Die Geschäftsbanken der Eurozone verkaufen in großem Stil Staatsanleihen an die Zentralbanken. Der Umfang der verkauften Wertpapiere sei in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen, berichtet die Financial Times.
Allein im Juni haben Banken aus der Eurozone Staatsanleihen im Gesamtwert von 46 Milliarden Euro an die Notenbanken verkauft. Seit Jahresbeginn beläuft sich die Summe auf etwa 257 Milliarden Euro, berichtet die FT. Besonders auffällig waren die Aktivitäten italienischer Banken auf dem Anleihenmarkt. Diese stießen allein im Juni Papiere im Umfang von etwa 20 Milliarden Euro ab und trugen damit fast die Hälfte zu den Verkäufen in der gesamten Eurozone bei. Im Mai hatten sie bereits Anleihen im Wert von 9,4 Milliarden Euro verkauft. Die Verkäufe im Mai und im Juni haben den Gesamtbestand von Staatsanleihen in den Portfolios italienischer Banken um über 7 Prozent schrumpfen lassen.
Europäische Banken hatten zum letzten Mal im Januar 2016 in ihrer Gesamtheit deutlich mehr Staatsanleihen gekauft als verkauft (50 Milliarden Euro). Seitdem kam es auf Monatssicht entweder nur zu kleinen positiven Salden oder aber bedeutenden Verkäufen in der Größenordnung von 30 bis 50 Milliarden Euro.
Ein von der FT befragter Analyst der Investmentgesellschaft Jefferies glaubt, dass die Erlöse aus den Verkäufen von den Banken zum größten Teil auf ihren Konten bei der Zentralbank deponiert wurden, anstatt sie der Realwirtschaft in Form von Krediten zur Verfügung zu stellen. Die Daten „entsprechen der Idee, dass die Italiener ihre Bestände an Staatsanleihen abbauen und die Gewinne auf ihr Konto bei der Zentralbank einzahlen.“
Die Einlagen der Banken bei der italienischen Zentralbank sind seit Mai um 22 Milliarden Euro gestiegen. Seit Jahresbeginn ergibt sich ein Anstieg von etwa 50 Milliarden Euro. Während die Einlagen der Banken bei der italienischen Zentralbank im Dezember 2015 noch etwa 25 Milliarden Euro betrugen, lagen sie im Juli bei etwa 125 Milliarden Euro.
Wie große der Verkaufsdruck in Italien ist, zeigt sich auch daran, dass das EZB-System im Juli für 9,6 Milliarden Euro italienische Staatsanleihen aufkaufte und diese damit gegenüber den Anleihen anderer Staaten deutlich übergewichtete. Jefferies zufolge entsprachen die Anleihenkäufe der italienischen Zentralbank im Mai und im Juni etwa einem Fünftel aller Anleihenkäufe in der Eurozone.
Der Jefferies-Analyst interpretiert die Verkaufswelle als Vorbereitung der Banken auf eine im Herbst möglicherweise bevorstehende Änderung des Anleihe-Kaufprogramms der Europäischen Zentralbank beziehungsweise einer Änderung ihrer Geldpolitik insgesamt. „Vielleicht sehen wir gerade, dass die italienischen Bankmanager verstehen, was ihre spanischen Kollegen schon lange wissen: Dass man keine großen Mengen an Staatsanleihen halten sollte, wenn die Zinsen wieder zu steigen beginnen.“
Steigen die Leitzinsen der EZB, verteuert sich für die Euro-Staaten der Schuldendienst und die Kurse der Staatsanleihen in den Portfolios der Banken sinken, weil im Gegenzug die Renditen der Papiere steigen. Eine Rückführung des Anleihe-Kaufprogramms ist besonders heikel, weil dieses bislang garantierte, dass sich die hochverschuldeten Staaten in der Eurozone zu relativ günstigen Konditionen weiter verschulden konnten, weil die EZB mit ihren Käufen das Zinsniveau des Marktes drückte.
Italien ist hochgradig von der EZB abhängig geworden, was seine Finanzierung betrifft. Einem im Mai von Astellon Capital herausgegebenen Bericht zufolge wurden 88 Prozent aller seit 2008 vom italienischen Staat emittierten Anleihen von der EZB oder italienischen Banken gekauft.
Der Finanzblog Wolf Street schreibt über diese wachsende Abhängigkeit: „In anderen Worten ist die italienische Regierung bei ihrer Finanzierung völlig von den künstlich durch die EZB gedrückten Zinsen abhängig geworden. Währenddessen hat das Land die höchsten Schulden in der Eurozone aufgebaut (2,279 Billionen Euro im Mai), obwohl es nur die viertgrößte Volkswirtschaft nach Deutschland, Frankreich und Großbritannien beheimatet. Die EU-Kommission hat Italien wiederholt gedroht, Strafen wegen der Verletzung der Maastricht-Schuldenkriterien zu erlassen. Aber wenn sie das täte, müsste faktisch die EZB die Strafe zahlen. Es ist ganz klar, dass das nicht ewig so weitergehen kann. Aber die EZB wird in den kommenden Monaten weiterhin all jene Staatsanleihen aufnehmen müssen, die die italienischen Bankhäuser abstoßen. Denn es gibt im ganzen Markt praktisch niemanden mehr, der diese Papiere kaufen will. Doch selbst der EZB sind Grenzen gesetzt: sie kann nur bis zu 33 Prozent aller ausstehenden Staatsschulden eines Landes aufkaufen. Derzeit nähert sie sich der Marke von 25 Prozent.“