Ein wegen des Berliner Lkw-Anschlags europaweit gesuchter Mann namens Anis Amri, der aus Tunesien stammen soll, ist am Freitag im Morgengrauen in Mailand erschossen worden. Der 24-Jährige wurde am frühen Freitagmorgen bei Mailand von der Polizei bei einer Straßenkontrolle getötet, wie der italienische Innenminister Marco Minniti am Freitag in Rom sagte. Der von der dpa als "mutmaßlicher islamistischer Terrorist" klassifizierte Mann habe «ohne zu zögern» seine Waffe gezogen und geschossen, nachdem er nach seinen Papieren gefragt wurde. Ob es zu dem Vorfall Zeugen gibt, ist nicht bekannt.
Ob der Mann wirklich für den Lkw-Anschlag verantwortlich ist, ist unabhängig nicht zu beurteilen. In dem Lkw war nach zwei Tagen angeblich eine Duldungsbestätigung gefunden worden, die auf den Namen Anis Amri gelautet hat. Die Bild-Zeitung und die Süddeutsche erklärten das Phänomen mit dem Bestreben von Islamisten, der Nachwelt als Helden in Erinnerung zu bleiben. Allerdings war der Fahrer des Lkw offenbar nicht an seinem sofortigen Tod interessiert, sondern ergriff die Flucht.
Einen weiteren Tag später sollen Fingerabdrücke an der Tür des Lkw gefunden worden sein. Der Lkw war zu diesem Zeitpunkt längst vom Tatort abtransportiert worden. Die lange Dauer bis zum Finden der Fingerabdrücke erklären "Ermittler" der Bild damit, dass zuerst Hunde in das Führerhaus gelassen werden sollten. Die dpa wiederum berichtet am Freitag, die Fingerabdrücke wurden erst so spät gefunden, weil das Führerhaus "versiegelt" gewesen sei.
Zu dem Vorfall ist außerdem ein seltsames Video auf der Bild-Zeitung aufgetaucht. Es soll den Lkw zeigen, wie er in Richtung Breitscheidplatz rast. Es ist nicht festzustellen, ob dieses Video echt ist. Die Urheber sind unklar, es gibt zum Aufnahmeort widersprüchliche Angaben. Das Video zeigt den Lkw in so schneller Fahrt, dass es schwer vorstellbar ist, dass der Lenker gleichzeitig noch dem angeblich neben ihm sitzenden polnischen Kraftfahrer mehrere Messerstiche beigebracht haben soll. Außerdem ist bei "Aufprall" des Lkw keinerlei Rauch zu erkennen, er verschwindet wie von Geisterhand aus dem Bild.
Der in Mailand erschossene Mann soll nach dem Anschlag mit dem Zug über Frankreich nach Italien gereist sein. Woher die Polizei das weiß, ist unklar. Am Bahnhof Sesto San Giovanni im Großraum Mailand begegnete er nach Polizeiangaben um etwa 03.30 Uhr den Polizisten, die ihn bei einem Schusswechsel töteten - so die dpa. Ein an der Schulter getroffener 36-jähriger Polizist schwebe nicht in Lebensgefahr, sagte Minniti.
Der Mann namens Anis Amri hatte jahrelang in Italien gelebt, zeitweise in Haft. Amri, der 2015 über Freiburg nach Deutschland einreiste, war Medienberichten zufolge in Italien und Tunesien bereits zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Warum Amri dann ausgerechnet nach Italien geflohen sein soll, ist unklar.
Der Tagesspiegel präsentierte am Freitag unter Berufung auf anonyme Ermittler die Variante des isolierten Einzeltäters, der sich unauffällig "selbst radikalisiert" habe. Amri habe zwar mit dem IS über einen Internet-Chat in Kontakt gestanden, sei aber vermutlich nicht aus Syrien oder Irak gesteuert worden. Reuters übernimmt diese Variante und schreibt: "Der 24-Jährige habe offenbar auf eigene Faust gehandelt und sich den Lkw-Anschlag in Nizza zum Vorbild genommen."
Der Zusammenhang mit dem IS war über die US-Website SITE hergestellt worden.
Reuters erklärt weiter die Ausführungen der anonymen Tagesspiegel-Ermittler: "Amri sei der Kategorie von "Terroristen" zuzurechnen, die in ihrem früheren Leben als Kriminelle agierten, dann gläubig wurden und ihre kriminellen Fähigkeiten in den Terror einbringen, sagte der Sicherheitsexperte dem Blatt. Bei den vergangenen Anschlägen in europäischen Staaten, die der IS für sich reklamierte, waren mehrfach polizeibekannte Kleinkriminelle die Täter. Amri habe geplant, als Märtyrer zu sterben, sagten Sicherheitskreise laut dem Tagesspiegel-Bericht. Das gehe aus seiner Kommunikation mit anderen Salafisten hervor. Der Tunesier stand nach Angaben aus Sicherheitskreisen unter anderem in Kontakt zum mittlerweile inhaftierten Hassprediger Abu Walaa."
Die Bundesregierung hat sich bei den italienischen Behörden für die enge Zusammenarbeit bedankt. Der Sprecher des Auswärtigen Amts, Martin Schäfer, lobte am Freitag in Berlin einen "von Anfang an sehr engen und vertrauensvollen Informationsaustausch". Auch Vizeregierungssprecherin Ulrike Demmer sprach von einem "engen Austausch". Der Sprecher des Innenministeriums sagte laut AFP: Sollten sich die Meldungen als zutreffend erweisen, "dann ist das Bundesinnenministerium erleichtert, dass von dieser Person keine Gefährdung mehr ausgeht". Der Sprecher sagte, es "verdichteten sich die Anzeichen, dass es sich bei dem Getöteten um den mutmaßlichen Attentäter von Berlin handele".
Sollten all die von den Ermittlungs-Behörden vorgelegten Schlussfolgerungen von den politischen Behörden bestätigt werden, dürfte der Fall offiziell in die Kategorie "rasch aufgeklärt" eingeordnet werden.
Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass es zu weiteren Vorkommnissen in Deutschland kommt: Ein früherer leitender Angestellter des britischen Geheimdienstes MI6 sagte, es gäbe 7.000 Terrorverdächtige in Deutschland. Belege für diese These legte er nicht vor.