Der um sich greifende Pferdefleisch-Skandal sorgt nach Funden bei Real-Lasagne weiter für heftige Debatten. Hauptgrund ist die schwerwiegende Verbrauchertäuschung, da die betroffenen Produkte als Rindfleisch-Produkte ausgegeben wurden, jedoch teilweise bis zu 100 Prozent Pferdefleisch beinhalteten. Ein kultureller Grund spielt jedoch auch mit hinein. Während Pferdefleisch in Großbritannien beispielsweise verpönt ist, gilt es in Österreich sogar als Delikatesse.
„Pferdefleisch ist das magerste Fleisch überhaupt“, begründet die Chefin der in Wien marktführenden Fleischerei Gumprecht, Margarete Gumprecht, die hohe Qualität und Wertschätzung des Fleisches in Österreich. So sei es beispielsweise zu unrentabel, Pferde nur zur Fleischproduktion zu züchten. Die Pferde werden nicht in Massentierhaltung aufgezogen und können sich frei bewegen. „Es hat nur 2,7 Gramm Fett je 100 Gramm essbarem Anteil. Dadurch hat es weniger Kalorien und weniger Cholesterin“, so Gumprecht.
In Österreich und besonders in Wien hat der Verzehr von Pferdefleisch sogar eine gewisse Tradition. „Das Pferdefleisch gehört zu Wien wie die Sachertorte. Es ist ein echtes Traditionsprodukt“, so Gumprecht. Außerdem habe man in Österreich die strengsten Lebensmittelgesetze überhaupt, „wir sind päpstlicher als der Papst“, ergänzt sie. Und genau das komme ihrem Unternehmen derzeit zugute. „Auch bei uns wird jedes Pferd vor der Schlachtung mehrfach kontrolliert.“
Negative Auswirkungen auf ihr Unternehmen aufgrund des Skandals fürchtet Gumprecht jedoch nicht. „Die Österreicher können die Engländer in Sachen Abneigung von Pferdefleisch nicht verstehen.“ Gumprecht geht sogar davon aus, dass nun über die Vorteile von Pferdefleisch offen gesprochen wird. Immerhin habe es die doppelte Menge an Eiweiß und Vitaminen im Vergleich zu Rindfleisch. Das Fleisch gewinne zudem auch für Diabetiker und es gebe „definitiv keine gesundheitlichen Schäden“, so Gumprecht.
In Deutschland ist Pferdefleisch auch normal käuflich zu erwerben. Es gibt über hundert Pferdefleischhauereien. Die negative Konnotation der Briten, die auch vom Pferdesport herrührt, ist hier nicht so weit verbreitet. Aber das Pferdefleisch, das in Deutschland als solches verkauft wird, muss eigentlich ganz klar deklariert sein. Die Pferde müssen zur Schlachtung zugelassen sein, sagte auch Bundesverbraucherministerin Aigner am Mittwoch in Nürnberg.
Das Pferdefleisch in den Tiefkühlprodukten war jedoch nicht deklariert und ob möglicher Weise eine Gefahr für die Gesundheit kann bisher noch nicht ausgeschlossen werden. So kommen bei Pferden oft Schmerzmittel und Antibiotika zum Einsatz (hier). Das Medikament Phenylbutazon etwa wird bei Pferden gegen Entzündungen und im Pferdesport auch als Doping-Mittel eingesetzt. In Großbritannien laufen bereits seit einer Woche die Untersuchungen auf mögliche Rückstände dieser Art.