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Wegen Flüchtlings-Deal: EU hält an Beitritt der Türkei fest

Wegen Flüchtlings-Deal: EU hält an Beitritt der Türkei fest. (Dieser Artikel ist nur für Abonnenten zugänglich)
28.04.2017 23:35
Lesezeit: 2 min

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Die EU muss wegen des Flüchtlingsdeals weiter auf gute Beziehungen mit der Türkei setzen. Zwei Wochen nach dem Verfassungsreferendum zur Stärkung der Macht von Präsident Recep Tayyip Erdogan berieten die EU-Außenminister in Maltas Hauptstadt Valletta über die Zukunft der Beziehungen zu Ankara. Die Festlegung auf eine Fortsetzung des bisherigen Kurses, der sich unter anderem darin manifestiert, dass die europäischen Steuerzahler Milliarden für den Annäherungsprozess zahlen müssen, erfolgt auf unterschiedlichen Ebenen.

Der tatsächliche Kurs

Die Betrittsverhandlungen gehen völlig unverändert weiter: "Der Beitrittsprozess geht weiter, er ist nicht ausgesetzt, nicht beendet", sagte die EU-Außenbeauftragte Mogherini. Die Kriterien seien klar und der Türkei bekannt, etwa in den Bereichen Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Freiheitsrechte.

Die ehrliche Begründung

Ungarns Außenamtschef Peter Szijjarto warnte vor "Hunderttausenden" Migranten, die sich wieder über den Westbalkan auf den Weg machen würden, falls die Flüchtlingsvereinbarung mit der Türkei wegen des Abbruchs der EU-Beitrittsgepräche scheitern sollte.

Die taktische Verbrämung

Bundeskanzlerin Angela Merkel fordert "Klugheit" und "Klarheit" im Umgang mit der Türkei. "Insgesamt ist es im deutschen und europäischen Interesse, dass Europa und die Türkei sich nicht vollends voneinander abwenden", sagte Merkel dem RNW Deutschland laut Reuters.

"Im Moment besteht gar nicht die Absicht, neue Kapitel der Beitrittsverhandlungen zu öffnen", sagte Merkel. Wenn die Türkei die Todesstrafe einführen würde, wäre dies "das Ende der Verhandlungen". Beide Seiten sollten sich nicht voneinander abwenden - "nicht zuletzt auch wegen der vielen Menschen mit türkischen Wurzeln, die in Deutschland leben".

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel sagte in Malta, er könne sich "gar nicht vorstellen", dass Türken in Deutschland in einem Referendum über die Einführung der Todesstrafe abstimmen, da diese Frage "gegen die deutsche Verfassung wäre".

Der realistische Beitrag

Als Beispiel für alternative Gesprächskanäle jenseits der Beitrittsverhandlungen nannte Sigmar Gabriel das seit 1963 bestehende EU-Assoziierungsabkommen sowie die Zollunion mit der Türkei. Er schlug zudem vor, die demokratischen Kräfte in der Türkei zu stärken und über eine Visa-Freiheit für Intellektuelle, Künstler, Journalisten sowie Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen nachzudenken. "Ich finde, die dürfen wir nicht im Stich lassen." Auf EU-Ebene stockt die Visa-Befreiung für Türken seit langem, Deutschland kann aber unabhängig davon eigene Visa für Türken ausstellen.

Die Gegenstimmen ohne Gewicht

Mit dem Verfassungsreferendum sei die freie und rechtsstaatliche Türkei "gestorben und de facto damit auch der Beitrittsprozess", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn. Für den Österreicher Sebastian Kurz sind mit Erdogans Vorgehen gegen Regierungskritiker längst alle "roten Linien" überschritten. Er halte es "für absolut falsch, wenn diese Fiktion des Beitritts aufrecht erhalten wird, obwohl sich die Türkei jedes Jahr weiter weg von Europa entfernt", sagte er.

Die Pseudo-Rechtfertigung

"Wir halten den Abbruch der Gespräche für die völlig falsche Reaktion", sagte dagegen der deutsche Außenminister. Gabriel warnte davor, die Türkei "in Richtung Russland zu drängen". Gabriel erinnerte erneut daran, dass die Türkei auch während der Militärdiktatur in den 1980er-Jahren nie aus der Nato ausgeschlossen worden sei .

Der Außenminister Litauen, Linas Linkevicius, warb mit Verweis auf die strategische Lage der Türkei als Nachbarstaat Russlands dafür, dass die EU mit der Regierung in Ankara im Gespräch bleiben müsse.

Die Reaktion der Türkei

An den Beratungen in Malta nahm am Freitagnachmittag auch der türkische Außenminister Mevlut Cavusoglu teil, der sich aber zunächst nicht vor der Presse äußerte.

Erdogan hatte die Wiedereinführung der Todesstrafe nach dem Verfassungsreferendum zur Stärkung seiner Position auf die Tagesordnung gesetzt. Er kündigte Mitte April an, darüber notfalls ein Referendum abzuhalten.

Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin sagte, die Türkei wolle "den EU-Beitritt weiterhin als strategisches Ziel sehen". "Aber es braucht zwei zum Tangotanzen", fügte der Präsidentensprecher hinzu. "Wenn die Europäer wirklich eine Besserung wollen, müssen sie etwas gegen diese Terroristen tun." Ankara wirft den EU-Staaten seit langem vor, kurdischen Extremisten und Beteiligten am Putschversuch vom vergangenen Juli Zuflucht zu gewähren.

Erdogan bekräftigte den Willen seines Landes zum Beitritt zur EU. Die Tür der Türkei stehe offen, die EU müsse "zusehen", wie sie die Beziehungen zur Türkei "weiterentwickeln" könne.

 

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