Deutschland

Augsburger Polizei-Aktion: Freie Meinung im Internet nur bedingt möglich

Der Augsburger Gerichtsbeschluss, dass die Polizei gegen einen kritischen Forum-Teilnehmer vorgehen darf, zeigt: Die Möglichkeiten der freien Meinungsäußerung im Internet bleiben in Deutschland begrenzt.
29.01.2013 12:25
Lesezeit: 1 min

Am Montag drohte die Polizei, das Verlagshaus der Augsburger Allgemeinen zu durchsuchen. Sie wollte den Klarnamen eines Nutzers des Online-Forums ermitteln, berichtet das Blatt. Der Durchsuchung kam das Blatt jedoch durch die Herausgabe der Nutzer-Daten zuvor. Der Nutzer hatte im Herbst 2012 den Augsburger Ordnungsreferenten Volker Ullrich (CSU) scharf kritisiert, weil dieser gegen die Straßenprostitution in der Stadt vorgehen wollte.

Bereits Mitte Oktober erhielt die Augsburger Allgemeine ein Anwaltsschreiben. Der Vorwurf lautete, im Forum seien „ehrverletzende Äußerungen über Ullrich aufgetaucht“. Der Nutzer hatte Ulrich „Rechtsbeugung“ vorgeworfen. Die Redaktion wurde aufgefordert zu ermitteln, wer hinter dem Pseudonym steckt.

Die Redaktion lehnte diese jedoch Forderung ab. „Wir unterstützen weder Beleidigungen noch strafrechtlich relevante Äußerungen auf unserer Plattform und sind jederzeit bereit, diese nach Prüfung zu löschen, wenn wir darauf aufmerksam gemacht werden“, zitiert das Blatt Jürgen Marks, ein Mitglied der Chefredaktion. Die Redaktion löschte zwar die entsprechenden Passagen, gab aber die Nutzer-Daten unter Berufung auf die Meinungsfreiheit und den Datenschutz nicht heraus.

Der Augsburger Ordnungsreferent Volker Ullrich war damit nicht zufrieden. Er erstatte Strafanzeige gegen den Foren-Nutzer. Doch auch auf die erneute Forderung nach Datenherausgabe reagierte die Redaktion ablehnend.

Daher tauchte nun am Montag die Polizei in der Redaktion auf mitsamt einem Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Augsburg. Die zuständige Richterin verlangte, die Daten des betreffenden Nutzers an die Ermittler herauszugeben. Diesem Verlangen kam die Redaktion nach.

Bei einer Verurteilung wegen Beleidigung könnten auf den Foren-Nutzer ein Bußgeld oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zukommen. Doch allein die von Referent Ullrich angedrohten Unterlassungsansprüche könnten den Betreffenden einen drei- oder vierstelligen Betrag an Anwaltsgebühren kosten.

Bereits im Herbst 2011 hatte Ullrich verlangt, die Daten eines Forennutzers herauszugeben, von dem er sich beleidigt gefühlt hatte. Auch damals hatte die Redaktion eine Herausgabe der Nutzerdaten verweigert.

Die Polizei-Aktion hat mittlerweile bundesweit für Empörung gesorgt. Die Piratenpartei in Augsburg sprach von einem „überzogenen Vorgehen“ des Ordnungsreferenten, zitiert sie die Augsburger Allgemeine. „Ullrich missbraucht die Polizei und das Amtsgericht, um Kritiker mundtot zu machen und die Presse einzuschüchtern“, sagte David Krcek, Landtagskandidat im Augsburger Osten.

Montagabend reagierte Referent Ullrich und erklärte, „dass nicht der Ordnungsreferent, sondern ein unabhängiges Gericht die Beschlagnahme von Userdaten angeordnet hat“, zitiert ihn die Augsburger Allgemeine. Am Vorwurf der Ehrverletzung hält Ullrich fest, doch er kündigte auf seiner Facebook-Seite an, seine Strafanzeige zurückzuziehen, „wenn der User sich bei mir entschuldigt“.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Wirtschaft
Wirtschaft E-Mobilität in China: Warum der Westen zurückfällt
28.04.2025

Chinas Autobauer überrollen die E-Mobilitätswelt – effizient, günstig, selbstbewusst. Während westliche Marken im Reich der Mitte an...

DWN
Politik
Politik Nato-Beitritt Deutschlands: 70 Jahre Bündnistreue im Wandel der Sicherheitspolitik
28.04.2025

Mit einem feierlichen Festakt wird heute in Brüssel an den Nato-Beitritt Deutschlands vor fast 70 Jahren erinnert. Für den Festakt im...

DWN
Politik
Politik Ukraine-Krieg: Trump glaubt an Selenskyjs Verzicht auf Krim
28.04.2025

Bislang hat Selenskyj eine Abtretung von Territorium an Russland ausgeschlossen. Trump glaubt nach einem Treffen in Rom, dass sich diese...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Ausblick: Deutscher Aktienmarkt weiterhin im Zoll-Chaos – Berichtssaison nimmt Fahrt auf
28.04.2025

Der weltweite Zollstreit dürfte auch in der kommenden Woche das Geschehen am deutschen Aktienmarkt prägen. "Aktuell ist alles an der...

DWN
Politik
Politik Friedensforschungsinstitut Sipri: Weltweite Militärausgaben erreichen neues Rekordhoch
28.04.2025

Die weltweiten Militärausgaben haben 2024 erneut ein Rekordhoch erreicht. Laut dem Friedensforschungsinstitut Sipri summierten sich die...

DWN
Politik
Politik Neue Bundesregierung: Union stellt Personal für Ministerposten vor
28.04.2025

Rund eine Woche vor der geplanten Wahl von Friedrich Merz zum Kanzler der neuen Bundesregierung wollen CDU und CSU ihre Besetzung der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der Seeweg kann zur neuen Umweltroute werden – so sieht das neue Klimapaket aus
28.04.2025

Die internationale Schifffahrt galt lange als Klimasünder mit Sonderstatus. Nun ändert sich das grundlegend: Die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen „Hart arbeiten – das ist alles“: Wie Nvidia zum Börsenliebling wurde
28.04.2025

Vom Tellerwäscher zum Tech-Tycoon – wie Jensen Huang mit eiserner Disziplin Nvidia zur KI-Supermacht machte und nun gegen die Schatten...