Politik

Linkspartei warnt vor Privatisierung der Autobahnen

Lesezeit: 2 min
18.05.2017 00:29
Die Linkspartei warnt vor französischen Verhältnissen bei den deutschen Autobahnen. Die SPD hat der Gründung einer Infrastrukturgesellschaft zugestimmt.
Linkspartei warnt vor Privatisierung der Autobahnen

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

+++Werbung+++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der Weg zur Gründung einer Autobahngesellschaft des Bundes ist frei. Die Koalition einigte sich laut Reuters am Mittwoch auf letzte Details der milliardenschweren Bund-Länder-Finanzreform, die auch die Gründung einer Infrastrukturgesellschaft vorsieht. Sie soll Planung, Bau und Erhalt der Autobahnen effizienter machen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte in Berlin, der SPD sei es in den Verhandlungen gelungen, die neue Gesellschaft gegen jede Form von Privatisierung abzudichten. Wie genau diese Absicherung erfolgen soll ist noch nicht bekannt.

CDU und CSU lobten, dass nun der Weg für ein ganzes Bündel von Grundgesetzänderungen geebnet sei, mit denen die innerstaatlichen Finanzbeziehungen ab dem kommenden Jahrzehnt neugeordnet werden.

Bisher erledigen die Bundesländer im Auftrag und auf Kosten des Bundes Bau und Betrieb der Autobahnen. Oppermann sagte, es würden mehrere Privatisierungsbremsen in die Verfassung eingebaut. Die Autobahnen müssten im öffentlichen Eigentum bleiben. Die Bürger hätten diese bereits einmal bezahlt und sollten sie nicht über Privatisierungen erneut bezahlen müssen.

Die Finanzreform ist das letzte große Projekt, das die große Koalition vor der Bundestagswahl im Herbst durch den Bundestag bringen will. Insgesamt sind 13 Grundgesetzänderungen vorgesehen, um die innerstaatlichen Finanzströme nach dem Auslaufen des Solidarpakts II mit Ostdeutschland und des aktuellen Länderfinanzausgleichs zum Jahresende 2019 neu zu ordnen. Hinzu kommen einfache Gesetze, mit denen das Verhältnis zwischen Bund und Ländern bei wichtigen Aufgaben neu geregelt wird. Der Bundestag wird der Reform wohl Anfang Juni zustimmen. Danach muss auch der Bundesrat noch grünes Licht geben.

Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Freistaates Thüringen, Christian Görke, Minister der Finanzen des Landes Brandenburg, und der Berliner Bürgermeister Klaus Lederer erklären zu dem Vorhaben:

"Bund und Länder haben Ende 2016 vereinbart, dass der Bund künftig allein für die Bundesautobahnen zuständig sein soll. Dies hatte Finanzminister Schäuble zur Bedingung für den 9,5 Milliarden-Euro- Zuschuss des Bundes zum Länderfinanzausgleich gemacht. Damit nutzte die Bundesregierung die über Jahre geschaffene Finanznot der Länder aus. Schon damals hat das Land Thüringen darauf hingewiesen, dass diese Umstrukturierung nur dann mitgetragen wird, wenn es zu keiner Privatisierung der deutschen Autobahnen und Fernstraßen kommt. In dieser Haltung wurde er vom Vize-Ministerpräsidenten Christian Görke unterstützt, der entsprechend in der Brandenburger Regierung agierte. Die Straßeninfrastruktur gehört zur Daseinsvorsorge und muss vom Staat für alle Bürger vorgehalten werden. Es kann nicht sein, dass die mit Steuermitteln gebauten Autobahnen von privaten Mautkonsortien übernommen werden, um hohe Gewinne zu erzielen.

Wenn es keine wirksame Privatisierungsschranke im Grundgesetz gibt, drohen in Deutschland französische Verhältnisse. Dort werden von privaten Betreibern immense Renditen von über 20% eingestrichen – und zwar auf Kosten der Autobahnnutzer. Auch der Bundesrechnungshof warnt vor einer Privatisierung oder einer Beteiligung privater Kapitalgeber: Die Kosten solcher Autobahnprojekte sind für den Steuerzahler höher als wenn der Staat die Straßen alleine baut und betreibt.

Wir fordern den Bundestag auf, eine vollumfassende Privatisierungsschranke im Grundgesetz zu verankern. Rechtssichere Formulierungen dafür sind den Fraktionen in einer Anzahl von Gutachten zur Verfügung gestellt worden."

