Politik

Putin bleibt kühl: Russland verlegt Atom-Raketen nach Kaliningrad

Russland verlegt einige Atom-Raketen an die EU-Grenzen. Eigentlich eine Routine, die jedoch wegen der aufgeheizten Stimmung zwischen den USA und Russland für weitere Nervosität sorgt. Die Russen trauen ihren US-Partnern nach deren irrtümlichem Luftschlag in Syrien nicht mehr.
09.10.2016 12:50
Lesezeit: 2 min

Russland hat atomwaffentaugliche Raketen in seine Exklave Kaliningrad verlegt. Dabei habe es sich um Routine-Übungen im eigenen Hoheitsgebiet gehandelt, teilte das russische Verteidigungsministerium am Samstag mit. Raketen vom Typ Iskander-M, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden können, seien bereits mehr als einmal in der Region als Teil des militärischen Trainings der russischen Streitkräfte stationiert worden, hieß es weiter. Ein anonymer US-Geheimdienstvertreter hatte am Freitag Reuters mitgeteilt, Russland habe mit der Verlegung von Iskander-M-Raketen in seinen äußersten Westen begonnen. Seiner Einschätzung nach könnte dies auch eine politische Geste sein, um Missfallen mit der Nato auszudrücken. Wer der Mann ist, schreibt Reuters nicht. Geheimdienstvertreter verfolgen in der Regel ein Desinformationsinteresse, weshalb ihre Aussagen mit äußerster Vorsicht zu genießen sind.

Eine der Raketen sei bewusst einem US-Spionagesatelliten ausgesetzt worden, sagte ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums. Offenbar wollten die Russen verhindern, dass wegen der Verlagerung in Washington allzu große Hektik ausbricht. Tatsächlich dürften die russischen Aktionen eine Reaktion auf die jüngsten Drohung aus Teilen der US-Regierung sein, Syrien anzugreifen und damit einen Krieg mit Russland zu riskieren. Russland will sich nicht erneut düpieren lassen, wie das nach dem irrtümlichen Angriff der US-Koalition auf die syrische Armee in Deir ez-Zoor geschehen ist. Bis zum heutigen Tage ist kein Verantwortlicher in der US-Armee für diesen Irrtum zur Rechenschaft gezogen worden, obwohl es Dutzende Tote gegeben hat.

Politisch wurde die Verlegung der Atomraketen jedenfalls prompt genutzt: Litauen und Polen, die an die Exklave grenzen, brachten am Wochenende ihre Besorgnis zum Ausdruck. Das russische Verteidigungsministerium versicherte, die Raketen würden im Rahmen des üblichen Trainings der russischen Streitkräfte in der Region Kaliningrad stationiert.

Russland halte Militärmanöver in Kaliningrad ab, "deren Szenario auch die Stationierung von Iskander-Raketensystemen und deren mögliche Nutzung beinhaltet", sagte der litauische Außenminister Linas Linkevicius am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Modifizierte Iskander-Rakten hätten eine Reichweite von bis zu 700 Kilometern und könnten somit von Kaliningrad aus auch Berlin erreichen, sagte er. Moskau wolle "Zugeständnisse des Westens" im Zusammenhang mit den Konflikten in Syrien und der Ukraine bekommen.

Russland hatte bereits 2015 bei umfangreichen Militärmanövern während der Ukraine-Krise Iskander-Raketen in Kaliningrad stationiert. Eine Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau verwies nun auch darauf, dass Iskander-Raketen schon mehrfach in die Region Kaliningrad geschickt worden seien und dies werde auch weiterhin der Fall sein. Dies sei Teil der Übungen für die russische Armee im ganzen Land und Kaliningrad sei dabei "keine Ausnahme".

Polens Verteidigungsminister Antoni Macierewicz sagte in Warschau, Russlands Aktivitäten seien "sehr alarmierend". Er wollte die Iskander-Raketen in Kaliningrad jedoch nicht bestätigen. Estnische Medien hatte zuvor berichtet, dass die Raketen auf einem zivilen russischen Schiff auf der Ostsee unterwegs seien.

Die Nato stationiert in den drei baltischen Staaten und Polen ab 2017 jeweils ein Bataillon mit bis zu tausend Soldaten. Russland interpretiert dieses Vorstoß als Bedrohung und steigt deshalb aus der Plutonium-Abrüstung aus. Außerdem verlangt Russland den Abzug der US-Soldaten aus Osteuropa.

Zuletzte haben Bundeskanzlerin Merkel, Saudi-Arabien und die USA Sanktionen gegen Russland wegen Syrien ins Gespräch gebracht.

Eine Forderung für Sanktionen wegen der Verlegung der Atom-Raketen nach Kaliningrad liegt zur Stunde noch nicht vor.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie auf Rekordkurs nach starkem Quartalsgewinn – und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag zugelegt – und im Handelsverlauf ein neues Jahreshoch erreicht. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft EU schlägt zurück: Diese US-Produkte stehen nun im Visier von Brüssel
09.05.2025

Die Europäische Kommission hat eine umfassende Liste von US-Produkten veröffentlicht, auf die im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Daimler-Sparprogramm: Was plant Daimler Truck in Deutschland?
09.05.2025

Der Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck strebt an, seine Wettbewerbsfähigkeit in Europa zu erhöhen und hat sich mit dem...

DWN
Panorama
Panorama Endlos-Hitze droht im Sommer: Wetterextreme betreffen jüngere Generationen erheblich stärker
09.05.2025

Endlos-Hitze droht im Sommer - diese Schlagzeile geistert an diesem Freitag durch die Medien. Klar ist, dass die Folgen der globalen...

DWN
Technologie
Technologie Datenfalle USA: Warum viele Unternehmen in Gefahr sind - ohne es zu merken
09.05.2025

Viele Unternehmen übertragen täglich Daten in die USA – und merken nicht, dass sie damit in eine rechtliche Falle tappen könnten. Das...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Exporte überraschen - Fokus auf die USA
09.05.2025

Trotz des anhaltenden Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten sind Chinas Exporte überraschend robust geblieben. Der Außenhandel mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Reiche fordert den Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland
09.05.2025

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche setzt auf einen schnellen Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland. Die Gründe dafür...

DWN
Politik
Politik Putins Parade: Moskau feiert "Tag des Sieges" – Europas Spaltung auf dem Roten Platz sichtbar
09.05.2025

Während Putin mit Pomp den „Tag des Sieges“ feiert, marschieren zwei europäische Regierungschefs an seiner Seite – trotz Warnungen...