Politik

Umweltschutz: „Bruder Baum“ wird wieder entdeckt

In den Medien werden Schule schwänzen und die Atlantiküberfahrt der jungen Schwedin Greta Thunberg als Beiträge zum Klimaschutz gepriesen. Die naheliegendsten Handlungsmöglichkeiten – wie eine umfangreiche Aufforstung – werden ignoriert. Die EU ist vollkommen tatenlos.
17.08.2019 07:58
Lesezeit: 4 min

Zwei Nachrichten zu Umweltschutz und Klimawandel zeigen aktuell die Problematik des Themas: Die hoch angesehene Hochschule ETH Zürich hat in einer umfangreichen Studie festgestellt, dass durch eine weltweite Aufforstung zwei Drittel der von Menschen verursachten C02-Emissionen zu binden wären. Der Klimawandel und die Erwärmung könnten gebremst werden, ohne den Flächenbedarf der Landwirtschaft und des Städtebaus zu beeinträchtigen. Die zweite Meldung: Die 16jähige Klimaaktivistin Greta Thunberg fährt auf einem Segelschiff ohne jeden Komfort in die USA. Man muss nicht lange überlegen, welche Information größere Aufmerksamkeit bekommt  - natürlich das inszenierte Ereignis und nicht die Möglichkeit, wie der Klimawandel tatsächlich korrigiert werden könnte.

„Bruder Baum“ wurde bereits in den neunziger Jahren verraten

Das Bewusstsein, dass Umweltschutz und Klimawandel größere Beachtung verdienen, fand ab den achtziger Jahren größere Verbreitung. Die Grünparteien entstanden und in der politischen Landschaft insgesamt erhielten die Themen einen hohen Stellenwert. In diesen ersten Jahren wurde bereits auf die entscheidende Rolle der Bäume verwiesen. So kam es auch zu dem Motto „Bruder Baum“ und zu ersten Analysen, dass Aufforstung hilfreich wäre. Die aktuelle Studie der ETH-Zürich hatte also Vorläufer-Arbeiten, die nun ihre Bestätigung gefunden haben.

Dass dieser Weg nicht schon damals beschritten wurde, hat mehrere Gründe.

Ein entscheidender Faktor kam durch die neue, grüne Ideologie zustande. Man wollte erreichen, dass sich der Mensch ändert, weniger oder gar nicht Auto fährt, die Dominanz der Technik ablehnt und zur naturnahen Lebensweise vergangener Jahrhunderte zurückfindet.

Die Aussicht, das Problem könne durch Aufforstung gelöst werden, erschien aus der ideologischen Perspektive unerwünscht und so wurde die Parole „Bruder Baum“ abgelegt. Auch wurde oft und oft wiederholt, dass die Aufforstung das Problem nicht lösen könne.

Die traditionellen Parteien konnten sich dem Thema nicht entziehen, hatten und haben aber offenbar kein Interesse an konkreten Maßnahmen. Dies zeigt sich nicht nur am Fehlen von Initiativen für eine Aufforstung, man bemüht sich auch nicht um andere, wirksame Maßnahmen wie etwa die Bindung und Lagerung von C02, den Bau von Retentionsbecken für Überschwemmungen durch den Anstieg der Meere und die häufigeren Starkregen oder den systematischen Ausbau von flexiblen Dämmen, die bei Bedarf hochzufahren wären.

Jedes Kind sollte einen Baum pflanzen

Somit beschränkt sich die Klimapolitik auf einen wirkungslosen Aktionismus:

-In Abständen werden große Klimakonferenzen abgehalten, die beliebige Ziele definieren, die mangels entsprechender Maßnahmen nicht eingehalten werden.

-Neuerdings sehr beliebt ist die Verkündung von „Klimanotständen“ durch besorgte Bürgermeister.

-Seit einige Zeit gilt unter dem Motto “Fridays for Future“ Schule schwänzen am Freitag als vermeintlich edler Beitrag zur Verhinderung der Klimakatastrophe.

-Den besorgten Bürgermeistern fällt nicht ein, dass man jedes Kind zum Pflanzen eines Baums animieren könnte. Es gibt in jeder Gemeinde eine Fläche, die sich für diesen Zweck eignen würde. Die zusätzlichen Wälder wären nicht nur hilfreich gegen den Klimawandel. Das gemeinsame Pflanzen von Bäumen einer Volksschulklasse schafft eine Beziehung zur Natur und ist für die Kinder ein bleibendes Erlebnis.

-Die Praxis hierfür kann man sich in Israel anschauen, wo Bäume lebensnotwendig sind: Jedes Kind pflanzt mindestens ein Mal einen Baum zu Tu biSchewat, dem „Neujahrsfest der Bäume“ im Februar. Auf diese Art entstanden über die Jahrzehnte hunderttausende Bäume. Eine Übertragung dieser Sitte auf die Weltbevölkerung würde zur Umsetzung der Ergebnisse aus der ETH-Zürich-Studie entscheidend beitragen.

