Russland hat atomwaffentaugliche Raketen in seine Exklave Kaliningrad verlegt. Dabei habe es sich um Routine-Übungen im eigenen Hoheitsgebiet gehandelt, teilte das russische Verteidigungsministerium am Samstag mit. Raketen vom Typ Iskander-M, die mit Atomsprengköpfen bestückt werden können, seien bereits mehr als einmal in der Region als Teil des militärischen Trainings der russischen Streitkräfte stationiert worden, hieß es weiter. Ein anonymer US-Geheimdienstvertreter hatte am Freitag Reuters mitgeteilt, Russland habe mit der Verlegung von Iskander-M-Raketen in seinen äußersten Westen begonnen. Seiner Einschätzung nach könnte dies auch eine politische Geste sein, um Missfallen mit der Nato auszudrücken. Wer der Mann ist, schreibt Reuters nicht. Geheimdienstvertreter verfolgen in der Regel ein Desinformationsinteresse, weshalb ihre Aussagen mit äußerster Vorsicht zu genießen sind.
Eine der Raketen sei bewusst einem US-Spionagesatelliten ausgesetzt worden, sagte ein Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums. Offenbar wollten die Russen verhindern, dass wegen der Verlagerung in Washington allzu große Hektik ausbricht. Tatsächlich dürften die russischen Aktionen eine Reaktion auf die jüngsten Drohung aus Teilen der US-Regierung sein, Syrien anzugreifen und damit einen Krieg mit Russland zu riskieren. Russland will sich nicht erneut düpieren lassen, wie das nach dem irrtümlichen Angriff der US-Koalition auf die syrische Armee in Deir ez-Zoor geschehen ist. Bis zum heutigen Tage ist kein Verantwortlicher in der US-Armee für diesen Irrtum zur Rechenschaft gezogen worden, obwohl es Dutzende Tote gegeben hat.
Politisch wurde die Verlegung der Atomraketen jedenfalls prompt genutzt: Litauen und Polen, die an die Exklave grenzen, brachten am Wochenende ihre Besorgnis zum Ausdruck. Das russische Verteidigungsministerium versicherte, die Raketen würden im Rahmen des üblichen Trainings der russischen Streitkräfte in der Region Kaliningrad stationiert.
Russland halte Militärmanöver in Kaliningrad ab, "deren Szenario auch die Stationierung von Iskander-Raketensystemen und deren mögliche Nutzung beinhaltet", sagte der litauische Außenminister Linas Linkevicius am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Modifizierte Iskander-Rakten hätten eine Reichweite von bis zu 700 Kilometern und könnten somit von Kaliningrad aus auch Berlin erreichen, sagte er. Moskau wolle "Zugeständnisse des Westens" im Zusammenhang mit den Konflikten in Syrien und der Ukraine bekommen.
Russland hatte bereits 2015 bei umfangreichen Militärmanövern während der Ukraine-Krise Iskander-Raketen in Kaliningrad stationiert. Eine Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau verwies nun auch darauf, dass Iskander-Raketen schon mehrfach in die Region Kaliningrad geschickt worden seien und dies werde auch weiterhin der Fall sein. Dies sei Teil der Übungen für die russische Armee im ganzen Land und Kaliningrad sei dabei "keine Ausnahme".
Polens Verteidigungsminister Antoni Macierewicz sagte in Warschau, Russlands Aktivitäten seien "sehr alarmierend". Er wollte die Iskander-Raketen in Kaliningrad jedoch nicht bestätigen. Estnische Medien hatte zuvor berichtet, dass die Raketen auf einem zivilen russischen Schiff auf der Ostsee unterwegs seien.
Die Nato stationiert in den drei baltischen Staaten und Polen ab 2017 jeweils ein Bataillon mit bis zu tausend Soldaten. Russland interpretiert dieses Vorstoß als Bedrohung und steigt deshalb aus der Plutonium-Abrüstung aus. Außerdem verlangt Russland den Abzug der US-Soldaten aus Osteuropa.
Zuletzte haben Bundeskanzlerin Merkel, Saudi-Arabien und die USA Sanktionen gegen Russland wegen Syrien ins Gespräch gebracht.
Eine Forderung für Sanktionen wegen der Verlegung der Atom-Raketen nach Kaliningrad liegt zur Stunde noch nicht vor.