ende der Regierung May.
Mehrere britische Medien wie die BBC spekulierten unter Verweis auf Informationen aus Kreisen der Konservativen Partei über einen bevorstehenden Misstrauensantrag gegen May. Für einen solchen Antrag wären entsprechende Briefe von 48 Tory-Parlamentariern notwendig. Es gilt jedoch als unwahrscheinlich, dass May ein Misstrauensvotum verlieren würde.