Es ist noch nicht zu spät, aber dreißig Jahre wurden versäumt

Die Forscher haben zudem festgestellt, dass es noch nicht zu spät ist. Die Bäume brauchen zwar einige Zeit, um zu wachsen, doch ist erst gegen Ende des Jahrhunderts mit einer gravierenden Temperatur-Steigerung zu rechnen, die bis dahin abgefangen werden könnte.

Die Menschheit muss sich allerdings einige Fragen gefallen lassen:

-Hätte man bereits in den achtziger Jahren entsprechende Aufforstungsprogramme beschlossen, so wären bereits rund dreißig Jahre vergangen, in denen die Bäume eine respektable Höhe erreicht hätten. Warum ist nichts geschehen?

-Aber es blieb und bleibt nicht nur beim Nichtstun, Wälder werden aktiv und vorsätzlich vernichtet.

-Allein im abgelaufenen Juli wurden in Brasilien 2250 Quadratkilometer Regenwald gerodet. Im Vergleichsmonat des Vorjahres waren es 600 Quadratkilometer. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro unterstützt diese Entwicklung.

-Die empörende Groteske: Ende Juni wurde zwischen der EU und vier südamerikanischen Staaten, darunter Brasilien, das Freihandelsabkommen Mercosur abgeschlossen. Im Rahmen dieses Vertrags hat sich auch Brasilien verpflichtet, das Pariser Klimaschutzübereinkommen zu befolgen und die Entwaldung zu bekämpfen. Wie sieht die Praxis aus? In den Wochen nach der Unterzeichnung von Mercosur kam es zu der geschilderten, gigantischen Rodung. Warum führt diese Verhöhnung der Vertragspartner nicht zur sofortigen Kündigung von Mercosur? Es wird eifrig protestiert, Deutschland streicht einige Förderungen, aber in Brüssel rechnet man mit höheren Exporten nach Brasilien.

Die EU-Kommission produziert eine skurrile Deklaration

Anfang Juli 2019 wurde die Studie der ETH-Zürich veröffentlicht und gegen Ende Juli entschloss sich die EU-Kommission zu einem Bekenntnis zur Aufforstung. In diesem Bekenntnis sind allerdings keine konkreten Maßnahmen enthalten und auch keine Mittel genannt, die man für diesen nun als entscheidend erkannten Bereich aufwenden will. Skurril klingt die Ankündigung, man werde „Produkte aus entwaldungsfreien Lieferketten“ fördern.

Dabei hätte die EU gerade aktuell die Möglichkeit, Milliarden für neue Wälder frei zu machen. Jährlich wendet die Gemeinschaft an die 100 Mrd. Euro für die Landwirtschaft und die Entwicklung der Regionen auf. Auch in der neuen im Herbst startenden Periode wird sich an der Politik wenig ändern, eine Reduktion auf 95 Mrd. Euro steht zur Debatte. Dabei belegen zahlreichen Studien, dass die Mittel nicht effektiv eingesetzt werden, da diese auf bestehende Strukturen abgestellt sind.

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist enorm. Laufend werden tausende Höfe geschlossen. Nur einen Teil der frei werdenden Flächen übernehmen die verbleibenden Bauern. Vielfach werden die Felder sich selbst überlassen und es erfolgt ein Wildwuchs, den man unkorrekter Weise oft als „Zuwalden“ bezeichnet. Wichtig wäre eine Neuorganisation der Bewirtschaftung durch Zusammenlegungen von Ackerflächen und durch die Definition von Waldgebieten. Diese naheliegenden so genannten Kommassierungen scheitern meist an den Eigentümern, die selten kompromissbereit sind. Auch die Behörden, die in der Regel derartige Prozesse begleiten müssen, sind überfordert. Subventionen haben allerdings eine große Überzeugungskraft und so könnte die EU-Agrar- und Regionalpolitik einen Beitrag zur Kommassierung leisten, die der Umwelt dienen und die wirtschaftliche Struktur vieler landwirtschaftlicher Betriebe verbessern würde.

Die EU hätte außerdem die Aufgabe, die Lösung eines gigantischen Umweltproblems anzugehen. Die heute spürbaren Schäden reichen zurück bis in das Altertum, zur Praxis im Römischen Reich, den Wald als Energieträger hemmungslos einzusetzen und Aufforstungen nur nach Bedarf vorzunehmen. Eine Aufforstung der Mittelmeerländer von Griechenland über Italien bis Spanien und Portugal aus dem EU-Budget wäre wohl hilfreicher als mit der Gießkanne über Europas Bauernhöfe und Regionen Milliarden ineffizient und ineffektiv zu verteilen.

***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.

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