Mit der Reform entfällt der Länderfinanzausgleich, mit dem die Bundesländer ihre Steuereinnahmen untereinander aufteilen. Dies wird künftig allein über die Verteilung der Umsatzsteuereinnahmen erledigt, ergänzt um Zu- und Abschläge je nach Finanzkraft des Landes. Zudem erhalten die Länder ab 2020 9,7 Milliarden Euro mehr vom Bund. Dieser sicherte sich dafür mehr Kontrollrechte. Damit werde der Bund zum Garanten für gleichwertige Lebensverhältnisse im Land, sagte Oppermann.

Sein Unionskollege Volker Kauder sagte, die Reform sei dringend notwendig und wohl auch nur in einer großen Koalition möglich gewesen. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sprach von einer gewaltigen Leistung. Die Neuordnung des Finanzausgleichs werde auch Bayern entlasten, das mehr als die Hälfte des aktuellen Länderfinanzausgleichs schultern muss.

Mit dem Gesetzespaket wird die Zusammenarbeit von Bund und Ländern an etlichen Stellen neu justiert. So darf der Bund künftig in die Bildungsinfrastruktur finanzschwacher Kommunen investieren, was bisher allein Ländersache ist. Oppermann sagte, damit könne der Investitionsstau von 32 Milliarden Euro an den Schulen abgebaut werden. Als erster Schritt wurde ein 3,5 Milliarden Euro schweres Sanierungsprogramm vereinbart.

In der Steuerverwaltung bekommt der Bund mehr Weisungsrechte gegenüber den Ländern zur Gewährleistung gleicher Standards sowie beim IT-Einsatz. Bei Mischfinanzierungen von Bund und Länder darf der Bundesrechnungshof künftig auch in die Bücher der Länder gucken.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Yulin Delegation - Erfolgreich veranstaltetes Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen in Berlin

Am 25. April 2024 organisierte eine Delegation aus der chinesischen Stadt Yulin ein erfolgreiches Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschland im Investitionstief: Rückgang setzt Wirtschaft unter Druck
02.05.2024

Deutschlands Attraktivität für ausländische Investitionen schwindet weiter: 2023 markiert den niedrigsten Stand seit 2013. Manche...

DWN
Politik
Politik 1.-Mai-Demonstrationen: Gewerkschaften fordern dringend Gerechtigkeit
02.05.2024

Am Tag der Arbeit kämpfen Gewerkschaften für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Spitzenvertreter betonten die Notwendigkeit von...

DWN
Politik
Politik Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter im DWN-Interview: Die Folgen des Massenmords von Odessa 2014
02.05.2024

Der Militärhistoriker Dr. Lothar Schröter ordnet im DWN-Interview den Massenmord in Odessa vom 2. Mai 2014 ein. Dabei geht er auch auf...

DWN
Politik
Politik DWN-Interview: Ukraine-Krieg - Zehn Jahre nach dem Massenmord von Odessa
02.05.2024

Am 2. Mai 2014 ist es in der ukrainischen Stadt Odessa zu einem Massenmord gekommen, bei dem fast fünfzig Menschen qualvoll ums Leben...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin als Geldanlage: „Das ist gleichzusetzen mit einem Besuch im Casino“
02.05.2024

Bitcoin entzweit trotz neuer Kursrekorde die Anlegergemeinschaft. Die einen halten große Stücke auf den Coin, die anderen sind kritisch....

DWN
Politik
Politik Heimatschutz: Immer mehr Bürger dienen dem Land und leisten „Wehrdienst light"
01.05.2024

Ob Boris Pistorius (SPD) das große Ziel erreicht, die Truppe auf über 200.000 Soldaten aufzustocken bis 2031 ist noch nicht ausgemacht....

DWN
Immobilien
Immobilien Balkonkraftwerk mit Speicher: Solarpaket könnte Boom auslösen - lohnt sich der Einbau?
01.05.2024

Balkonkraftwerke aus Steckersolargeräten werden immer beliebter in Deutschland. Insgesamt gibt es aktuell über 400.000 dieser sogenannten...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Weltweite Aufrüstung verschärft Knappheit im Metallsektor
01.05.2024

Die geopolitischen Risiken sind derzeit so groß wie seit den Hochzeiten des Kalten Krieges nicht mehr. Gewaltige Investitionen fließen in...