Politik

Europarat: Ungarn hat Recht auf Transparenz von NGOs

Der Europarat zeigt überraschend Verständnis für die ungarische Forderung nach Transparenz bei NGOs. Allerdings ist der Gesetzesentwurf in einigen Punkten zu restriktiv.
03.06.2017 00:27
Lesezeit: 1 min

Die Venedig-Kommission des Europarats hat heute ihr vorläufiges Gutachten zum Gesetzentwurf über die Transparenz von Organisationen, die Unterstützung von außerhalb Ungarns enthalten, veröffentlicht. Darin zeigt sie überraschend nüchtern auf, warum das Ansinnen nicht unberechtigt ist, nennt jedoch einige Einschränkungen. Open Society-Gründer George Soros nennt Ungarn unter dem gewählten Ministerpräsidenten Viktor Orban dagegen einen "Mafia-Staat". Die EU hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet.

Die Mitteilung der Kommission:

Die Kommission erkennt an, dass der Gesetzentwurf das legitime Ziel verfolge, die Transparenz von zivilgesellschaftlichen Organisationen sicherzustellen, und auch zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung beitragen könne.

Der ungarische Gesetzgeber hat klugerweise den äußerst stigmatisierenden Ausdruck „ausländische Agenten“ vermieden. Doch die neutrale Bezeichnung „Organisation, die Unterstützung aus dem Ausland erhält“, die in dem Entwurf verwendet wird, birgt im Kontext einer von den ungarischen Behörden geführten virulenten Kampagne die Gefahr nachteiliger Auswirkungen auf deren legitime Ziele und kann Bedenken hinsichtlich einer diskriminierenden Behandlung hervorrufen.

Die Venedig-Kommission empfiehlt manchen ungarischen Behörden, vor der endgültigen Verabschiedung des Gesetzentwurfs eine öffentliche Konsultation unter Beteiligung aller zivilgesellschaftlichen Organisationen durchzuführen.

Die Begründung für den Ausschluss mehrerer Kategorien von Organisationen aus dem Anwendungsbereich des Gesetzentwurfs, etwa Sportverbände oder religiöse Vereinigungen, ist nicht ganz eindeutig und sollte entweder klarer formuliert, oder der Ausschluss sollte gestrichen werden.

Positiv wird bewertet, dass der Gesetzesentwurf abgestufte Sanktionen vorsieht und alle wichtigen Entscheidungen über Sanktionen von einer Gerichtsinstanz getroffen werden. Allerdings muss gewährleistet sein, dass die Sanktionen verhältnismäßig sind und nur dann verhängt werden, wenn die wesentlichsten Verpflichtungen nicht erfüllt werden und/oder wenn bei der Erfüllung von Verpflichtungen schwerwiegende Mängel festzustellen sind. Der Hinweis auf die Auflösung einer Organisation aufgrund mangelhafter Erfüllung von Verpflichtungen sollte entfernt werden.

Der Europarat ist eine von der EU unabhängige Organisation, die sich insbesondere um die Wahrung der Menschenrechte in Europa kümmert. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und die Europäische Menschenrechtskonvention sind die Eckpfeiler, auf die sich alle europäischen Nationen geeinigt haben – und die auch in Zeiten der geopolitischen Spannungen in allen Ländern Beachtung finden. Auffallend: Während sich mittlerweile 47 Staaten mit 820 Millionen Bürgern den Sprüchen des Gerichtshof und der Konvention unterworfen haben und solcherart die Menschenrechte einklagbar zur Grundlage ihrer Nationen gemacht haben, ist die EU bis heute nicht der Europäischen Menschenrechtskonvention beigetreten – obwohl dies im Vertrag von Lissabon ausdrücklich so verabschiedet wurde. Im Interview mit den Deutschen Wirtschafts Nachrichten hatte der Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, gesagt, es wäre ein gutes Zeichen, wenn die EU der Menschenrechtskonvention beitreten würde.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bundesbank: Deutsche Exportwirtschaft verliert deutlich an globaler Stärke
14.07.2025

Die deutsche Exportwirtschaft steht laut einer aktuellen Analyse der Bundesbank zunehmend unter Druck. Branchen wie Maschinenbau, Chemie...

DWN
Immobilien
Immobilien Gebäudeenergiegesetz: Milliardenprojekt für 1,4 Billionen Euro – hohe Belastung, unklare Wirkung, politisches Chaos
14.07.2025

Die kommende Gebäudesanierung in Deutschland kostet laut Studie rund 1,4 Billionen Euro. Ziel ist eine Reduktion der CO₂-Emissionen im...

DWN
Politik
Politik EU plant 18. Sanktionspaket gegen Russland: Ölpreisobergrenze im Visier
14.07.2025

Die EU verschärft den Druck auf Moskau – mit einer neuen Preisgrenze für russisches Öl. Doch wirkt die Maßnahme überhaupt? Und was...

DWN
Technologie
Technologie Datenschutzstreit um DeepSeek: Deutschland will China-KI aus App-Stores verbannen
14.07.2025

Die chinesische KI-App DeepSeek steht in Deutschland unter Druck. Wegen schwerwiegender Datenschutzbedenken fordert die...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 unter Druck – Sommerkrise nicht ausgeschlossen
14.07.2025

Donald Trump droht mit neuen Zöllen, Analysten warnen vor einer Sommerkrise – und die Prognosen für den S&P 500 könnten nicht...

DWN
Politik
Politik Wenn der Staat lahmt: Warum die Demokratie leidet
14.07.2025

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt eindringlich vor den Folgen staatlicher Handlungsunfähigkeit. Ob kaputte Brücken,...

DWN
Politik
Politik Fluchtgrund Gewalt: Neue Angriffe in Syrien verstärken Ruf nach Schutz
14.07.2025

Trotz Versprechen auf nationale Einheit eskaliert in Syrien erneut die Gewalt. Im Süden des Landes kommt es zu schweren Zusammenstößen...

DWN
Finanzen
Finanzen Altersarmut nach 45 Beitragsjahren: Jeder Vierte bekommt weniger als 1300 Euro Rente
14.07.2025

Auch wer sein Leben lang gearbeitet hat, kann oft nicht von seiner Rente leben. Dabei gibt es enorme regionale Unterschiede und ein starkes...